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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Bären. -- Eisbär.

Der erlegte Aswail wird in seinem Vaterlande ungefähr in derselben Weise benutzt, wie die
im Norden lebenden Bären von den Europäern, Asiaten und Amerikanern. Das Fleisch ist sehr ge-
schätzt und wird auch von den Engländern für besonders wohlschmeckend erklärt. Noch höher aber
achtet man das Fett, nachdem man es in derselben Weise geklärt und gereinigt hat, wie ich es bei dem
Tiger beschrieb. Die Europäer benutzen es zum Einschmieren ihrer Waffen, die Jnder halten es für
ein untrügliches Mittel gegen gichtische Schmerzen aller Art.



Wenn nach der Ansicht einiger Naturforscher die ziemlich geringen Unterschiede in der Gestalt
und Lebensweise der letzterwähnten Bären schon hinreichend erscheinen, um sie eigenen Gruppen einzu-
reihen, ist es erklärlich, daß man gegenwärtig den Eisbären ebenfalls als Vertreter einer selbstständigen
Sippe betrachtet, welcher man den Namen Meerbär (Thalassarctos) gegeben hat. Die Ansichten
über Ordnungen, Familien und Sippen, ja selbst über Arten haben sich, wie ich schon wiederholt
zu bemerken hatte, in unserer Zeit wesentlich geändert; denn je weiter die Kenntniß der Thiere
fortschreitet, um so genauer wird man die einzelnen betrachten, beschreiben und in der Reihe einordnen
müssen. Der Eisbär nun ist wirklich ein so merkwürdiges Geschöpf und zeigt in jeder Hinsicht soviel
Eigenthümliches, daß er unter den sogenannten wahren Bären ganz vereinzelt dasteht und deshalb
auch eine selbstständige Stellung verdient. Die ersten Seefahrer, welche von ihm sprechen, glaubten
in ihm freilich blos eine Abart unsers Meister Petz zu entdecken, dessen Fell der kalte Norden mit
seiner ihm eigenthümlichen Schneefarbe begabt habe; dieser Jrrthum währte jedoch nicht lange, weil
man sehr bald die wesentlichen Unterschiede wahrnahm, welche zwischen dem gemeinen und dem Eis-
bären bestehen. Es ist auch gar nicht denkbar, daß ein Thier, welches ausschließlich im Meere oder an
dessen Küsten lebt, in derselben Weise beschaffen sein sollte, wie ein anderes, dessen Aufenthalt der feste
Boden bildet. Zugleich aber möchte man versucht werden, bei Betrachtung dieses Thieres Zweckmäßig
keitsprediger zu werden, weil es doch gar zu hübsch scheint, daß die Natur auch für die erstarrenden
Eiswüsten des hohen Nordens ein großes Raubthier geschaffen hat, welches, um in der Weise jener
geistlosen Bewunderer der Schöpfung zu reden, augenscheinlich dazu bestimmt ist, Robben und Fische,
Lemminge,
ja selbst dem zudringlichen Menschen, den der unwirthliche Pol nicht zurückschreckt, eine
heilsame Aufregung und Furcht beizubringen. Doch was geht uns hier die Erschaffung des Thieres
an! Unser Zweck ist, dasselbe und sein Leben kennen zu lernen.

Die Sippe der Eisbären unterscheidet sich von den bis jetzt genannten durch den gestreckten Leib
mit langem Halse und kurzen, starken und kräftigen Beinen, deren Füße weit länger und breiter sind,
als bei den anderen Bären, und deren Zehen starke Spannhäute fast bis zur Hälfte ihrer Länge mit
einander verbinden, vor Allem aber durch die ganz eigenthümliche Lebensweise, welcher eine entsprechende
Verschiedenheit des ganzen Baues nothwendig zu Grunde liegen muß. Die einzige Art der Sippe, der
Eis- oder Polarbär (Thalassarctos polaris) kennzeichnet sich schon hinsichtlich seiner Größe als
Meerthier. Er übertrifft hierin selbst den Grislibär noch um etwas: denn die durchschnittliche Länge
des Männchens beträgt acht englische Fuß und nicht selten noch einen halben Fuß mehr. Das Gewicht
aber steigt von neun auf elf, ja sogar auf sechszehn Centner an. Roß wog ein Männchen, welches
sieben Fuß acht Zoll lang und vier Fuß hoch war und, nachdem es gegen dreißig Pfund Blut ver-
loren hatte, noch immer ein Gewicht von 11311/2 Pfund zeigte. Lyon, der Begleiter von Parry,
berichtet von einem 8 Fuß 71/2 Zoll langen Eisbären, welcher 16 volle Centner wog. Man muß be-
denken, daß ein so großer Eisbär genau soviel wiegt, wie ein zehn Fuß langer und sieben Fuß hoher
Auerochs, und wird sich dann erst einen Begriff von seiner Größe und Schwere machen können.

