Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Erste Buch/
[Spaltenumbruch] werden. Die Farb der Blättern ist sinngrün.
Die Blumen sind weiß/ inwendig mit bun-
ten Fäßlein umbsetzet/ nach welchen die
Frucht/ nemlich langlichte Beer folgen/
dieselben scheinen anfangs grün/ darnach
roth/ und wenn sie zeitigen sind sie schwartz/
in welchen viel kleine Körnlein sich finden.
Beedes Blätter und Blumen geben einen
lieblichen Geruch von sich. An dem Stamm
ereignet sich ein ungleiches Knospen-Ge-
wächs/ welches gleichsam alß eine Hand
den Stamm umbgreiffet und zusammen
haltet. Das Myrten-bäumlein hat vor
andern Gewächsen diese Eigenschafft/ daß
wenn es im April anfangt zu blühen/ es die
Blumen nicht gleich wegwirfft/ sondern
lang behalt/ und ob gleich etliche verwelcken/
so sind doch schon wider andere vorhanden/
so das Bäumlein zieren/ und währen solche
Blumen biß in den Herbst/ ja gar in den
Winter hinein/ zumahl wenn derselbe mit
warmem Wetter anfähet. Die Blumen
sind schön/ und den Maßlieben-oder Mar-
garethen-Blümlein gleich. An sich selbst
ist es ein weiches Gewächs/ so die Winter-
kälte nicht vertragen kan/ darumb dörffen
wir es nicht ins Feld setzen/ sondern muß in
Scherben und Kübeln gepflantzet werden/
damit man es in Winters-zeit in Keller se-
tzen könne. Es wird erziehlet von seinen
Zweigen/ die wie Roßmarin gepflantzet
werden/ auch von jungen Schossen/ so die
Wurtzeln außtreiben/ oder von Zerreissung
der Wurtzel fortgepflantzet. Zu seinem
Wachsthumb will es haben ein fettes Erd-
reich/ einen sonnichten Ort/ und fleißige Be-
giessung/ so wird es schön und lustig. Die
frechen oder allzulang herfürreichende Aest-
lein kan man mit der Buchsscheer abschnei-
den/ und das Bäumlein eine Kugel-runde
Form oder eine Gestalt/ nach des Garten-
Herren Gefallen/ anmachen/ wie nun die-
selbe ist/ also wird sie eine Zeit-lang bleiben/
und nicht geschwind verwachsen.



CAPUT XXXI.
Heydelbeer. Myrtillus.
Namen.

HEydelbeer heisset Griechisch/ [fremdsprachliches Material - 5 Zeichen fehlen]-
[fremdsprachliches Material - 6 Zeichen fehlen]. Lateinisch/ Myrtillus, Vitis
Idaea.
Jtaliänisch/ Mirtillo. Fran-
tzösisch/ Airelle. Dänisch/ Boeller/ Boel-
lerys/ Blaboer. Niderländisch/ Crakebe-
sien/ Hauerbesien. Englisch/ The Bil-
berry-busch.

Geschlecht und Gestalt.

Es gibt der Heydelbeeren underschiedliche
Art und Geschlecht. Das Erste ist die gros-
se Heydelbeer-Stauden/ Myrtillus grandis,
sive Vitis Idaea magna quibusdam, J. B. Vitis
Idaea foliis subrotundis exalbidis, C. B.
Die-
se ist wohl staudicht/ hat runde ästichte an-
derthalb Elen lange Gerten oder Sprößlein/
von sattem und hartlichtem Holtz. Hat et-
was ablange/ runde/ glatte/ unzerkerffte
Blätter/ welche saurlichten zusammenzie-
henden Geschmacks/ und den Winter durch
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Heydelbeer. Myrtillus.
abfallen. Jhre Beere sind so groß alß Wach-
holderbeere/ hangen an langlichten Stieh-
len/ haben ein lieblich saurlichten weinigen
Geschmack/ mit etlichen kleinen gelblichten
Kernlein bey sich. Wachst in den Oester-
reichischen/ Steyrmarckischen und Bur-
gundischen Alp-Gebürgen.

