Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurtzbündige
Darüm wehlet entweder die angebohtene wohllust zu
gebrauchen/ und derselben die euch aufs höchste liebet/ zu
gehorchen/ daraus ihr auch noch grösseren nutzen zu ge-
warten; oder aber machet euch gefast meinen grimmi-
gen zorn und euserste ungnade/ so fern ihr eure gewähnte
keuscheit meiner gnade vorziehet/ zu vertragen. Und das
solt ihr wissen/ daß euch diese keuscheit nichts helfen
wird/ wan ich euch bei meinem Ehherrn angeben werde/
daß ihr mich habet nohtzüchtigen wollen. Dan ob ihr
schon die wahrheit sagtet/ so würde doch Potifar meinen
worten mehr gleuben/ als den eurigen. Aber
Josef
konte auf alle diese worte/ welche sie noch darzu mit
trähnen bezeugete/ weder aus mitleiden bewogen/ noch
aus schrökken gezwungen werden/ von seiner vorge-
setzten keuscheit abzuweichen. Und also hielt er bestän-
dig an diesen so unbilligen anfechtungen zu widerstehen:
ja er wolte lieber alles leiden/ als des angebohtenen ge-
niessen; indem er wohl wuste/ daß er sich der rechtfärti-
gen strafe teilhaftig machte/ so fern er einer Fraue zu ge-
fallen/ dergleichen etwas beginge/
u. a. m.

Zu den 2 letzten zeilen des 132 blats.

IN den Egiptischen sümpfen wächset das kraut/
das die Arabischen Aertzte Beid el Ossar, oder
schlechthin Ossar und el Usar nennen/ und man auch
in Europe/ da es in etlichen Kreutergärten zwar grüh-
net und blühet/ aber keine frucht bekomt/ zu bringen
pfleget. Aus dessen gebrochenen oder angeknikten oder
aufgeritzten zakken/ und bleichgrühnen jungen blättern
leuft eine scharfe und bittere milch; welche von der son-
nenhitze zusammenrinnet/ und nach der gleicheit mit
dem Manna oder zukker/ Man und Saccar el Usar ge-
nennet wird. Mit dieser Milch pflegen die Egiptischen
Jungfrauen ihre haut zu bestreichen/ sie schön/ klahr/
und glat zu machen. Dan sie vertreibet nicht allein die
sonnen- oder sommer-sprossen/ und andere flekker; son-
dern sie beisset zugleich das haar aus. Daher pflegt

man

Kurtzbuͤndige
Daruͤm wehlet entweder die angebohtene wohlluſt zu
gebrauchen/ und derſelben die euch aufs hoͤchſte liebet/ zu
gehorchen/ daraus ihr auch noch groͤſſeren nutzen zu ge-
warten; oder aber machet euch gefaſt meinen grimmi-
gen zorn und euſerſte ungnade/ ſo fern ihr eure gewaͤhnte
keuſcheit meiner gnade vorziehet/ zu vertragen. Und das
ſolt ihr wiſſen/ daß euch dieſe keuſcheit nichts helfen
wird/ wan ich euch bei meinem Ehherꝛn angeben werde/
daß ihr mich habet nohtzuͤchtigen wollen. Dan ob ihr
ſchon die wahrheit ſagtet/ ſo wuͤrde doch Potifar meinen
worten mehr gleuben/ als den eurigen. Aber
Joſef
konte auf alle dieſe worte/ welche ſie noch darzu mit
traͤhnen bezeugete/ weder aus mitleiden bewogen/ noch
aus ſchroͤkken gezwungen werden/ von ſeiner vorge-
ſetzten keuſcheit abzuweichen. Und alſo hielt er beſtaͤn-
dig an dieſen ſo unbilligen anfechtungen zu widerſtehen:
ja er wolte lieber alles leiden/ als des angebohtenen ge-
nieſſen; indem er wohl wuſte/ daß er ſich der rechtfaͤrti-
gen ſtrafe teilhaftig machte/ ſo fern er einer Fraue zu ge-
fallen/ dergleichen etwas beginge/
u. a. m.

Zu den 2 letzten zeilen des 132 blats.