Der Leib des Eisbären ist weit plumper, aber dennoch gestreckter, als der des gemeinen Bären.
Der Hals ist bedeutend dünner und länger, der Kopf ist länglich, niedergedrückt und verhältnißmäßig
schmal, das Hinterhaupt sehr verlängert, die Stirn platt, die hinten dicke Schnauze vorn spitz; die

Die Raubthiere. Bären. — Eisbär.

Der erlegte Aswail wird in ſeinem Vaterlande ungefähr in derſelben Weiſe benutzt, wie die
im Norden lebenden Bären von den Europäern, Aſiaten und Amerikanern. Das Fleiſch iſt ſehr ge-
ſchätzt und wird auch von den Engländern für beſonders wohlſchmeckend erklärt. Noch höher aber
achtet man das Fett, nachdem man es in derſelben Weiſe geklärt und gereinigt hat, wie ich es bei dem
Tiger beſchrieb. Die Europäer benutzen es zum Einſchmieren ihrer Waffen, die Jnder halten es für
ein untrügliches Mittel gegen gichtiſche Schmerzen aller Art.



Wenn nach der Anſicht einiger Naturforſcher die ziemlich geringen Unterſchiede in der Geſtalt
und Lebensweiſe der letzterwähnten Bären ſchon hinreichend erſcheinen, um ſie eigenen Gruppen einzu-
reihen, iſt es erklärlich, daß man gegenwärtig den Eisbären ebenfalls als Vertreter einer ſelbſtſtändigen
Sippe betrachtet, welcher man den Namen Meerbär (Thalassarctos) gegeben hat. Die Anſichten
über Ordnungen, Familien und Sippen, ja ſelbſt über Arten haben ſich, wie ich ſchon wiederholt
zu bemerken hatte, in unſerer Zeit weſentlich geändert; denn je weiter die Kenntniß der Thiere
fortſchreitet, um ſo genauer wird man die einzelnen betrachten, beſchreiben und in der Reihe einordnen
müſſen. Der Eisbär nun iſt wirklich ein ſo merkwürdiges Geſchöpf und zeigt in jeder Hinſicht ſoviel
Eigenthümliches, daß er unter den ſogenannten wahren Bären ganz vereinzelt daſteht und deshalb
auch eine ſelbſtſtändige Stellung verdient. Die erſten Seefahrer, welche von ihm ſprechen, glaubten
in ihm freilich blos eine Abart unſers Meiſter Petz zu entdecken, deſſen Fell der kalte Norden mit
ſeiner ihm eigenthümlichen Schneefarbe begabt habe; dieſer Jrrthum währte jedoch nicht lange, weil
man ſehr bald die weſentlichen Unterſchiede wahrnahm, welche zwiſchen dem gemeinen und dem Eis-
bären beſtehen. Es iſt auch gar nicht denkbar, daß ein Thier, welches ausſchließlich im Meere oder an
deſſen Küſten lebt, in derſelben Weiſe beſchaffen ſein ſollte, wie ein anderes, deſſen Aufenthalt der feſte
Boden bildet. Zugleich aber möchte man verſucht werden, bei Betrachtung dieſes Thieres Zweckmäßig
keitsprediger zu werden, weil es doch gar zu hübſch ſcheint, daß die Natur auch für die erſtarrenden
Eiswüſten des hohen Nordens ein großes Raubthier geſchaffen hat, welches, um in der Weiſe jener
geiſtloſen Bewunderer der Schöpfung zu reden, augenſcheinlich dazu beſtimmt iſt, Robben und Fiſche,
Lemminge,
ja ſelbſt dem zudringlichen Menſchen, den der unwirthliche Pol nicht zurückſchreckt, eine
heilſame Aufregung und Furcht beizubringen. Doch was geht uns hier die Erſchaffung des Thieres
an! Unſer Zweck iſt, daſſelbe und ſein Leben kennen zu lernen.