2. Das Andere Geschlecht ist Vitis idaea
fructu nigro, J. B. Vitis idaea foliis albicanti-
bus oblongis, C. B.
Dessen Aestlein biegsam
über der Erden nidrig herstreichen/ und un-
der dem Mooß derselben bißweilen verbor-
gen ligen/ hat etwas zerkerffte und haarich-
re Blättlein; und tragt runde/ erstlich grü-
ne/ hernach rothe/ endlich schwartze an lang-
lichten Stiehlen hangende Beere/ welche
offt in der Grösse der Kirschen/ und ein saff-
tiges wohlgeschmacktes Fleisch haben/ in
welchem keine Steinlein/ sondern nur klei-
ne flache Samen stecken/ an der Zahl ins
gemein fünff.

3. Das Dritte Geschlecht ist der gemeine-
re Heydelbeer-strauch/ Vitis idaea foliis ob-
longis crenatis, fructu nigricante, C. B. Vacci-
nia nigra vulgaria, Park.
Er wird zu Zeiten
Elen hoch: Seine Gertlein sind vierecket
und grün/ ist mit zarten Buxbaumen Blät-
lein gekleydet/ die sind an dem Umbkreiß ein
wenig zerkerbt. Jn dem Mäyen bringet er
runde braun-rothe Blümlein wie Schellen/
in deren Mitte ein rothes Zäpflein stehet.
Jn dem Brachmonat erscheinen die blaw-
schwartze Beer/ in Grösse und Gestalt der
Weckholder-beeren. Die Wurtzel breitet
sich auff dem Erdreich auß/ und bringet
herfür newe Stäudlein. Er wachst auff
den Alpgebürgen/ in den Einöden und fin-
stern Thäleren in Teutschland/ Franck-
reich und Engelland/ auff dem Schwartz-
wald und den Schweitzerischen Gebürgen/

insonder-

Das Erſte Buch/
[Spaltenumbruch] werden. Die Farb der Blaͤttern iſt ſinngruͤn.
Die Blumen ſind weiß/ inwendig mit bun-
ten Faͤßlein umbſetzet/ nach welchen die
Frucht/ nemlich langlichte Beer folgen/
dieſelben ſcheinen anfangs gruͤn/ darnach
roth/ und wenn ſie zeitigen ſind ſie ſchwartz/
in welchen viel kleine Koͤrnlein ſich finden.
Beedes Blaͤtter und Blumen geben einen
lieblichen Geruch von ſich. An dem Stam̃
ereignet ſich ein ungleiches Knoſpen-Ge-
waͤchs/ welches gleichſam alß eine Hand
den Stamm umbgreiffet und zuſammen
haltet. Das Myrten-baͤumlein hat vor
andern Gewaͤchſen dieſe Eigenſchafft/ daß
wenn es im April anfangt zu bluͤhen/ es die
Blumen nicht gleich wegwirfft/ ſondern
lang behalt/ und ob gleich etliche verwelcken/
ſo ſind doch ſchon wider andere vorhanden/
ſo das Baͤumlein zieren/ und waͤhren ſolche
Blumen biß in den Herbſt/ ja gar in den
Winter hinein/ zumahl wenn derſelbe mit
warmem Wetter anfaͤhet. Die Blumen
ſind ſchoͤn/ und den Maßlieben-oder Mar-
garethen-Bluͤmlein gleich. An ſich ſelbſt
iſt es ein weiches Gewaͤchs/ ſo die Winter-
kaͤlte nicht vertragen kan/ darumb doͤrffen
wir es nicht ins Feld ſetzen/ ſondern muß in
Scherben und Kuͤbeln gepflantzet werden/
damit man es in Winters-zeit in Keller ſe-
tzen koͤnne. Es wird erziehlet von ſeinen
Zweigen/ die wie Roßmarin gepflantzet
werden/ auch von jungen Schoſſen/ ſo die
Wurtzeln außtreiben/ oder von Zerꝛeiſſung
der Wurtzel fortgepflantzet. Zu ſeinem
Wachsthumb will es haben ein fettes Erd-
reich/ einen ſonnichten Ort/ und fleißige Be-
gieſſung/ ſo wird es ſchoͤn und luſtig. Die
frechen oder allzulang herfuͤrꝛeichende Aeſt-
lein kan man mit der Buchsſcheer abſchnei-
den/ und das Baͤumlein eine Kugel-runde
Form oder eine Geſtalt/ nach des Garten-
Herꝛen Gefallen/ anmachen/ wie nun die-
ſelbe iſt/ alſo wird ſie eine Zeit-lang bleiben/
und nicht geſchwind verwachſen.



