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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 73. Die Pfalzgrafen.
Hatte früher der König den Hausmeier ernannt, so setzt jetzt der
Hausmeier den König ein. In einer Urkunde von 744 nennt Childe-
rich III. seinen Hausmeier Karlmann rector palatio nostro, qui nobis
in solium regni instituit 26. Karl Martell und seine Söhne regierten
eine Zeitlang ohne jeden König. Sie übten die Verordnungsgewalt 27,
sprachen von Bischöfen und Grossen als von ihren fideles; Pippin
und Karlmann stellten ihre Diplome in der Form der Königsurkun-
den aus 28.

Mit der Erhebung Pippins zum König der Franken erlosch die
Würde des Hausmeiers und kehrten die königlichen Rechte, die sie
aufgesogen hatte, wieder an das Königtum zurück.

§ 73. Die Pfalzgrafen.

Alfred Pernice, De comitibus palatii commentatio 1863. Th. Sickel, Acta
regum et imperatorum Karolinorum I 360 ff. 1867. H. Brunner, Das Gerichts-
zeugniss und die fränkische Königsurkunde in den Festgaben für Heffter 1873,
S. 166 ff. Barchewitz, Das Königsgericht zur Zeit der Merowinger und Karo-
linger 1882, S. 37 ff. Waitz, VG II 2, S. 76 ff., 191; III 510; IV 485 ff. Ficker,
Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens I 312 ff.

Die Pfalzgrafen, comites palatii 1, waren Hofbeamte, welche den
König in seiner richterlichen Thätigkeit unterstützten oder vertraten.
Wurden sie auch, wie die übrigen Hofbeamten, zu den verschieden-
artigsten Geschäften verwendet, so beruhten doch ihre kennzeichnen-
den Funktionen in der Wirksamkeit, die sie im Königsgerichte und
im Anschluss an die Rechtspflege des Königsgerichtes ausübten.

Unter den Merowingern erscheint der Pfalzgraf als notwendiger

26 Pertz, Dipl. M. Nr. 97.
27 Siehe oben I 377.
28 Sie urkunden ohne Zeugen. Zuerst Pippin i. J. 743, Mühlbacher
Nr. 52, wogegen Karl Martell 741, Mühlbacher Nr. 43, noch mit Zeugen ur-
kundet. H. Brunner, Das Gerichtszeugniss und die fränkische Königsurkunde, in
den Festgaben für Heffter S. 157. In der königlosen Zeit datiert Karl Martell
nach anni post defunctum Theudericum regem, Pippin nach anni principatus.
Pippin wendet den bis dahin der Königsurkunde vorbehaltenen pluralis maiestatis
an, den Karl Martell noch nicht gebrauchte. Mühlbacher, Nr. 51 g, S. 26.
1 Auch comites palatini vielleicht schon in merowingischer Zeit (Pernice S. 4,
Anm. 9; dagegen Waitz II 2, S. 76, Anm. 2), sicher in karolingischer. Cap. de
disciplina palatii, c. 6, I 298. Fr. comes palatinus in der Freisinger Urk. Hundt,
Abh. der bayr. Ak. XIII 1, p. 18, Nr. 46, v. J. 870. Form. Turon. App. 4, Zeu-
mer S. 165: seu ante comitibus palatiis, wohl statt palatinis. Mitunter bezeichnet
comites palatini Hofgrafen, d. h. solche comites, die ohne festes Amt am Hofe des
Königs leben. Waitz, VG III 511 und oben S. 97, Anm. 10.

§ 73. Die Pfalzgrafen.
Hatte früher der König den Hausmeier ernannt, so setzt jetzt der
Hausmeier den König ein. In einer Urkunde von 744 nennt Childe-
rich III. seinen Hausmeier Karlmann rector palatio nostro, qui nobis
in solium regni instituit 26. Karl Martell und seine Söhne regierten
eine Zeitlang ohne jeden König. Sie übten die Verordnungsgewalt 27,
sprachen von Bischöfen und Groſsen als von ihren fideles; Pippin
und Karlmann stellten ihre Diplome in der Form der Königsurkun-
den aus 28.

Mit der Erhebung Pippins zum König der Franken erlosch die
Würde des Hausmeiers und kehrten die königlichen Rechte, die sie
aufgesogen hatte, wieder an das Königtum zurück.

§ 73. Die Pfalzgrafen.

Alfred Pernice, De comitibus palatii commentatio 1863. Th. Sickel, Acta
regum et imperatorum Karolinorum I 360 ff. 1867. H. Brunner, Das Gerichts-
zeugniss und die fränkische Königsurkunde in den Festgaben für Heffter 1873,
S. 166 ff. Barchewitz, Das Königsgericht zur Zeit der Merowinger und Karo-
linger 1882, S. 37 ff. Waitz, VG II 2, S. 76 ff., 191; III 510; IV 485 ff. Ficker,
Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens I 312 ff.

Die Pfalzgrafen, comites palatii 1, waren Hofbeamte, welche den
König in seiner richterlichen Thätigkeit unterstützten oder vertraten.
Wurden sie auch, wie die übrigen Hofbeamten, zu den verschieden-
artigsten Geschäften verwendet, so beruhten doch ihre kennzeichnen-
den Funktionen in der Wirksamkeit, die sie im Königsgerichte und
im Anschluſs an die Rechtspflege des Königsgerichtes ausübten.