Die Sippe der Eisbären unterſcheidet ſich von den bis jetzt genannten durch den geſtreckten Leib
mit langem Halſe und kurzen, ſtarken und kräftigen Beinen, deren Füße weit länger und breiter ſind,
als bei den anderen Bären, und deren Zehen ſtarke Spannhäute faſt bis zur Hälfte ihrer Länge mit
einander verbinden, vor Allem aber durch die ganz eigenthümliche Lebensweiſe, welcher eine entſprechende
Verſchiedenheit des ganzen Baues nothwendig zu Grunde liegen muß. Die einzige Art der Sippe, der
Eis- oder Polarbär (Thalassarctos polaris) kennzeichnet ſich ſchon hinſichtlich ſeiner Größe als
Meerthier. Er übertrifft hierin ſelbſt den Grislibär noch um etwas: denn die durchſchnittliche Länge
des Männchens beträgt acht engliſche Fuß und nicht ſelten noch einen halben Fuß mehr. Das Gewicht
aber ſteigt von neun auf elf, ja ſogar auf ſechszehn Centner an. Roß wog ein Männchen, welches
ſieben Fuß acht Zoll lang und vier Fuß hoch war und, nachdem es gegen dreißig Pfund Blut ver-
loren hatte, noch immer ein Gewicht von 1131½ Pfund zeigte. Lyon, der Begleiter von Parry,
berichtet von einem 8 Fuß 7½ Zoll langen Eisbären, welcher 16 volle Centner wog. Man muß be-
denken, daß ein ſo großer Eisbär genau ſoviel wiegt, wie ein zehn Fuß langer und ſieben Fuß hoher
Auerochs, und wird ſich dann erſt einen Begriff von ſeiner Größe und Schwere machen können.

Der Leib des Eisbären iſt weit plumper, aber dennoch geſtreckter, als der des gemeinen Bären.
Der Hals iſt bedeutend dünner und länger, der Kopf iſt länglich, niedergedrückt und verhältnißmäßig
ſchmal, das Hinterhaupt ſehr verlängert, die Stirn platt, die hinten dicke Schnauze vorn ſpitz; die