CAPUT XXXI.
Heydelbeer. Myrtillus.
Namen.

HEydelbeer heiſſet Griechiſch/ [fremdsprachliches Material – 5 Zeichen fehlen]-
[fremdsprachliches Material – 6 Zeichen fehlen]. Lateiniſch/ Myrtillus, Vitis
Idæa.
Jtaliaͤniſch/ Mirtillo. Fran-
tzoͤſiſch/ Airelle. Daͤniſch/ Boeller/ Boel-
lerys/ Blaboer. Niderlaͤndiſch/ Crakebe-
ſien/ Hauerbeſien. Engliſch/ The Bil-
berry-buſch.

Geſchlecht und Geſtalt.

Es gibt der Heydelbeeren underſchiedliche
Art und Geſchlecht. Das Erſte iſt die groſ-
ſe Heydelbeer-Stauden/ Myrtillus grandis,
ſive Vitis Idæa magna quibusdam, J. B. Vitis
Idæa foliis ſubrotundis exalbidis, C. B.
Die-
ſe iſt wohl ſtaudicht/ hat runde aͤſtichte an-
derthalb Elen lange Gerten oder Sproͤßlein/
von ſattem und hartlichtem Holtz. Hat et-
was ablange/ runde/ glatte/ unzerkerffte
Blaͤtter/ welche ſaurlichten zuſammenzie-
henden Geſchmacks/ und den Winter durch
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Heydelbeer. Myrtillus.
abfallen. Jhre Beere ſind ſo groß alß Wach-
holderbeere/ hangen an langlichten Stieh-
len/ haben ein lieblich ſaurlichten weinigen
Geſchmack/ mit etlichen kleinen gelblichten
Kernlein bey ſich. Wachſt in den Oeſter-
reichiſchen/ Steyrmarckiſchen und Bur-
gundiſchen Alp-Gebuͤrgen.

2. Das Andere Geſchlecht iſt Vitis idæa
fructu nigro, J. B. Vitis idæa foliis albicanti-
bus oblongis, C. B.
Deſſen Aeſtlein biegſam
uͤber der Erden nidrig herſtreichen/ und un-
der dem Mooß derſelben bißweilen verbor-
gen ligen/ hat etwas zerkerffte und haarich-
re Blaͤttlein; und tragt runde/ erſtlich gruͤ-
ne/ hernach rothe/ endlich ſchwartze an lang-
lichten Stiehlen hangende Beere/ welche
offt in der Groͤſſe der Kirſchen/ und ein ſaff-
tiges wohlgeſchmacktes Fleiſch haben/ in
welchem keine Steinlein/ ſondern nur klei-
ne flache Samen ſtecken/ an der Zahl ins
gemein fuͤnff.

3. Das Dritte Geſchlecht iſt der gemeine-
re Heydelbeer-ſtrauch/ Vitis idæa foliis ob-
longis crenatis, fructu nigricante, C. B. Vacci-
nia nigra vulgaria, Park.
Er wird zu Zeiten
Elen hoch: Seine Gertlein ſind vierecket
und gruͤn/ iſt mit zarten Buxbaumen Blaͤt-
lein gekleydet/ die ſind an dem Umbkreiß ein
wenig zerkerbt. Jn dem Maͤyen bringet er
runde braun-rothe Bluͤmlein wie Schellen/
in deren Mitte ein rothes Zaͤpflein ſtehet.
Jn dem Brachmonat erſcheinen die blaw-
ſchwartze Beer/ in Groͤſſe und Geſtalt der
Weckholder-beeren. Die Wurtzel breitet
ſich auff dem Erdreich auß/ und bringet
herfuͤr newe Staͤudlein. Er wachſt auff
den Alpgebuͤrgen/ in den Einoͤden und fin-
ſtern Thaͤleren in Teutſchland/ Franck-
reich und Engelland/ auff dem Schwartz-
wald und den Schweitzeriſchen Gebuͤrgen/

