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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
behalten. Endlich schlos sie mit diesen worten: Ich
habe meine ehre gerettet/ wie ihr sehet. Nun möget ihr
vor die eurige eifern; und ihn/ den undankbaren/ den
treulosen/ gebührlich abstrafen.

Der guhte Potifar ward über diesen so plötzlichen
unfal über die maße bestürtzt. Er hatte dem Josef
so sehr viel guhtes zugetrauet. Er hatte seine tugend/
seine keuschheit/ seine frömmigkeit allezeit so hoch ge-
rühmet. Ja er hatte auf seine treue gantze schlösser ge-
bauet. Nun erfuhr er das widerspiel selbst aus dem
munde seiner Gemahlin. Diejenige/ die ihn vor die-
sem so manches mahl gepriesen/ klagte ihn nun selbsten
an. Er sahe den Rok/ als ein zeichen der wahrheit/
ror seinen augen. Er sahe seine Liebste so gar entstellet/
und so sehr übel zugerichtet. Und also konte er anfangs
anders nicht gedenken/ als daß es wahr sei/ was ihm
so gantz unvermuhtlich zu ohren kahm. Er ward ge-
zwungen/ alle diese beschuldigungen zu gleuben. Doch
gleichwohl konte er sich noch nicht entschlüßen den Jo-
sef/
nach dieses verbrechens beschaffenheit/ so straks
zu strafen. Er konte es über sein hertz nicht brin-
gen. Zorn und Liebe kämpften hart widereinander.
Der zorn wolte durchaus haben/ er solte ihn vertil-
gen. Die liebe dagegen riet ihm/ gemach zu verfah-
ren. Er hatte zuvor keinen einigen tadel am Josef be-
funden. Und darüm hatte er ihn von hertzen geliebet.
Ja er hatte ihn so hoch geliebet/ daß er ihm alles das
seinige anvertrauet; daß er ihn anders nicht gehalten/
als seinen Sohn; und was noch mehr ist/ ihm seine ei-
nige Erbin und liebste Tochter Assenat/ in seinem her-
tzen/ zur Gemahlin versprochen.

Diese so hertzliche liebe konte der zorn nicht so gar
verhindern/ daß sie den Potifar nachmahls nicht über-
redet vom Josef ein bessers zu gleuben/ als man ihm
vorbrachte. Ja er vermochte ihm keinesweges ein zu

bil-

Der Aſſenat
behalten. Endlich ſchlos ſie mit dieſen worten: Ich
habe meine ehre gerettet/ wie ihr ſehet. Nun moͤget ihr
vor die eurige eifern; und ihn/ den undankbaren/ den
treuloſen/ gebuͤhrlich abſtrafen.

Der guhte Potifar ward uͤber dieſen ſo ploͤtzlichen
unfal uͤber die maße beſtuͤrtzt. Er hatte dem Joſef
ſo ſehr viel guhtes zugetrauet. Er hatte ſeine tugend/
ſeine keuſchheit/ ſeine froͤmmigkeit allezeit ſo hoch ge-
ruͤhmet. Ja er hatte auf ſeine treue gantze ſchloͤſſer ge-
bauet. Nun erfuhr er das widerſpiel ſelbſt aus dem
munde ſeiner Gemahlin. Diejenige/ die ihn vor die-
ſem ſo manches mahl geprieſen/ klagte ihn nun ſelbſten
an. Er ſahe den Rok/ als ein zeichen der wahrheit/
ror ſeinen augen. Er ſahe ſeine Liebſte ſo gar entſtellet/
und ſo ſehr uͤbel zugerichtet. Und alſo konte er anfangs
anders nicht gedenken/ als daß es wahr ſei/ was ihm
ſo gantz unvermuhtlich zu ohren kahm. Er ward ge-
zwungen/ alle dieſe beſchuldigungen zu gleuben. Doch
gleichwohl konte er ſich noch nicht entſchluͤßen den Jo-
ſef/
nach dieſes verbrechens beſchaffenheit/ ſo ſtraks
zu ſtrafen. Er konte es uͤber ſein hertz nicht brin-
gen. Zorn und Liebe kaͤmpften hart widereinander.
Der zorn wolte durchaus haben/ er ſolte ihn vertil-
gen. Die liebe dagegen riet ihm/ gemach zu verfah-
ren. Er hatte zuvor keinen einigen tadel am Joſef be-
funden. Und daruͤm hatte er ihn von hertzen geliebet.
Ja er hatte ihn ſo hoch geliebet/ daß er ihm alles das
ſeinige anvertrauet; daß er ihn anders nicht gehalten/
als ſeinen Sohn; und was noch mehr iſt/ ihm ſeine ei-
nige Erbin und liebſte Tochter Aſſenat/ in ſeinem her-
tzen/ zur Gemahlin verſprochen.