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[614/0692] Die Raubthiere. Bären. — Eisbär. Der erlegte Aswail wird in ſeinem Vaterlande ungefähr in derſelben Weiſe benutzt, wie die im Norden lebenden Bären von den Europäern, Aſiaten und Amerikanern. Das Fleiſch iſt ſehr ge- ſchätzt und wird auch von den Engländern für beſonders wohlſchmeckend erklärt. Noch höher aber achtet man das Fett, nachdem man es in derſelben Weiſe geklärt und gereinigt hat, wie ich es bei dem Tiger beſchrieb. Die Europäer benutzen es zum Einſchmieren ihrer Waffen, die Jnder halten es für ein untrügliches Mittel gegen gichtiſche Schmerzen aller Art. Wenn nach der Anſicht einiger Naturforſcher die ziemlich geringen Unterſchiede in der Geſtalt und Lebensweiſe der letzterwähnten Bären ſchon hinreichend erſcheinen, um ſie eigenen Gruppen einzu- reihen, iſt es erklärlich, daß man gegenwärtig den Eisbären ebenfalls als Vertreter einer ſelbſtſtändigen Sippe betrachtet, welcher man den Namen Meerbär (Thalassarctos) gegeben hat. Die Anſichten über Ordnungen, Familien und Sippen, ja ſelbſt über Arten haben ſich, wie ich ſchon wiederholt zu bemerken hatte, in unſerer Zeit weſentlich geändert; denn je weiter die Kenntniß der Thiere fortſchreitet, um ſo genauer wird man die einzelnen betrachten, beſchreiben und in der Reihe einordnen müſſen. Der Eisbär nun iſt wirklich ein ſo merkwürdiges Geſchöpf und zeigt in jeder Hinſicht ſoviel Eigenthümliches, daß er unter den ſogenannten wahren Bären ganz vereinzelt daſteht und deshalb auch eine ſelbſtſtändige Stellung verdient. Die erſten Seefahrer, welche von ihm ſprechen, glaubten in ihm freilich blos eine Abart unſers Meiſter Petz zu entdecken, deſſen Fell der kalte Norden mit ſeiner ihm eigenthümlichen Schneefarbe begabt habe; dieſer Jrrthum währte jedoch nicht lange, weil man ſehr bald die weſentlichen Unterſchiede wahrnahm, welche zwiſchen dem gemeinen und dem Eis- bären beſtehen. Es iſt auch gar nicht denkbar, daß ein Thier, welches ausſchließlich im Meere oder an deſſen Küſten lebt, in derſelben Weiſe beſchaffen ſein ſollte, wie ein anderes, deſſen Aufenthalt der feſte Boden bildet. Zugleich aber möchte man verſucht werden, bei Betrachtung dieſes Thieres Zweckmäßig keitsprediger zu werden, weil es doch gar zu hübſch ſcheint, daß die Natur auch für die erſtarrenden Eiswüſten des hohen Nordens ein großes Raubthier geſchaffen hat, welches, um in der Weiſe jener geiſtloſen Bewunderer der Schöpfung zu reden, augenſcheinlich dazu beſtimmt iſt, Robben und Fiſche, Lemminge, ja ſelbſt dem zudringlichen Menſchen, den der unwirthliche Pol nicht zurückſchreckt, eine heilſame Aufregung und Furcht beizubringen. Doch was geht uns hier die Erſchaffung des Thieres an! Unſer Zweck iſt, daſſelbe und ſein Leben kennen zu lernen. Die Sippe der Eisbären unterſcheidet ſich von den bis jetzt genannten durch den geſtreckten Leib mit langem Halſe und kurzen, ſtarken und kräftigen Beinen, deren Füße weit länger und breiter ſind, als bei den anderen Bären, und deren Zehen ſtarke Spannhäute faſt bis zur Hälfte ihrer Länge mit einander verbinden, vor Allem aber durch die ganz eigenthümliche Lebensweiſe, welcher eine entſprechende Verſchiedenheit des ganzen Baues nothwendig zu Grunde liegen muß. Die einzige Art der Sippe, der Eis- oder Polarbär (Thalassarctos polaris) kennzeichnet ſich ſchon hinſichtlich ſeiner Größe als Meerthier. Er übertrifft hierin ſelbſt den Grislibär noch um etwas: denn die durchſchnittliche Länge des Männchens beträgt acht engliſche Fuß und nicht ſelten noch einen halben Fuß mehr. Das Gewicht aber ſteigt von neun auf elf, ja ſogar auf ſechszehn Centner an. Roß wog ein Männchen, welches ſieben Fuß acht Zoll lang und vier Fuß hoch war und, nachdem es gegen dreißig Pfund Blut ver- loren hatte, noch immer ein Gewicht von 1131½ Pfund zeigte. Lyon, der Begleiter von Parry, berichtet von einem 8 Fuß 7½ Zoll langen Eisbären, welcher 16 volle Centner wog. Man muß be- denken, daß ein ſo großer Eisbär genau ſoviel wiegt, wie ein zehn Fuß langer und ſieben Fuß hoher Auerochs, und wird ſich dann erſt einen Begriff von ſeiner Größe und Schwere machen können. Der Leib des Eisbären iſt weit plumper, aber dennoch geſtreckter, als der des gemeinen Bären. Der Hals iſt bedeutend dünner und länger, der Kopf iſt länglich, niedergedrückt und verhältnißmäßig ſchmal, das Hinterhaupt ſehr verlängert, die Stirn platt, die hinten dicke Schnauze vorn ſpitz; die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/692>, abgerufen am 24.04.2024.