Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurtzbündige
scheuet/ genennet. Den die Indier Kayman heis-
sen/ ist zwar auch von der ahrt der Krokodillen/ aber viel
kleiner/ als die Egiptischen; wiewohl er so stark zubeis-
sen kan/ daß er einem menschen mit einem bisse plötz-
lich den fuß ablöset. Er wird gemeiniglich unter die
gattungen der Schlangen gezehlet: welches auch sein
schwantz aus weiset/ der eben so lang ist als der rumpf;
in dessen rükkengrahte man 60 würbelbeine zehlet.
Sein lauf ist sehr schnäl: aber des steiffen rükken-
grahts wegen/ kan er sich übel ümdrehen oder krümmen.
Wan ihn der hunger/ den er vier tage vertragen kan/
drükket; so pfleget er zu weinen/ wie ein Mensch/ die
menschen/ wie man sagt/ anzulokken/ damit er sie fref-
en möge. Daher werden die betrügerischen trähnen
Krokodilsträhnen genennet. Wer mehr vom Kro-
kodille zu wissen begehret/ der kan den Aldrovand/
und Jonstohn von den Tieren aufschlagen.

Zu den drei letzten zeilen des 87 blats.

DEn Habicht nennen die Egipter Bai-et/ das ist
seelen-hertz/ oder eine behertzte seele; weil sei-
ne feurige natur mit der Seelen natur übereinkommet.
Daher ist er auch bei ihnen der Seele sinbild: derer üm-
schweif/ wie die Egipter meinen/ das Hertz ist. Daß
aber die Seele eine feurige eigenschaft an sich habe/
darinnen stimmen/ mit den Egiptern/ die Griechen
und Röhmer überein. Unter den Röhmern sagt Fa-
bius
in seiner 10 Rede: Animam flammei vigoris im-
petum, perennitatemque non ex nostro igne sumen-
tem, sed quo sidera volant, & quo sacri torquentur
axes, inde venire, unde rerum omnium auctorem pa-
rentemque spiritum ducimus, nec interire, nec ullo
mortalitatis affici fato. Sed quoties humani corporis
carcerem effregerit, & exonerata membris mortalibus

levi

Kurtzbuͤndige
ſcheuet/ genennet. Den die Indier Kayman heiſ-
ſen/ iſt zwar auch von der ahrt der Krokodillen/ aber viel
kleiner/ als die Egiptiſchen; wiewohl er ſo ſtark zubeiſ-
ſen kan/ daß er einem menſchen mit einem biſſe ploͤtz-
lich den fuß abloͤſet. Er wird gemeiniglich unter die
gattungen der Schlangen gezehlet: welches auch ſein
ſchwantz aus weiſet/ der eben ſo lang iſt als der rumpf;
in deſſen ruͤkkengrahte man 60 wuͤrbelbeine zehlet.
Sein lauf iſt ſehr ſchnaͤl: aber des ſteiffen ruͤkken-
grahts wegen/ kan er ſich uͤbel uͤmdrehen oder kruͤm̃en.
Wan ihn der hunger/ den er vier tage vertragen kan/
druͤkket; ſo pfleget er zu weinen/ wie ein Menſch/ die
menſchen/ wie man ſagt/ anzulokken/ damit er ſie fref-
en moͤge. Daher werden die betruͤgeriſchen traͤhnen
Krokodilstraͤhnen genennet. Wer mehr vom Kro-
kodille zu wiſſen begehret/ der kan den Aldrovand/
und Jonſtohn von den Tieren aufſchlagen.

Zu den drei letzten zeilen des 87 blats.

DEn Habicht nennen die Egipter Bai-et/ das iſt
ſeelen-hertz/ oder eine behertzte ſeele; weil ſei-
ne feurige natur mit der Seelen natur uͤbereinkommet.
Daher iſt er auch bei ihnen der Seele ſinbild: derer uͤm-
ſchweif/ wie die Egipter meinen/ das Hertz iſt. Daß
aber die Seele eine feurige eigenſchaft an ſich habe/
darinnen ſtimmen/ mit den Egiptern/ die Griechen
und Roͤhmer uͤberein. Unter den Roͤhmern ſagt Fa-
bius
in ſeiner 10 Rede: Animam flammei vigoris im-
petum, perennitatemque non ex noſtro igne ſumen-
tem, ſed quo ſidera volant, & quo ſacri torquentur
axes, inde venire, unde rerum omnium auctorem pa-
rentemque ſpiritum ducimus, nec interire, nec ullo
mortalitatis affici fato. Sed quoties humani corporis
carcerem effregerit, & exonerata membris mortalibus

