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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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vierdes Buch.
ihr unzucht angemuhtet. Gleichwohl muhtmaßete die
klugsinnige Fürstin/ daß hinter diesem handel was an-
ders müste verborgen liegen.

Als nun Assenat hierüber auf so mancherlei gedan-
ken gerahten; so geriet sie endlich auch auf ihren Traum;
den sie vor etlichen jahren von einem Härmlein das ihre
Stiefmutter in den schlam drükken wollen/ und hernach
in ein fas einsperren laßen/ gehabt. Der Nitokris eben
gemeltes schreiben veruhrsachte/ daß Assenat den schö-
nen Leibeignen vor dasselbe Härmlein hielt. Auch ur-
teilete sie aus den ümständen des traumes/ daß das
heimliche gemurmel der leute von Josefs unschuld
wahr sein müste. Darüm schrieb sie an ihre Frau Mut-
ter Toote. Erstlich berichtete sie ihr alles/ was sie von
Josefs gefänglicher haft erfahren. Darnach erzehlte
sie ihr den oberwähnten Traum von stüklein zu stük-
lein: und fügte ihre eigene erklährung darzu. Endlich
begehrte sie zu wissen/ was ihre Frau Mutter von sol-
cher begäbnus/ und von ihrem Traume vor ein urteil
fällete.

Eben hatte Toote diesen brief empfangen/ als Ni-
tokris/
sie zu besuchen/ ankahm. Nachdem sie ihn nun
beide gelesen/ fielen mancherlei fremde reden vor. Ni-
tokris
erzehlete/ was sie einesmahls/ mit eigenen oh-
ren/ vor der Sefira zimmertühre gehöret. Da Se-
fira
dem Josef selbsten unzucht angemuhtet; aber eine
abschlägige und gantz scharfe antwort bekommen. Auch
fügte sie hinzu: daß sie nachmahls diese geule Für-
stin selbst ermahnet/ von so bösen begierden abzu-
stehen: und wo sie solches nicht tähte/ wolte sie sich ih-
rer geselschaft entziehen/ und sie nicht mehr vor ihre
Muhme halten. Auch habe ich/ sagte sie/ alles dieses
heute früh dem Potifar selbsten/ im vertrauen/ zu er-
kennen gegeben: damit er Josefs unschuld sehen/ und
ihn nicht etwan fälschlich anklagen möchte. Es ist guht/

und
K

vierdes Buch.
ihr unzucht angemuhtet. Gleichwohl muhtmaßete die
klugſinnige Fuͤrſtin/ daß hinter dieſem handel was an-
ders muͤſte verborgen liegen.

Als nun Aſſenat hieruͤber auf ſo mancherlei gedan-
ken gerahten; ſo geriet ſie endlich auch auf ihren Traum;
den ſie vor etlichen jahren von einem Haͤrmlein das ihre
Stiefmutter in den ſchlam druͤkken wollen/ und hernach
in ein fas einſperren laßen/ gehabt. Der Nitokris eben
gemeltes ſchreiben veruhrſachte/ daß Aſſenat den ſchoͤ-
nen Leibeignen vor daſſelbe Haͤrmlein hielt. Auch ur-
teilete ſie aus den uͤmſtaͤnden des traumes/ daß das
heimliche gemurmel der leute von Joſefs unſchuld
wahr ſein muͤſte. Daruͤm ſchrieb ſie an ihre Frau Mut-
ter Toote. Erſtlich berichtete ſie ihr alles/ was ſie von
Joſefs gefaͤnglicher haft erfahren. Darnach erzehlte
ſie ihr den oberwaͤhnten Traum von ſtuͤklein zu ſtuͤk-
lein: und fuͤgte ihre eigene erklaͤhrung darzu. Endlich
begehrte ſie zu wiſſen/ was ihre Frau Mutter von ſol-
cher begaͤbnus/ und von ihrem Traume vor ein urteil
faͤllete.