inſonder-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0088" n="72"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Er&#x017F;te Buch/</hi></fw><lb/><cb/>
werden. Die Farb der Bla&#x0364;ttern i&#x017F;t &#x017F;inngru&#x0364;n.<lb/>
Die Blumen &#x017F;ind weiß/ inwendig mit bun-<lb/>
ten Fa&#x0364;ßlein umb&#x017F;etzet/ nach welchen die<lb/>
Frucht/ nemlich langlichte Beer folgen/<lb/>
die&#x017F;elben &#x017F;cheinen anfangs gru&#x0364;n/ darnach<lb/>
roth/ und wenn &#x017F;ie zeitigen &#x017F;ind &#x017F;ie &#x017F;chwartz/<lb/>
in welchen viel kleine Ko&#x0364;rnlein &#x017F;ich finden.<lb/>
Beedes Bla&#x0364;tter und Blumen geben einen<lb/>
lieblichen Geruch von &#x017F;ich. An dem Stam&#x0303;<lb/>
ereignet &#x017F;ich ein ungleiches Kno&#x017F;pen-Ge-<lb/>
wa&#x0364;chs/ welches gleich&#x017F;am alß eine Hand<lb/>
den Stamm umbgreiffet und zu&#x017F;ammen<lb/>
haltet. Das Myrten-ba&#x0364;umlein hat vor<lb/>
andern Gewa&#x0364;ch&#x017F;en die&#x017F;e Eigen&#x017F;chafft/ daß<lb/>
wenn es im April anfangt zu blu&#x0364;hen/ es die<lb/>
Blumen nicht gleich wegwirfft/ &#x017F;ondern<lb/>
lang behalt/ und ob gleich etliche verwelcken/<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ind doch &#x017F;chon wider andere vorhanden/<lb/>
&#x017F;o das Ba&#x0364;umlein zieren/ und wa&#x0364;hren &#x017F;olche<lb/>
Blumen biß in den Herb&#x017F;t/ ja gar in den<lb/>
Winter hinein/ zumahl wenn der&#x017F;elbe mit<lb/>
warmem Wetter anfa&#x0364;het. Die Blumen<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;cho&#x0364;n/ und den Maßlieben-oder Mar-<lb/>
garethen-Blu&#x0364;mlein gleich. An &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t es ein weiches Gewa&#x0364;chs/ &#x017F;o die Winter-<lb/>
ka&#x0364;lte nicht vertragen kan/ darumb do&#x0364;rffen<lb/>
wir es nicht ins Feld &#x017F;etzen/ &#x017F;ondern muß in<lb/>
Scherben und Ku&#x0364;beln gepflantzet werden/<lb/>
damit man es in Winters-zeit in Keller &#x017F;e-<lb/>
tzen ko&#x0364;nne. Es wird erziehlet von &#x017F;einen<lb/>
Zweigen/ die wie Roßmarin gepflantzet<lb/>
werden/ auch von jungen Scho&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o die<lb/>
Wurtzeln außtreiben/ oder von Zer&#xA75B;ei&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
der Wurtzel fortgepflantzet. Zu &#x017F;einem<lb/>
Wachsthumb will es haben ein fettes Erd-<lb/>
reich/ einen &#x017F;onnichten Ort/ und fleißige Be-<lb/>
gie&#x017F;&#x017F;ung/ &#x017F;o wird es &#x017F;cho&#x0364;n und lu&#x017F;tig. Die<lb/>
frechen oder allzulang herfu&#x0364;r&#xA75B;eichende Ae&#x017F;t-<lb/>
lein kan man mit der Buchs&#x017F;cheer ab&#x017F;chnei-<lb/>
den/ und das Ba&#x0364;umlein eine Kugel-runde<lb/>
Form oder eine Ge&#x017F;talt/ nach des Garten-<lb/>
Her&#xA75B;en Gefallen/ anmachen/ wie nun die-<lb/>
&#x017F;elbe i&#x017F;t/ al&#x017F;o wird &#x017F;ie eine Zeit-lang bleiben/<lb/>