Unter den Merowingern erscheint der Pfalzgraf als notwendiger

26 Pertz, Dipl. M. Nr. 97.
27 Siehe oben I 377.
28 Sie urkunden ohne Zeugen. Zuerst Pippin i. J. 743, Mühlbacher
Nr. 52, wogegen Karl Martell 741, Mühlbacher Nr. 43, noch mit Zeugen ur-
kundet. H. Brunner, Das Gerichtszeugniss und die fränkische Königsurkunde, in
den Festgaben für Heffter S. 157. In der königlosen Zeit datiert Karl Martell
nach anni post defunctum Theudericum regem, Pippin nach anni principatus.
Pippin wendet den bis dahin der Königsurkunde vorbehaltenen pluralis maiestatis
an, den Karl Martell noch nicht gebrauchte. Mühlbacher, Nr. 51 g, S. 26.
1 Auch comites palatini vielleicht schon in merowingischer Zeit (Pernice S. 4,
Anm. 9; dagegen Waitz II 2, S. 76, Anm. 2), sicher in karolingischer. Cap. de
disciplina palatii, c. 6, I 298. Fr. comes palatinus in der Freisinger Urk. Hundt,
Abh. der bayr. Ak. XIII 1, p. 18, Nr. 46, v. J. 870. Form. Turon. App. 4, Zeu-
mer S. 165: seu ante comitibus palatiis, wohl statt palatinis. Mitunter bezeichnet
comites palatini Hofgrafen, d. h. solche comites, die ohne festes Amt am Hofe des
Königs leben. Waitz, VG III 511 und oben S. 97, Anm. 10.
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[108/0126] § 73. Die Pfalzgrafen. Hatte früher der König den Hausmeier ernannt, so setzt jetzt der Hausmeier den König ein. In einer Urkunde von 744 nennt Childe- rich III. seinen Hausmeier Karlmann rector palatio nostro, qui nobis in solium regni instituit 26. Karl Martell und seine Söhne regierten eine Zeitlang ohne jeden König. Sie übten die Verordnungsgewalt 27, sprachen von Bischöfen und Groſsen als von ihren fideles; Pippin und Karlmann stellten ihre Diplome in der Form der Königsurkun- den aus 28. Mit der Erhebung Pippins zum König der Franken erlosch die Würde des Hausmeiers und kehrten die königlichen Rechte, die sie aufgesogen hatte, wieder an das Königtum zurück. § 73. Die Pfalzgrafen. Alfred Pernice, De comitibus palatii commentatio 1863. Th. Sickel, Acta regum et imperatorum Karolinorum I 360 ff. 1867. H. Brunner, Das Gerichts- zeugniss und die fränkische Königsurkunde in den Festgaben für Heffter 1873, S. 166 ff. Barchewitz, Das Königsgericht zur Zeit der Merowinger und Karo- linger 1882, S. 37 ff. Waitz, VG II 2, S. 76 ff., 191; III 510; IV 485 ff. Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens I 312 ff. Die Pfalzgrafen, comites palatii 1, waren Hofbeamte, welche den König in seiner richterlichen Thätigkeit unterstützten oder vertraten. Wurden sie auch, wie die übrigen Hofbeamten, zu den verschieden- artigsten Geschäften verwendet, so beruhten doch ihre kennzeichnen- den Funktionen in der Wirksamkeit, die sie im Königsgerichte und im Anschluſs an die Rechtspflege des Königsgerichtes ausübten. Unter den Merowingern erscheint der Pfalzgraf als notwendiger 26 Pertz, Dipl. M. Nr. 97. 27 Siehe oben I 377. 28 Sie urkunden ohne Zeugen. Zuerst Pippin i. J. 743, Mühlbacher Nr. 52, wogegen Karl Martell 741, Mühlbacher Nr. 43, noch mit Zeugen ur- kundet. H. Brunner, Das Gerichtszeugniss und die fränkische Königsurkunde, in den Festgaben für Heffter S. 157. In der königlosen Zeit datiert Karl Martell nach anni post defunctum Theudericum regem, Pippin nach anni principatus. Pippin wendet den bis dahin der Königsurkunde vorbehaltenen pluralis maiestatis an, den Karl Martell noch nicht gebrauchte. Mühlbacher, Nr. 51 g, S. 26. 1 Auch comites palatini vielleicht schon in merowingischer Zeit (Pernice S. 4, Anm. 9; dagegen Waitz II 2, S. 76, Anm. 2), sicher in karolingischer. Cap. de disciplina palatii, c. 6, I 298. Fr. comes palatinus in der Freisinger Urk. Hundt, Abh. der bayr. Ak. XIII 1, p. 18, Nr. 46, v. J. 870. Form. Turon. App. 4, Zeu- mer S. 165: seu ante comitibus palatiis, wohl statt palatinis. Mitunter bezeichnet comites palatini Hofgrafen, d. h. solche comites, die ohne festes Amt am Hofe des Königs leben. Waitz, VG III 511 und oben S. 97, Anm. 10.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/126>, abgerufen am 25.04.2024.