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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
Der Assenat
Drittes Buch.

SEfira brante noch. Das feuer/
das vor etlichen tagen der schöne Leib-
eigne in ihrem hertzen angezündet/
war noch nicht verloschen. Darüm
trug sie verlangen zu wissen/ wo er
were. Darüm bemühete sie sich/ ihn
aus zu kundschaffen. In alle würts-
hauser schikte sie ihre diener. An allen orten vernahm
sie/ wo er geblieben. Etliche wochen lang lies sie ihn
suchen. Endlich erfuhr sie/ daß ein Memfischer Kauf-
man ihn bewahrete. Nicht lange konte sie ruhen.
Straks muste sie fort. Sie setzte sich auf ihre prächtig-
ste kutsche. Eben so prachtig muste der nachtrab sein.
In solcher pracht lies sie sich sehen. In solcher herlig-
keit fuhr sie darnachzu. Gantz langsam musten die pfer-
de gehen.

Recht gegen dem schönen Leibeignen über wohnete
ein Bildhauer. Vor dessen tühre hielt sie stil. Sie be-
gehrete seine Kunst zu besichtigen. Man muste ihr ein
Bild nach dem andern vor den wagen zur schaue brin-
gen. Aber es war ihr nicht zu tuhn/ diese leblosen Bil-
der zu sehen. Josef lag ihr im hertzen. Dessen leben-
diges bild begehrte sie zu schauen. Aber diese augenwei-
de bekahm sie vor das mahl nicht. Der schöne Leibeigne
war nirgend zu erblikken. Ihre hofnung zerschmoltz.
Ihr verlangen war vergebens. Vergebens war ihr an-
schlag: ümsonst ihr prächtiger aufzug. Und also muste
sie unverrichteter sachen wieder nach hause.

Des folgenden tages kahm sie noch viel prächtiger auf-

ge-
Der Aſſenat
Der Aſſenat
Drittes Buch.

SEfira brante noch. Das feuer/
das vor etlichen tagen der ſchoͤne Leib-
eigne in ihrem hertzen angezuͤndet/
war noch nicht verloſchen. Daruͤm
trug ſie verlangen zu wiſſen/ wo er
were. Daruͤm bemuͤhete ſie ſich/ ihn
aus zu kundſchaffen. In alle wuͤrts-
håuſer ſchikte ſie ihre diener. An allen orten vernahm
ſie/ wo er geblieben. Etliche wochen lang lies ſie ihn
ſuchen. Endlich erfuhr ſie/ daß ein Memfiſcher Kauf-
man ihn bewahrete. Nicht lange konte ſie ruhen.
Straks muſte ſie fort. Sie ſetzte ſich auf ihre praͤchtig-
ſte kutſche. Eben ſo pråchtig muſte der nachtrab ſein.
In ſolcher pracht lies ſie ſich ſehen. In ſolcher herlig-
keit fuhr ſie darnachzu. Gantz langſam muſten die pfer-
de gehen.

Recht gegen dem ſchoͤnen Leibeignen uͤber wohnete
ein Bildhauer. Vor deſſen tuͤhre hielt ſie ſtil. Sie be-
gehrete ſeine Kunſt zu beſichtigen. Man muſte ihr ein
Bild nach dem andern vor den wagen zur ſchaue brin-
gen. Aber es war ihr nicht zu tuhn/ dieſe lebloſen Bil-
der zu ſehen. Joſef lag ihr im hertzen. Deſſen leben-
diges bild begehrte ſie zu ſchauen. Aber dieſe augenwei-
de bekahm ſie vor das mahl nicht. Der ſchoͤne Leibeigne
war nirgend zu erblikken. Ihre hofnung zerſchmoltz.
Ihr verlangen war vergebens. Vergebens war ihr an-
ſchlag: uͤmſonſt ihr praͤchtiger aufzug. Und alſo muſte
ſie unverrichteter ſachen wieder nach hauſe.

Des folgenden tages kahm ſie noch viel praͤchtiger auf-

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[94/0118] Der Aſſenat Der Aſſenat Drittes Buch. SEfira brante noch. Das feuer/ das vor etlichen tagen der ſchoͤne Leib- eigne in ihrem hertzen angezuͤndet/ war noch nicht verloſchen. Daruͤm trug ſie verlangen zu wiſſen/ wo er were. Daruͤm bemuͤhete ſie ſich/ ihn aus zu kundſchaffen. In alle wuͤrts- håuſer ſchikte ſie ihre diener. An allen orten vernahm ſie/ wo er geblieben. Etliche wochen lang lies ſie ihn ſuchen. Endlich erfuhr ſie/ daß ein Memfiſcher Kauf- man ihn bewahrete. Nicht lange konte ſie ruhen. Straks muſte ſie fort. Sie ſetzte ſich auf ihre praͤchtig- ſte kutſche. Eben ſo pråchtig muſte der nachtrab ſein. In ſolcher pracht lies ſie ſich ſehen. In ſolcher herlig- keit fuhr ſie darnachzu. Gantz langſam muſten die pfer- de gehen. Recht gegen dem ſchoͤnen Leibeignen uͤber wohnete ein Bildhauer. Vor deſſen tuͤhre hielt ſie ſtil. Sie be- gehrete ſeine Kunſt zu beſichtigen. Man muſte ihr ein Bild nach dem andern vor den wagen zur ſchaue brin- gen. Aber es war ihr nicht zu tuhn/ dieſe lebloſen Bil- der zu ſehen. Joſef lag ihr im hertzen. Deſſen leben- diges bild begehrte ſie zu ſchauen. Aber dieſe augenwei- de bekahm ſie vor das mahl nicht. Der ſchoͤne Leibeigne war nirgend zu erblikken. Ihre hofnung zerſchmoltz. Ihr verlangen war vergebens. Vergebens war ihr an- ſchlag: uͤmſonſt ihr praͤchtiger aufzug. Und alſo muſte ſie unverrichteter ſachen wieder nach hauſe. Des folgenden tages kahm ſie noch viel praͤchtiger auf- ge-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/118>, abgerufen am 28.03.2024.