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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
alles schlichten. Ich habe verstanden/ daß der
Herr Vater betrübt sei über seine Treume. Dar-
üm mus Denselben ich/ als seine Tochter/ trö-
sten. Ich habe vernommen/ daß Erungedul-
tig sei; weil keiner von allen Traumdeutern sie
auszulegen weis. Darüm erfordert meine kin-
despflicht/ Ihn aus solcher ungeduld/ durch
einen guhten raht/ zu reissen. Der Herr Vater
betrübe sich nicht. Er bekümmere sich nicht. Er
laße nur allen unmuht fahren. Wan sonst nie-
mand raht weis seine treume zu deuten; so weis
ichs. Ich weis raht. Und darüm wird es mir
verhoffentlich nicht verübelt werden/ daß den
Herrn Vater/ in seinen geschäften/ mit dieser
schrift zu stöhren/ ich mich erkühne. Aber ich wil
ihn/ ohne weiteren ümschweif/ entdekken. Der-
selbe edele Ebreer/ welcher vor zwölf jahren dem
Herrn Vater von den Ismaelern verehret ward/
und eine zeit her Fürst
Potifars Hofmeister ge-
wesen/ weis aller treume verstand aus dem grun-
de zu erklähren. Ja er weis nicht allein dieses.
Er weis auch aus dem gestirne alles zu sagen/
was künftig geschehen sol. Selbst die Aussprü-
che der Götter seind ihm unverborgen. Alle ihre
heimligkeiten seind ihm offenbahr. Ich rede
darvon aus eigener erfahrenheit. Itzund befin-
det er sich/ wiewohl gantz unschuldig/ unter den
Königlichen gefangenen. Wan es dem Herrn
Vater beliebt/ kan er ihn alda abhohlen laßen.
Ich weis gewis/ Er wird mehr vergnügung
von ihm bekommen/ als ich sagen kan. Sein
fürtreflicher Verstand/ ja mehr als menschliche
Weisheit wird sich selbsten genug dartuhn. Und
dieses ist der raht/ den ich weis. Dis ist der raht/
den Ihm/ Hertzhochgeliebter Herr Vater/ aus

ge-

Der Aſſenat
alles ſchlichten. Ich habe verſtanden/ daß der
Herꝛ Vater betruͤbt ſei uͤber ſeine Treume. Dar-
uͤm mus Denſelben ich/ als ſeine Tochter/ troͤ-
ſten. Ich habe vernommen/ daß Erungedul-
tig ſei; weil keiner von allen Traumdeutern ſie
auszulegen weis. Daruͤm erfordert meine kin-
despflicht/ Ihn aus ſolcher ungeduld/ durch
einen guhten raht/ zu reiſſen. Der Herꝛ Vater
betruͤbe ſich nicht. Er bekuͤmmere ſich nicht. Er
laße nur allen unmuht fahren. Wan ſonſt nie-
mand raht weis ſeine treume zu deuten; ſo weis
ichs. Ich weis raht. Und daruͤm wird es mir
verhoffentlich nicht veruͤbelt werden/ daß den
Herꝛn Vater/ in ſeinen geſchaͤften/ mit dieſer
ſchrift zu ſtoͤhren/ ich mich erkuͤhne. Aber ich wil
ihn/ ohne weiteren uͤmſchweif/ entdekken. Der-
ſelbe edele Ebreer/ welcher vor zwoͤlf jahren dem
Herꝛn Vater von den Ismaelern verehret ward/
und eine zeit her Fuͤrſt
Potifars Hofmeiſter ge-
weſen/ weis aller treume verſtand aus dem grun-
de zu erklaͤhren. Ja er weis nicht allein dieſes.
Er weis auch aus dem geſtirne alles zu ſagen/
was kuͤnftig geſchehen ſol. Selbſt die Ausſpruͤ-
che der Goͤtter ſeind ihm unverborgen. Alle ihre
heimligkeiten ſeind ihm offenbahr. Ich rede
darvon aus eigener erfahrenheit. Itzund befin-
det er ſich/ wiewohl gantz unſchuldig/ unter den
Koͤniglichen gefangenen. Wan es dem Herꝛn
Vater beliebt/ kan er ihn alda abhohlen laßen.
Ich weis gewis/ Er wird mehr vergnuͤgung
von ihm bekommen/ als ich ſagen kan. Sein
fuͤrtreflicher Verſtand/ ja mehr als menſchliche
Weisheit wird ſich ſelbſten genug dartuhn. Und
dieſes iſt der raht/ den ich weis. Dis iſt der raht/
den Ihm/ Hertzhochgeliebter Herꝛ Vater/ aus

ge-
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[166/0190] Der Aſſenat alles ſchlichten. Ich habe verſtanden/ daß der Herꝛ Vater betruͤbt ſei uͤber ſeine Treume. Dar- uͤm mus Denſelben ich/ als ſeine Tochter/ troͤ- ſten. Ich habe vernommen/ daß Erungedul- tig ſei; weil keiner von allen Traumdeutern ſie auszulegen weis. Daruͤm erfordert meine kin- despflicht/ Ihn aus ſolcher ungeduld/ durch einen guhten raht/ zu reiſſen. Der Herꝛ Vater betruͤbe ſich nicht. Er bekuͤmmere ſich nicht. Er laße nur allen unmuht fahren. Wan ſonſt nie- mand raht weis ſeine treume zu deuten; ſo weis ichs. Ich weis raht. Und daruͤm wird es mir verhoffentlich nicht veruͤbelt werden/ daß den Herꝛn Vater/ in ſeinen geſchaͤften/ mit dieſer ſchrift zu ſtoͤhren/ ich mich erkuͤhne. Aber ich wil ihn/ ohne weiteren uͤmſchweif/ entdekken. Der- ſelbe edele Ebreer/ welcher vor zwoͤlf jahren dem Herꝛn Vater von den Ismaelern verehret ward/ und eine zeit her Fuͤrſt Potifars Hofmeiſter ge- weſen/ weis aller treume verſtand aus dem grun- de zu erklaͤhren. Ja er weis nicht allein dieſes. Er weis auch aus dem geſtirne alles zu ſagen/ was kuͤnftig geſchehen ſol. Selbſt die Ausſpruͤ- che der Goͤtter ſeind ihm unverborgen. Alle ihre heimligkeiten ſeind ihm offenbahr. Ich rede darvon aus eigener erfahrenheit. Itzund befin- det er ſich/ wiewohl gantz unſchuldig/ unter den Koͤniglichen gefangenen. Wan es dem Herꝛn Vater beliebt/ kan er ihn alda abhohlen laßen. Ich weis gewis/ Er wird mehr vergnuͤgung von ihm bekommen/ als ich ſagen kan. Sein fuͤrtreflicher Verſtand/ ja mehr als menſchliche Weisheit wird ſich ſelbſten genug dartuhn. Und dieſes iſt der raht/ den ich weis. Dis iſt der raht/ den Ihm/ Hertzhochgeliebter Herꝛ Vater/ aus ge-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/190>, abgerufen am 19.04.2024.