IN den Egiptiſchen ſuͤmpfen waͤchſet das kraut/
das die Arabiſchen Aertzte Beid el Oſſar, oder
ſchlechthin Oſſar und el Uſar nennen/ und man auch
in Europe/ da es in etlichen Kreutergaͤrten zwar gruͤh-
net und bluͤhet/ aber keine frucht bekomt/ zu bringen
pfleget. Aus deſſen gebrochenen oder angeknikten oder
aufgeritzten zakken/ und bleichgruͤhnen jungen blaͤttern
leuft eine ſcharfe und bittere milch; welche von der ſon-
nenhitze zuſammenrinnet/ und nach der gleicheit mit
dem Manna oder zukker/ Man und Saccar el Uſar ge-
nennet wird. Mit dieſer Milch pflegen die Egiptiſchen
Jungfrauen ihre haut zu beſtreichen/ ſie ſchoͤn/ klahr/
und glat zu machen. Dan ſie vertreibet nicht allein die
ſonnen- oder ſommer-ſproſſen/ und andere flekker; ſon-
dern ſie beiſſet zugleich das haar aus. Daher pflegt

man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0482" n="458"/><fw place="top" type="header">Kurtzbu&#x0364;ndige</fw><lb/><hi rendition="#fr">Daru&#x0364;m wehlet entweder die angebohtene wohllu&#x017F;t zu<lb/>
gebrauchen/ und der&#x017F;elben die euch aufs ho&#x0364;ch&#x017F;te liebet/ zu<lb/>
gehorchen/ daraus ihr auch noch gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eren nutzen zu ge-<lb/>
warten; oder aber machet euch gefa&#x017F;t meinen grimmi-<lb/>
gen zorn und eu&#x017F;er&#x017F;te ungnade/ &#x017F;o fern ihr eure gewa&#x0364;hnte<lb/>
keu&#x017F;cheit meiner gnade vorziehet/ zu vertragen. Und das<lb/>
&#x017F;olt ihr wi&#x017F;&#x017F;en/ daß euch die&#x017F;e keu&#x017F;cheit nichts helfen<lb/>
wird/ wan ich euch bei meinem Ehher&#xA75B;n angeben werde/<lb/>
daß ihr mich habet nohtzu&#x0364;chtigen wollen. Dan ob ihr<lb/>
&#x017F;chon die wahrheit &#x017F;agtet/ &#x017F;o wu&#x0364;rde doch Potifar meinen<lb/>
worten mehr gleuben/ als den eurigen. Aber</hi> Jo&#x017F;ef<lb/><hi rendition="#fr">konte auf alle die&#x017F;e worte/ welche &#x017F;ie noch darzu mit<lb/>
tra&#x0364;hnen bezeugete/ weder aus mitleiden bewogen/ noch<lb/>
aus &#x017F;chro&#x0364;kken gezwungen werden/ von &#x017F;einer vorge-<lb/>
&#x017F;etzten keu&#x017F;cheit abzuweichen. Und al&#x017F;o hielt er be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig an die&#x017F;en &#x017F;o unbilligen anfechtungen zu wider&#x017F;tehen:<lb/>
ja er wolte lieber alles leiden/ als des angebohtenen ge-<lb/>
nie&#x017F;&#x017F;en; indem er wohl wu&#x017F;te/ daß er &#x017F;ich der rechtfa&#x0364;rti-<lb/>
gen &#x017F;trafe teilhaftig machte/ &#x017F;o fern er einer Fraue zu ge-<lb/>
fallen/ dergleichen etwas beginge/</hi> u. a. m.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr">Zu den 2 letzten zeilen des 132 blats.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">I</hi>N den Egipti&#x017F;chen &#x017F;u&#x0364;mpfen wa&#x0364;ch&#x017F;et das kraut/<lb/>
das die Arabi&#x017F;chen Aertzte <hi rendition="#aq">Beid el O&#x017F;&#x017F;ar,</hi> oder<lb/>
&#x017F;chlechthin <hi rendition="#aq">O&#x017F;&#x017F;ar</hi> und <hi rendition="#aq">el U&#x017F;ar</hi> nennen/ und man auch<lb/>
in Europe/ da es in etlichen Kreuterga&#x0364;rten zwar gru&#x0364;h-<lb/>