levi
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0462" n="438"/><fw place="top" type="header">Kurtzbu&#x0364;ndige</fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;cheuet/</hi> genennet. Den die Indier <hi rendition="#aq">Kayman</hi> hei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ i&#x017F;t zwar auch von der ahrt der Krokodillen/ aber viel<lb/>
kleiner/ als die Egipti&#x017F;chen; wiewohl er &#x017F;o &#x017F;tark zubei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en kan/ daß er einem men&#x017F;chen mit einem bi&#x017F;&#x017F;e plo&#x0364;tz-<lb/>
lich den fuß ablo&#x0364;&#x017F;et. Er wird gemeiniglich unter die<lb/>
gattungen der Schlangen gezehlet: welches auch &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;chwantz aus wei&#x017F;et/ der eben &#x017F;o lang i&#x017F;t als der rumpf;<lb/>
in de&#x017F;&#x017F;en ru&#x0364;kkengrahte man 60 wu&#x0364;rbelbeine zehlet.<lb/>
Sein lauf i&#x017F;t &#x017F;ehr &#x017F;chna&#x0364;l: aber des &#x017F;teiffen ru&#x0364;kken-<lb/>
grahts wegen/ kan er &#x017F;ich u&#x0364;bel u&#x0364;mdrehen oder kru&#x0364;m&#x0303;en.<lb/>
Wan ihn der hunger/ den er vier tage vertragen kan/<lb/>
dru&#x0364;kket; &#x017F;o pfleget er zu weinen/ wie ein Men&#x017F;ch/ die<lb/>
men&#x017F;chen/ wie man &#x017F;agt/ anzulokken/ damit er &#x017F;ie fref-<lb/>
en mo&#x0364;ge. Daher werden die betru&#x0364;geri&#x017F;chen tra&#x0364;hnen<lb/><hi rendition="#fr">Krokodilstra&#x0364;hnen</hi> genennet. Wer mehr vom Kro-<lb/>
kodille zu wi&#x017F;&#x017F;en begehret/ der kan den <hi rendition="#fr">Aldrovand/</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Jon&#x017F;tohn</hi> von den Tieren auf&#x017F;chlagen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr">Zu den drei letzten zeilen des 87 blats.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>En <hi rendition="#fr">Habicht</hi> nennen die Egipter <hi rendition="#fr">Bai-et/</hi> das i&#x017F;t<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;eelen-hertz/</hi> oder <hi rendition="#fr">eine behertzte &#x017F;eele;</hi> weil &#x017F;ei-<lb/>
ne feurige natur mit der Seelen natur u&#x0364;bereinkommet.<lb/>
Daher i&#x017F;t er auch bei ihnen der Seele &#x017F;inbild: derer u&#x0364;m-<lb/>
&#x017F;chweif/ wie die Egipter meinen/ das Hertz i&#x017F;t. Daß<lb/>
aber die Seele eine feurige eigen&#x017F;chaft an &#x017F;ich habe/<lb/>
darinnen &#x017F;timmen/ mit den Egiptern/ die Griechen<lb/>
und Ro&#x0364;hmer u&#x0364;berein. Unter den Ro&#x0364;hmern &#x017F;agt <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Fa-<lb/>
bius</hi></hi> in &#x017F;einer 10 Rede: <hi rendition="#aq">Animam flammei vigoris im-<lb/>
petum, perennitatemque non ex no&#x017F;tro igne &#x017F;umen-<lb/>
tem, &#x017F;ed quo &#x017F;idera volant, &amp; quo &#x017F;acri torquentur<lb/>
axes, inde venire, unde rerum omnium auctorem pa-<lb/>
rentemque &#x017F;piritum ducimus, nec interire, nec ullo<lb/>
mortalitatis affici fato. Sed quoties humani corporis<lb/>
carcerem effregerit, &amp; exonerata membris mortalibus</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">levi</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[438/0462] Kurtzbuͤndige ſcheuet/ genennet. Den die Indier Kayman heiſ- ſen/ iſt zwar auch von der ahrt der Krokodillen/ aber viel kleiner/ als die Egiptiſchen; wiewohl er ſo ſtark zubeiſ- ſen kan/ daß er einem menſchen mit einem biſſe ploͤtz- lich den fuß abloͤſet. Er wird gemeiniglich unter die gattungen der Schlangen gezehlet: welches auch ſein ſchwantz aus weiſet/ der eben ſo lang iſt als der rumpf; in deſſen ruͤkkengrahte man 60 wuͤrbelbeine zehlet. Sein lauf iſt ſehr ſchnaͤl: aber des ſteiffen ruͤkken- grahts wegen/ kan er ſich uͤbel uͤmdrehen oder kruͤm̃en. Wan ihn der hunger/ den er vier tage vertragen kan/ druͤkket; ſo pfleget er zu weinen/ wie ein Menſch/ die menſchen/ wie man ſagt/ anzulokken/ damit er ſie fref- en moͤge. Daher werden die betruͤgeriſchen traͤhnen Krokodilstraͤhnen genennet. Wer mehr vom Kro- kodille zu wiſſen begehret/ der kan den Aldrovand/ und Jonſtohn von den Tieren aufſchlagen. Zu den drei letzten zeilen des 87 blats. DEn Habicht nennen die Egipter Bai-et/ das iſt ſeelen-hertz/ oder eine behertzte ſeele; weil ſei- ne feurige natur mit der Seelen natur uͤbereinkommet. Daher iſt er auch bei ihnen der Seele ſinbild: derer uͤm- ſchweif/ wie die Egipter meinen/ das Hertz iſt. Daß aber die Seele eine feurige eigenſchaft an ſich habe/ darinnen ſtimmen/ mit den Egiptern/ die Griechen und Roͤhmer uͤberein. Unter den Roͤhmern ſagt Fa- bius in ſeiner 10 Rede: Animam flammei vigoris im- petum, perennitatemque non ex noſtro igne ſumen- tem, ſed quo ſidera volant, & quo ſacri torquentur axes, inde venire, unde rerum omnium auctorem pa- rentemque ſpiritum ducimus, nec interire, nec ullo mortalitatis affici fato. Sed quoties humani corporis carcerem effregerit, & exonerata membris mortalibus levi

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/462
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/462>, abgerufen am 18.04.2024.