und nicht ge&#x017F;chwind verwach&#x017F;en.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">CAPUT</hi> XXXI.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Heydelbeer.</hi> <hi rendition="#aq">Myrtillus.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Namen.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">H</hi>Eydelbeer hei&#x017F;&#x017F;et Griechi&#x017F;ch/ <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="chars" quantity="5"/></foreign>-<lb/><foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="chars" quantity="6"/></foreign>. Lateini&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Myrtillus, Vitis<lb/>
Idæa.</hi> Jtalia&#x0364;ni&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Mirtillo.</hi> Fran-<lb/>
tzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Airelle.</hi> Da&#x0364;ni&#x017F;ch/ Boeller/ Boel-<lb/>
lerys/ Blaboer. Niderla&#x0364;ndi&#x017F;ch/ Crakebe-<lb/>
&#x017F;ien/ Hauerbe&#x017F;ien. Engli&#x017F;ch/ The Bil-<lb/>
berry-bu&#x017F;ch.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Ge&#x017F;chlecht und Ge&#x017F;talt.</hi> </head><lb/>
            <p>Es gibt der Heydelbeeren under&#x017F;chiedliche<lb/>
Art und Ge&#x017F;chlecht. Das Er&#x017F;te i&#x017F;t die gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e Heydelbeer-Stauden/ <hi rendition="#aq">Myrtillus grandis,<lb/>
&#x017F;ive Vitis Idæa magna quibusdam, <hi rendition="#i">J. B.</hi> Vitis<lb/>
Idæa foliis &#x017F;ubrotundis exalbidis, <hi rendition="#i">C. B.</hi></hi> Die-<lb/>
&#x017F;e i&#x017F;t wohl &#x017F;taudicht/ hat runde a&#x0364;&#x017F;tichte an-<lb/>
derthalb Elen lange Gerten oder Spro&#x0364;ßlein/<lb/>
von &#x017F;attem und hartlichtem Holtz. Hat et-<lb/>
was ablange/ runde/ glatte/ unzerkerffte<lb/>
Bla&#x0364;tter/ welche &#x017F;aurlichten zu&#x017F;ammenzie-<lb/>
henden Ge&#x017F;chmacks/ und den Winter durch<lb/><cb/>
<figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Heydelbeer.</hi><hi rendition="#aq">Myrtillus.</hi></hi></head><lb/></figure> abfallen. Jhre Beere &#x017F;ind &#x017F;o groß alß Wach-<lb/>
holderbeere/ hangen an langlichten Stieh-<lb/>
len/ haben ein lieblich &#x017F;aurlichten weinigen<lb/>
Ge&#x017F;chmack/ mit etlichen kleinen gelblichten<lb/>
Kernlein bey &#x017F;ich. Wach&#x017F;t in den Oe&#x017F;ter-<lb/>
reichi&#x017F;chen/ Steyrmarcki&#x017F;chen und Bur-<lb/>
gundi&#x017F;chen Alp-Gebu&#x0364;rgen.</p><lb/>
            <p>2. Das Andere Ge&#x017F;chlecht i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Vitis idæa<lb/>
fructu nigro, <hi rendition="#i">J. B.</hi> Vitis idæa foliis albicanti-<lb/>
bus oblongis, <hi rendition="#i">C. B.</hi></hi> De&#x017F;&#x017F;en Ae&#x017F;tlein bieg&#x017F;am<lb/>
u&#x0364;ber der Erden nidrig her&#x017F;treichen/ und un-<lb/>
der dem Mooß der&#x017F;elben bißweilen verbor-<lb/>
gen ligen/ hat etwas zerkerffte und haarich-<lb/>
re Bla&#x0364;ttlein; und tragt runde/ er&#x017F;tlich gru&#x0364;-<lb/>
ne/ hernach rothe/ endlich &#x017F;chwartze an lang-<lb/>
lichten Stiehlen hangende Beere/ welche<lb/>
offt in der Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Kir&#x017F;chen/ und ein &#x017F;aff-<lb/>
