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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 72. Der Hausmeier.
§ 72. Der Hausmeier.

Pertz, Geschichte der merowingischen Hausmeier 1819. Zinkeisen, Comm. de
Francorum maiore domus 1826. Schoene, Die Amtsgewalt der fränkischen ma-
iores domus 1856. Bonnell, De dignitate maioris domus Francorum a Romano
sacri cubiculi praeposito ducenda 1858. E. Hermann, Das Hausmeieramt ein
echt germanisches Amt 1880 in Gierke's Untersuchungen IX. Waitz, VG II 2,
S. 83 ff. v. Daniels, Handbuch I 487. Fustel de Coulanges, Monarchie
franque, S. 166 ff. W. Sickel in den Gött. gel. Anzeigen 1890, 15. März, S. 232.
Viollet, Histoire S. 232 f. Schröder, RG S. 137. Dahn, Urgeschichte IV 67 f.

Maior, maior domus hiess ursprünglich der Oberste des unfreien
Hausgesindes, der Seneschalk oder Altknecht. In diesem Sinne kennt
ihn noch ein Text der Lex Salica, der ihm eine maiorissa in dem
Kreise des weiblichen Gesindes zur Seite stellt 1. Am Hofe des Königs,
wo die Hausämter von freien und häufig von vornehmen Leuten des
Gefolges versehen wurden, war der maior domus der oberste Haus-
beamte, der die Aufsicht über das ganze Hauswesen und über den
Hofstaat des Königs führte. Er heisst wohl auch princeps, rector,
praefectus palatii. Maiores domus regiae finden sich nicht nur bei den
Franken, sondern auch bei den Ostgoten 2, Burgundern 3, Vandalen 4,
Langobarden 5 und Angelsachsen 6. Wenn gleichzeitig eine Mehrzahl
von königlichen maiores domus genannt wird 7, so ist dies wohl so zu
erklären, dass die Inhaber verschiedener Hausämter im Range amt-
lich gleichgestellt waren, wie vermutlich bei den Burgundern und

1 Lex Salica, Herold 11, 6. 7, Hessels col. 61.
2 Mommsen, Ostgoth. Studien, NA XIV 514 f., der in den ostgotischen
maiores domus nur eine Kategorie von höheren Hofleuten sieht.
3 Lex Burg. prima const. c. 4; 107, 13.
4 Gennadius, Catalogus ill. virorum c. 97, Hermann a. O. S. 78.
5 Troya, Cod. dipl. Nr. 352. 400. 408. 791. 897, III 12. 159. 228, V 195. 481.
Hegel, Geschichte der Städteverfassung I 465. Schupfer, Istituzioni polit.
Langob. S. 255. Identisch ist mit dem maior domus bei den Langobarden der dem
truhtsazo entsprechende stolesaz, Rothari c. 150, Troya Nr. 641. 669. 708. 780, IV
371. 444. 632, V 171. Über ahd. stuolsazo Graff, Sprachschatz VI 305.
6 Schmid, Ges. der Ags. S. 665. Princeps domus bei Beda übersetzt Alfred
mit oferaelderman, was etwa auf Oberseneschall hinausläuft.
7 Waitz, VG II 2, S. 87, meint, dass es vielleicht in jeder Pfalz einen
eigenen Meier gab. Andere glauben, das Wort bezeichne höhere Hofbeamte über-
haupt oder angesehene Diener. Näher läge es zu vermuten, dass dasselbe Amt,
das des Seneschalls, mehrfach besetzt war. Doch fällt auf, dass neben der Mehr-
zahl von maiores domus die übrigen germanischen Hausämter nicht genannt werden.
§ 72. Der Hausmeier.
§ 72. Der Hausmeier.

Pertz, Geschichte der merowingischen Hausmeier 1819. Zinkeisen, Comm. de
Francorum maiore domus 1826. Schoene, Die Amtsgewalt der fränkischen ma-
iores domus 1856. Bonnell, De dignitate maioris domus Francorum a Romano
sacri cubiculi praeposito ducenda 1858. E. Hermann, Das Hausmeieramt ein
echt germanisches Amt 1880 in Gierke’s Untersuchungen IX. Waitz, VG II 2,
S. 83 ff. v. Daniels, Handbuch I 487. Fustel de Coulanges, Monarchie
franque, S. 166 ff. W. Sickel in den Gött. gel. Anzeigen 1890, 15. März, S. 232.
Viollet, Histoire S. 232 f. Schröder, RG S. 137. Dahn, Urgeschichte IV 67 f.

Maior, maior domus hieſs ursprünglich der Oberste des unfreien
Hausgesindes, der Seneschalk oder Altknecht. In diesem Sinne kennt
ihn noch ein Text der Lex Salica, der ihm eine maiorissa in dem
Kreise des weiblichen Gesindes zur Seite stellt 1. Am Hofe des Königs,
wo die Hausämter von freien und häufig von vornehmen Leuten des
Gefolges versehen wurden, war der maior domus der oberste Haus-
beamte, der die Aufsicht über das ganze Hauswesen und über den
Hofstaat des Königs führte. Er heiſst wohl auch princeps, rector,
praefectus palatii. Maiores domus regiae finden sich nicht nur bei den
Franken, sondern auch bei den Ostgoten 2, Burgundern 3, Vandalen 4,
Langobarden 5 und Angelsachsen 6. Wenn gleichzeitig eine Mehrzahl
von königlichen maiores domus genannt wird 7, so ist dies wohl so zu
erklären, daſs die Inhaber verschiedener Hausämter im Range amt-
lich gleichgestellt waren, wie vermutlich bei den Burgundern und