Eben hatte Toote dieſen brief empfangen/ als Ni-
tokris/
ſie zu beſuchen/ ankahm. Nachdem ſie ihn nun
beide geleſen/ fielen mancherlei fremde reden vor. Ni-
tokris
erzehlete/ was ſie einesmahls/ mit eigenen oh-
ren/ vor der Sefira zimmertuͤhre gehoͤret. Da Se-
fira
dem Joſef ſelbſten unzucht angemuhtet; aber eine
abſchlaͤgige und gantz ſcharfe antwort bekommen. Auch
fuͤgte ſie hinzu: daß ſie nachmahls dieſe geule Fuͤr-
ſtin ſelbſt ermahnet/ von ſo boͤſen begierden abzu-
ſtehen: und wo ſie ſolches nicht taͤhte/ wolte ſie ſich ih-
rer geſelſchaft entziehen/ und ſie nicht mehr vor ihre
Muhme halten. Auch habe ich/ ſagte ſie/ alles dieſes
heute fruͤh dem Potifar ſelbſten/ im vertrauen/ zu er-
kennen gegeben: damit er Joſefs unſchuld ſehen/ und
ihn nicht etwan faͤlſchlich anklagen moͤchte. Es iſt guht/

und
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[145/0169] vierdes Buch. ihr unzucht angemuhtet. Gleichwohl muhtmaßete die klugſinnige Fuͤrſtin/ daß hinter dieſem handel was an- ders muͤſte verborgen liegen. Als nun Aſſenat hieruͤber auf ſo mancherlei gedan- ken gerahten; ſo geriet ſie endlich auch auf ihren Traum; den ſie vor etlichen jahren von einem Haͤrmlein das ihre Stiefmutter in den ſchlam druͤkken wollen/ und hernach in ein fas einſperren laßen/ gehabt. Der Nitokris eben gemeltes ſchreiben veruhrſachte/ daß Aſſenat den ſchoͤ- nen Leibeignen vor daſſelbe Haͤrmlein hielt. Auch ur- teilete ſie aus den uͤmſtaͤnden des traumes/ daß das heimliche gemurmel der leute von Joſefs unſchuld wahr ſein muͤſte. Daruͤm ſchrieb ſie an ihre Frau Mut- ter Toote. Erſtlich berichtete ſie ihr alles/ was ſie von Joſefs gefaͤnglicher haft erfahren. Darnach erzehlte ſie ihr den oberwaͤhnten Traum von ſtuͤklein zu ſtuͤk- lein: und fuͤgte ihre eigene erklaͤhrung darzu. Endlich begehrte ſie zu wiſſen/ was ihre Frau Mutter von ſol- cher begaͤbnus/ und von ihrem Traume vor ein urteil faͤllete. Eben hatte Toote dieſen brief empfangen/ als Ni- tokris/ ſie zu beſuchen/ ankahm. Nachdem ſie ihn nun beide geleſen/ fielen mancherlei fremde reden vor. Ni- tokris erzehlete/ was ſie einesmahls/ mit eigenen oh- ren/ vor der Sefira zimmertuͤhre gehoͤret. Da Se- fira dem Joſef ſelbſten unzucht angemuhtet; aber eine abſchlaͤgige und gantz ſcharfe antwort bekommen. Auch fuͤgte ſie hinzu: daß ſie nachmahls dieſe geule Fuͤr- ſtin ſelbſt ermahnet/ von ſo boͤſen begierden abzu- ſtehen: und wo ſie ſolches nicht taͤhte/ wolte ſie ſich ih- rer geſelſchaft entziehen/ und ſie nicht mehr vor ihre Muhme halten. Auch habe ich/ ſagte ſie/ alles dieſes heute fruͤh dem Potifar ſelbſten/ im vertrauen/ zu er- kennen gegeben: damit er Joſefs unſchuld ſehen/ und ihn nicht etwan faͤlſchlich anklagen moͤchte. Es iſt guht/ und K

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/169>, abgerufen am 25.04.2024.