net und blu&#x0364;het/ aber keine frucht bekomt/ zu bringen<lb/>
pfleget. Aus de&#x017F;&#x017F;en gebrochenen oder angeknikten oder<lb/>
aufgeritzten zakken/ und bleichgru&#x0364;hnen jungen bla&#x0364;ttern<lb/>
leuft eine &#x017F;charfe und bittere milch; welche von der &#x017F;on-<lb/>
nenhitze zu&#x017F;ammenrinnet/ und nach der gleicheit mit<lb/>
dem Manna oder zukker/ <hi rendition="#aq">Man</hi> und <hi rendition="#aq">Saccar el U&#x017F;ar</hi> ge-<lb/>
nennet wird. Mit die&#x017F;er Milch pflegen die Egipti&#x017F;chen<lb/>
Jungfrauen ihre haut zu be&#x017F;treichen/ &#x017F;ie &#x017F;cho&#x0364;n/ klahr/<lb/>
und glat zu machen. Dan &#x017F;ie vertreibet nicht allein die<lb/>
&#x017F;onnen- oder &#x017F;ommer-&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en/ und andere flekker; &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ie bei&#x017F;&#x017F;et zugleich das haar aus. Daher pflegt<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0482] Kurtzbuͤndige Daruͤm wehlet entweder die angebohtene wohlluſt zu gebrauchen/ und derſelben die euch aufs hoͤchſte liebet/ zu gehorchen/ daraus ihr auch noch groͤſſeren nutzen zu ge- warten; oder aber machet euch gefaſt meinen grimmi- gen zorn und euſerſte ungnade/ ſo fern ihr eure gewaͤhnte keuſcheit meiner gnade vorziehet/ zu vertragen. Und das ſolt ihr wiſſen/ daß euch dieſe keuſcheit nichts helfen wird/ wan ich euch bei meinem Ehherꝛn angeben werde/ daß ihr mich habet nohtzuͤchtigen wollen. Dan ob ihr ſchon die wahrheit ſagtet/ ſo wuͤrde doch Potifar meinen worten mehr gleuben/ als den eurigen. Aber Joſef konte auf alle dieſe worte/ welche ſie noch darzu mit traͤhnen bezeugete/ weder aus mitleiden bewogen/ noch aus ſchroͤkken gezwungen werden/ von ſeiner vorge- ſetzten keuſcheit abzuweichen. Und alſo hielt er beſtaͤn- dig an dieſen ſo unbilligen anfechtungen zu widerſtehen: ja er wolte lieber alles leiden/ als des angebohtenen ge- nieſſen; indem er wohl wuſte/ daß er ſich der rechtfaͤrti- gen ſtrafe teilhaftig machte/ ſo fern er einer Fraue zu ge- fallen/ dergleichen etwas beginge/ u. a. m. Zu den 2 letzten zeilen des 132 blats. IN den Egiptiſchen ſuͤmpfen waͤchſet das kraut/ das die Arabiſchen Aertzte Beid el Oſſar, oder ſchlechthin Oſſar und el Uſar nennen/ und man auch in Europe/ da es in etlichen Kreutergaͤrten zwar gruͤh- net und bluͤhet/ aber keine frucht bekomt/ zu bringen pfleget. Aus deſſen gebrochenen oder angeknikten oder aufgeritzten zakken/ und bleichgruͤhnen jungen blaͤttern leuft eine ſcharfe und bittere milch; welche von der ſon- nenhitze zuſammenrinnet/ und nach der gleicheit mit dem Manna oder zukker/ Man und Saccar el Uſar ge- nennet wird. Mit dieſer Milch pflegen die Egiptiſchen Jungfrauen ihre haut zu beſtreichen/ ſie ſchoͤn/ klahr/ und glat zu machen. Dan ſie vertreibet nicht allein die ſonnen- oder ſommer-ſproſſen/ und andere flekker; ſon- dern ſie beiſſet zugleich das haar aus. Daher pflegt man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/482
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/482>, abgerufen am 25.04.2024.