1 Lex Salica, Herold 11, 6. 7, Hessels col. 61.
2 Mommsen, Ostgoth. Studien, NA XIV 514 f., der in den ostgotischen
maiores domus nur eine Kategorie von höheren Hofleuten sieht.
3 Lex Burg. prima const. c. 4; 107, 13.
4 Gennadius, Catalogus ill. virorum c. 97, Hermann a. O. S. 78.
5 Troya, Cod. dipl. Nr. 352. 400. 408. 791. 897, III 12. 159. 228, V 195. 481.
Hegel, Geschichte der Städteverfassung I 465. Schupfer, Istituzioni polit.
Langob. S. 255. Identisch ist mit dem maior domus bei den Langobarden der dem
truhtsâzo entsprechende stolesaz, Rothari c. 150, Troya Nr. 641. 669. 708. 780, IV
371. 444. 632, V 171. Über ahd. stuolsâzo Graff, Sprachschatz VI 305.
6 Schmid, Ges. der Ags. S. 665. Princeps domus bei Beda übersetzt Alfred
mit oferælderman, was etwa auf Oberseneschall hinausläuft.
7 Waitz, VG II 2, S. 87, meint, daſs es vielleicht in jeder Pfalz einen
eigenen Meier gab. Andere glauben, das Wort bezeichne höhere Hofbeamte über-
haupt oder angesehene Diener. Näher läge es zu vermuten, daſs dasselbe Amt,
das des Seneschalls, mehrfach besetzt war. Doch fällt auf, daſs neben der Mehr-
zahl von maiores domus die übrigen germanischen Hausämter nicht genannt werden.
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[104/0122] § 72. Der Hausmeier. § 72. Der Hausmeier. Pertz, Geschichte der merowingischen Hausmeier 1819. Zinkeisen, Comm. de Francorum maiore domus 1826. Schoene, Die Amtsgewalt der fränkischen ma- iores domus 1856. Bonnell, De dignitate maioris domus Francorum a Romano sacri cubiculi praeposito ducenda 1858. E. Hermann, Das Hausmeieramt ein echt germanisches Amt 1880 in Gierke’s Untersuchungen IX. Waitz, VG II 2, S. 83 ff. v. Daniels, Handbuch I 487. Fustel de Coulanges, Monarchie franque, S. 166 ff. W. Sickel in den Gött. gel. Anzeigen 1890, 15. März, S. 232. Viollet, Histoire S. 232 f. Schröder, RG S. 137. Dahn, Urgeschichte IV 67 f. Maior, maior domus hieſs ursprünglich der Oberste des unfreien Hausgesindes, der Seneschalk oder Altknecht. In diesem Sinne kennt ihn noch ein Text der Lex Salica, der ihm eine maiorissa in dem Kreise des weiblichen Gesindes zur Seite stellt 1. Am Hofe des Königs, wo die Hausämter von freien und häufig von vornehmen Leuten des Gefolges versehen wurden, war der maior domus der oberste Haus- beamte, der die Aufsicht über das ganze Hauswesen und über den Hofstaat des Königs führte. Er heiſst wohl auch princeps, rector, praefectus palatii. Maiores domus regiae finden sich nicht nur bei den Franken, sondern auch bei den Ostgoten 2, Burgundern 3, Vandalen 4, Langobarden 5 und Angelsachsen 6. Wenn gleichzeitig eine Mehrzahl von königlichen maiores domus genannt wird 7, so ist dies wohl so zu erklären, daſs die Inhaber verschiedener Hausämter im Range amt- lich gleichgestellt waren, wie vermutlich bei den Burgundern und 1 Lex Salica, Herold 11, 6. 7, Hessels col. 61. 2 Mommsen, Ostgoth. Studien, NA XIV 514 f., der in den ostgotischen maiores domus nur eine Kategorie von höheren Hofleuten sieht. 3 Lex Burg. prima const. c. 4; 107, 13. 4 Gennadius, Catalogus ill. virorum c. 97, Hermann a. O. S. 78. 5 Troya, Cod. dipl. Nr. 352. 400. 408. 791. 897, III 12. 159. 228, V 195. 481. Hegel, Geschichte der Städteverfassung I 465. Schupfer, Istituzioni polit. Langob. S. 255. Identisch ist mit dem maior domus bei den Langobarden der dem truhtsâzo entsprechende stolesaz, Rothari c. 150, Troya Nr. 641. 669. 708. 780, IV 371. 444. 632, V 171. Über ahd. stuolsâzo Graff, Sprachschatz VI 305. 6 Schmid, Ges. der Ags. S. 665. Princeps domus bei Beda übersetzt Alfred mit oferælderman, was etwa auf Oberseneschall hinausläuft. 7 Waitz, VG II 2, S. 87, meint, daſs es vielleicht in jeder Pfalz einen eigenen Meier gab. Andere glauben, das Wort bezeichne höhere Hofbeamte über- haupt oder angesehene Diener. Näher läge es zu vermuten, daſs dasselbe Amt, das des Seneschalls, mehrfach besetzt war. Doch fällt auf, daſs neben der Mehr- zahl von maiores domus die übrigen germanischen Hausämter nicht genannt werden.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/122>, abgerufen am 29.03.2024.