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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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Dritter Teil.
Das Strafrecht der fränkischen Zeit.
I. Die Missethat.
§ 124. Begriff und Arten der Missethat.

Siehe die Litteratur zu § 21. 22 oben I 156. 166, insbes. Wilda, Strafrecht der
Germanen. Dazu Grimm, RA S. 623 ff. Gengler, Grundriss S. 359. Waitz,
VG I 418, IV 505 ff. Schröder, RG S. 71 ff. 330 ff. v. Amira, Recht S. 173 ff.
Osenbrüggen, Das alamann. Strafrecht 1860. Pertile, Storia del diritto ital.
V (diritto penale), 1876. K. Maurer, Kr. Ü. III 33 ff. Dahn, Westgot. Studien
S. 141 ff. -- Dubois, Histoire du droit criminel des peuples europeens 2. ed.
1865. Glasson, Histoire du droit III 523 ff.

Die lateinisch geschriebenen Quellen der fränkischen Zeit nennen
die Missethat scelus, crimen, culpa, malum factum ohne Rücksicht
auf das Vorhandensein oder auf den Stärkegrad des verbrecherischen
Willens. Die Volkssprache bezeichnet das Verbrechen als missitat,
fratat oder ubiltat 1. Ubil 2 bedeutete schlecht, böse, ubili Schlechtig-
keit, woraus sich erklären dürfte, dass in den fränkischen Quellen der
Verbrecher so oft als malus, malus homo, malefactor, das Verbrechen
als malum factum erscheint 3. Für niederträchtige Verbrechen, solche,
die aus gemeiner Gesinnung zu entspringen pflegen, unehrliche Thaten

1 Nordisch gaerning, misgerning, gaerth, misgerd. v. Amira, Recht S. 171.
2 Die Ableitung des Wortes ist zweifelhaft. Nach Kluge, WB s. h. v. aus
upelo, das über die Schranken hinausgehende. Eine ganz andere Erklärung ver-
sucht Kögel, Z2 f. RG XI 224.
3 Z. B. Ed. Chilperici c. 8. 10. 11. Pactus pro tenore pacis Childeb. et
Chloth. c. 1. Childeberti II decretio, c. 7.
Dritter Teil.
Das Strafrecht der fränkischen Zeit.
I. Die Missethat.
§ 124. Begriff und Arten der Missethat.

Siehe die Litteratur zu § 21. 22 oben I 156. 166, insbes. Wilda, Strafrecht der
Germanen. Dazu Grimm, RA S. 623 ff. Gengler, Grundriſs S. 359. Waitz,
VG I 418, IV 505 ff. Schröder, RG S. 71 ff. 330 ff. v. Amira, Recht S. 173 ff.
Osenbrüggen, Das alamann. Strafrecht 1860. Pertile, Storia del diritto ital.
V (diritto penale), 1876. K. Maurer, Kr. Ü. III 33 ff. Dahn, Westgot. Studien
S. 141 ff. — Dubois, Histoire du droit criminel des peuples européens 2. éd.
1865. Glasson, Histoire du droit III 523 ff.

Die lateinisch geschriebenen Quellen der fränkischen Zeit nennen
die Missethat scelus, crimen, culpa, malum factum ohne Rücksicht
auf das Vorhandensein oder auf den Stärkegrad des verbrecherischen
Willens. Die Volkssprache bezeichnet das Verbrechen als missitât,
fratât oder ubiltât 1. Ubil 2 bedeutete schlecht, böse, ubili Schlechtig-
keit, woraus sich erklären dürfte, daſs in den fränkischen Quellen der
Verbrecher so oft als malus, malus homo, malefactor, das Verbrechen
als malum factum erscheint 3. Für niederträchtige Verbrechen, solche,
die aus gemeiner Gesinnung zu entspringen pflegen, unehrliche Thaten

1 Nordisch gærning, misgerning, gærþ, misgerđ. v. Amira, Recht S. 171.
2 Die Ableitung des Wortes ist zweifelhaft. Nach Kluge, WB s. h. v. aus
upélo, das über die Schranken hinausgehende. Eine ganz andere Erklärung ver-
sucht Kögel, Z2 f. RG XI 224.
3 Z. B. Ed. Chilperici c. 8. 10. 11. Pactus pro tenore pacis Childeb. et
Chloth. c. 1. Childeberti II decretio, c. 7.
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[[536]/0554] Dritter Teil. Das Strafrecht der fränkischen Zeit. I. Die Missethat. § 124. Begriff und Arten der Missethat. Siehe die Litteratur zu § 21. 22 oben I 156. 166, insbes. Wilda, Strafrecht der Germanen. Dazu Grimm, RA S. 623 ff. Gengler, Grundriſs S. 359. Waitz, VG I 418, IV 505 ff. Schröder, RG S. 71 ff. 330 ff. v. Amira, Recht S. 173 ff. Osenbrüggen, Das alamann. Strafrecht 1860. Pertile, Storia del diritto ital. V (diritto penale), 1876. K. Maurer, Kr. Ü. III 33 ff. Dahn, Westgot. Studien S. 141 ff. — Dubois, Histoire du droit criminel des peuples européens 2. éd. 1865. Glasson, Histoire du droit III 523 ff. Die lateinisch geschriebenen Quellen der fränkischen Zeit nennen die Missethat scelus, crimen, culpa, malum factum ohne Rücksicht auf das Vorhandensein oder auf den Stärkegrad des verbrecherischen Willens. Die Volkssprache bezeichnet das Verbrechen als missitât, fratât oder ubiltât 1. Ubil 2 bedeutete schlecht, böse, ubili Schlechtig- keit, woraus sich erklären dürfte, daſs in den fränkischen Quellen der Verbrecher so oft als malus, malus homo, malefactor, das Verbrechen als malum factum erscheint 3. Für niederträchtige Verbrechen, solche, die aus gemeiner Gesinnung zu entspringen pflegen, unehrliche Thaten 1 Nordisch gærning, misgerning, gærþ, misgerđ. v. Amira, Recht S. 171. 2 Die Ableitung des Wortes ist zweifelhaft. Nach Kluge, WB s. h. v. aus upélo, das über die Schranken hinausgehende. Eine ganz andere Erklärung ver- sucht Kögel, Z2 f. RG XI 224. 3 Z. B. Ed. Chilperici c. 8. 10. 11. Pactus pro tenore pacis Childeb. et Chloth. c. 1. Childeberti II decretio, c. 7.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. [536]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/554>, abgerufen am 28.03.2024.