tiges wohlge&#x017F;chmacktes Flei&#x017F;ch haben/ in<lb/>
welchem keine Steinlein/ &#x017F;ondern nur klei-<lb/>
ne flache Samen &#x017F;tecken/ an der Zahl ins<lb/>
gemein fu&#x0364;nff.</p><lb/>
            <p>3. Das Dritte Ge&#x017F;chlecht i&#x017F;t der gemeine-<lb/>
re Heydelbeer-&#x017F;trauch/ <hi rendition="#aq">Vitis idæa foliis ob-<lb/>
longis crenatis, fructu nigricante, <hi rendition="#i">C. B.</hi> Vacci-<lb/>
nia nigra vulgaria, <hi rendition="#i">Park.</hi></hi> Er wird zu Zeiten<lb/>
Elen hoch: Seine Gertlein &#x017F;ind vierecket<lb/>
und gru&#x0364;n/ i&#x017F;t mit zarten Buxbaumen Bla&#x0364;t-<lb/>
lein gekleydet/ die &#x017F;ind an dem Umbkreiß ein<lb/>
wenig zerkerbt. Jn dem Ma&#x0364;yen bringet er<lb/>
runde braun-rothe Blu&#x0364;mlein wie Schellen/<lb/>
in deren Mitte ein rothes Za&#x0364;pflein &#x017F;tehet.<lb/>
Jn dem Brachmonat er&#x017F;cheinen die blaw-<lb/>
&#x017F;chwartze Beer/ in Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Ge&#x017F;talt der<lb/>
Weckholder-beeren. Die Wurtzel breitet<lb/>
&#x017F;ich auff dem Erdreich auß/ und bringet<lb/>
herfu&#x0364;r newe Sta&#x0364;udlein. Er wach&#x017F;t auff<lb/>
den Alpgebu&#x0364;rgen/ in den Eino&#x0364;den und fin-<lb/>
&#x017F;tern Tha&#x0364;leren in Teut&#x017F;chland/ Franck-<lb/>
reich und Engelland/ auff dem Schwartz-<lb/>
wald und den Schweitzeri&#x017F;chen Gebu&#x0364;rgen/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in&#x017F;onder-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0088] Das Erſte Buch/ werden. Die Farb der Blaͤttern iſt ſinngruͤn. Die Blumen ſind weiß/ inwendig mit bun- ten Faͤßlein umbſetzet/ nach welchen die Frucht/ nemlich langlichte Beer folgen/ dieſelben ſcheinen anfangs gruͤn/ darnach roth/ und wenn ſie zeitigen ſind ſie ſchwartz/ in welchen viel kleine Koͤrnlein ſich finden. Beedes Blaͤtter und Blumen geben einen lieblichen Geruch von ſich. An dem Stam̃ ereignet ſich ein ungleiches Knoſpen-Ge- waͤchs/ welches gleichſam alß eine Hand den Stamm umbgreiffet und zuſammen haltet. Das Myrten-baͤumlein hat vor andern Gewaͤchſen dieſe Eigenſchafft/ daß wenn es im April anfangt zu bluͤhen/ es die Blumen nicht gleich wegwirfft/ ſondern lang behalt/ und ob gleich etliche verwelcken/ ſo ſind doch ſchon wider andere vorhanden/ ſo das Baͤumlein zieren/ und waͤhren ſolche Blumen biß in den Herbſt/ ja gar in den Winter hinein/ zumahl wenn derſelbe mit warmem Wetter anfaͤhet. Die Blumen ſind ſchoͤn/ und den Maßlieben-oder Mar- garethen-Bluͤmlein gleich. An ſich ſelbſt iſt es ein weiches Gewaͤchs/ ſo die Winter- kaͤlte nicht vertragen kan/ darumb doͤrffen wir es nicht ins Feld ſetzen/ ſondern muß in Scherben und Kuͤbeln gepflantzet werden/ damit man es in Winters-zeit in Keller ſe- tzen koͤnne. Es wird erziehlet von ſeinen Zweigen/ die wie Roßmarin gepflantzet werden/ auch von jungen Schoſſen/ ſo die Wurtzeln außtreiben/ oder von Zerꝛeiſſung der Wurtzel fortgepflantzet. Zu ſeinem Wachsthumb will es haben ein fettes Erd- reich/ einen ſonnichten Ort/ und fleißige Be- gieſſung/ ſo wird es ſchoͤn und luſtig. Die frechen oder allzulang herfuͤrꝛeichende Aeſt- lein kan man mit der Buchsſcheer abſchnei- den/ und das Baͤumlein eine Kugel-runde Form oder eine Geſtalt/ nach des Garten- Herꝛen Gefallen/ anmachen/ wie nun die- ſelbe iſt/ alſo wird ſie eine Zeit-lang bleiben/ und nicht geſchwind verwachſen. CAPUT XXXI. Heydelbeer. Myrtillus. Namen. HEydelbeer heiſſet Griechiſch/ _____- ______. Lateiniſch/ Myrtillus, Vitis Idæa. Jtaliaͤniſch/ Mirtillo. Fran- tzoͤſiſch/ Airelle. Daͤniſch/ Boeller/ Boel- lerys/ Blaboer. Niderlaͤndiſch/ Crakebe- ſien/ Hauerbeſien. Engliſch/ The Bil- berry-buſch. Geſchlecht und Geſtalt. Es gibt der Heydelbeeren underſchiedliche Art und Geſchlecht. Das Erſte iſt die groſ- ſe Heydelbeer-Stauden/ Myrtillus grandis, ſive Vitis Idæa magna quibusdam, J. B. Vitis Idæa foliis ſubrotundis exalbidis, C. B. Die- ſe iſt wohl ſtaudicht/ hat runde aͤſtichte an- derthalb Elen lange Gerten oder Sproͤßlein/ von ſattem und hartlichtem Holtz. Hat et- was ablange/ runde/ glatte/ unzerkerffte Blaͤtter/ welche ſaurlichten zuſammenzie- henden Geſchmacks/ und den Winter durch [Abbildung Heydelbeer. Myrtillus. ] abfallen. Jhre Beere ſind ſo groß alß Wach- holderbeere/ hangen an langlichten Stieh- len/ haben ein lieblich ſaurlichten weinigen Geſchmack/ mit etlichen kleinen gelblichten Kernlein bey ſich. Wachſt in den Oeſter- reichiſchen/ Steyrmarckiſchen und Bur- gundiſchen Alp-Gebuͤrgen. 2. Das Andere Geſchlecht iſt Vitis idæa fructu nigro, J. B. Vitis idæa foliis albicanti- bus oblongis, C. B. Deſſen Aeſtlein biegſam uͤber der Erden nidrig herſtreichen/ und un- der dem Mooß derſelben bißweilen verbor- gen ligen/ hat etwas zerkerffte und haarich- re Blaͤttlein; und tragt runde/ erſtlich gruͤ- ne/ hernach rothe/ endlich ſchwartze an lang- lichten Stiehlen hangende Beere/ welche offt in der Groͤſſe der Kirſchen/ und ein ſaff- tiges wohlgeſchmacktes Fleiſch haben/ in welchem keine Steinlein/ ſondern nur klei- ne flache Samen ſtecken/ an der Zahl ins gemein fuͤnff. 3. Das Dritte Geſchlecht iſt der gemeine- re Heydelbeer-ſtrauch/ Vitis idæa foliis ob- longis crenatis, fructu nigricante, C. B. Vacci- nia nigra vulgaria, Park. Er wird zu Zeiten Elen hoch: Seine Gertlein ſind vierecket und gruͤn/ iſt mit zarten Buxbaumen Blaͤt- lein gekleydet/ die ſind an dem Umbkreiß ein wenig zerkerbt. Jn dem Maͤyen bringet er runde braun-rothe Bluͤmlein wie Schellen/ in deren Mitte ein rothes Zaͤpflein ſtehet. Jn dem Brachmonat erſcheinen die blaw- ſchwartze Beer/ in Groͤſſe und Geſtalt der Weckholder-beeren. Die Wurtzel breitet ſich auff dem Erdreich auß/ und bringet herfuͤr newe Staͤudlein. Er wachſt auff den Alpgebuͤrgen/ in den Einoͤden und fin- ſtern Thaͤleren in Teutſchland/ Franck- reich und Engelland/ auff dem Schwartz- wald und den Schweitzeriſchen Gebuͤrgen/ inſonder-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/88
Zitationshilfe: Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/88>, abgerufen am 25.04.2024.