Dieſe ſo hertzliche liebe konte der zorn nicht ſo gar
verhindern/ daß ſie den Potifar nachmahls nicht uͤber-
redet vom Joſef ein beſſers zu gleuben/ als man ihm
vorbrachte. Ja er vermochte ihm keinesweges ein zu

bil-
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[142/0166] Der Aſſenat behalten. Endlich ſchlos ſie mit dieſen worten: Ich habe meine ehre gerettet/ wie ihr ſehet. Nun moͤget ihr vor die eurige eifern; und ihn/ den undankbaren/ den treuloſen/ gebuͤhrlich abſtrafen. Der guhte Potifar ward uͤber dieſen ſo ploͤtzlichen unfal uͤber die maße beſtuͤrtzt. Er hatte dem Joſef ſo ſehr viel guhtes zugetrauet. Er hatte ſeine tugend/ ſeine keuſchheit/ ſeine froͤmmigkeit allezeit ſo hoch ge- ruͤhmet. Ja er hatte auf ſeine treue gantze ſchloͤſſer ge- bauet. Nun erfuhr er das widerſpiel ſelbſt aus dem munde ſeiner Gemahlin. Diejenige/ die ihn vor die- ſem ſo manches mahl geprieſen/ klagte ihn nun ſelbſten an. Er ſahe den Rok/ als ein zeichen der wahrheit/ ror ſeinen augen. Er ſahe ſeine Liebſte ſo gar entſtellet/ und ſo ſehr uͤbel zugerichtet. Und alſo konte er anfangs anders nicht gedenken/ als daß es wahr ſei/ was ihm ſo gantz unvermuhtlich zu ohren kahm. Er ward ge- zwungen/ alle dieſe beſchuldigungen zu gleuben. Doch gleichwohl konte er ſich noch nicht entſchluͤßen den Jo- ſef/ nach dieſes verbrechens beſchaffenheit/ ſo ſtraks zu ſtrafen. Er konte es uͤber ſein hertz nicht brin- gen. Zorn und Liebe kaͤmpften hart widereinander. Der zorn wolte durchaus haben/ er ſolte ihn vertil- gen. Die liebe dagegen riet ihm/ gemach zu verfah- ren. Er hatte zuvor keinen einigen tadel am Joſef be- funden. Und daruͤm hatte er ihn von hertzen geliebet. Ja er hatte ihn ſo hoch geliebet/ daß er ihm alles das ſeinige anvertrauet; daß er ihn anders nicht gehalten/ als ſeinen Sohn; und was noch mehr iſt/ ihm ſeine ei- nige Erbin und liebſte Tochter Aſſenat/ in ſeinem her- tzen/ zur Gemahlin verſprochen. Dieſe ſo hertzliche liebe konte der zorn nicht ſo gar verhindern/ daß ſie den Potifar nachmahls nicht uͤber- redet vom Joſef ein beſſers zu gleuben/ als man ihm vorbrachte. Ja er vermochte ihm keinesweges ein zu bil-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/166>, abgerufen am 29.03.2024.