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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 129. Die Begünstigung.

Einzelne Rechte haben besondere Strafsatzungen gegen denjenigen,
der seine Waffe ausleiht, wenn damit ein Mensch getötet oder auch
verwundet wird und der Eigentümer der Waffe sich nicht durch Ge-
fährdeeid oder Unschuldseid zu reinigen vermag. So das langobardische,
das kentische, das angelsächsische und das dänische Recht 63. Es
handelt sich dabei um ein besonderes Überbleibsel des ursprünglich
allgemeinen Grundsatzes, dass der Eigentümer für das durch seine Waffe
angerichtete Unheil hafte und zwar strafrechtlich hafte, wenn er sich
nicht auf Ungefähr berufen kann. Das langobardische und das angel-
sächsische Recht ahnden den mit der entliehenen Waffe verübten Tod-
schlag als gemeinschaftliche That des Eigentümers und des Tod-
schlägers und lassen beide den Todschlag gemeinschaftlich büssen.
Das kentische Recht, die Rechte von Schonen, Seeland und Jütland
legen dem Eigentümer selbständige Bussen auf.

§ 129. Die Begünstigung.

Wilda, Strafrecht S. 308 ff. 635 ff. Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden
S. 44. Derselbe, Studien zur deutschen und schweizerischen Rechtsgeschichte
S. 177. 321. Derselbe, Der Hausfrieden, ein Beitrag zur deutschen Rechts-
geschichte, 1857, S. 41. 43. 45. Schmid, Ges. der Ags. S. 574 s. v. feormian.
Günther, Die Idee der Wiedervergeltung I (1889) S. 192 ff.

Völlig anders als die vor oder bei der That geleistete Teilnahme
behandelt das ältere Recht die Begünstigung, die dem Verbrecher nach
vollbrachter That zu teil wird. Während es den Teilnehmer nur aus-
nahmsweise straft, schreitet es gegen den Begünstiger mit auffallender
Strenge ein. Aus dem Rechtsgedanken, dass die Missethat an sich
friedlos mache, folgte die grundsätzliche Strafbarkeit der Begünstigung.
Die Strenge, mit der das Strafrecht gegen sie vorgeht, erklärt sich
zum Teil aus heidnisch-religiösen Anschauungen; sie entspricht einer
Rechtsordnung, die auf den allgemeinen Polizeidienst der Volks-
genossen gegen die Verbrecher angewiesen war; sie rechnet mit der
Idee, dass die Begünstigung des Verbrechers eine Auflehnung gegen
das Gemeinwesen sei, oder sie wurzelt geradezu in dem Grundsatze,
dass, wer für den Missethäter einstehe, seine Missethat und deren Folgen
der Gesamtheit gegenüber auf sich nehme.

Weil der Ächter Feind des Königs und allen Volkes ist, stellt
sich, wer mit ihm gemeinschaftliche Sache macht, auf Seite des Volks-

63 Roth. 307. Aethelbirht 20. Aelfred 19. Skanelagen 104. Eriks Saell. Lov.
3, 13 (91). Jydske Lov 3, 35. Wilda, Strafrecht S. 625. Vgl. oben S. 556 f.
§ 129. Die Begünstigung.

Einzelne Rechte haben besondere Strafsatzungen gegen denjenigen,
der seine Waffe ausleiht, wenn damit ein Mensch getötet oder auch
verwundet wird und der Eigentümer der Waffe sich nicht durch Ge-
fährdeeid oder Unschuldseid zu reinigen vermag. So das langobardische,
das kentische, das angelsächsische und das dänische Recht 63. Es
handelt sich dabei um ein besonderes Überbleibsel des ursprünglich
allgemeinen Grundsatzes, daſs der Eigentümer für das durch seine Waffe
angerichtete Unheil hafte und zwar strafrechtlich hafte, wenn er sich
nicht auf Ungefähr berufen kann. Das langobardische und das angel-
sächsische Recht ahnden den mit der entliehenen Waffe verübten Tod-
schlag als gemeinschaftliche That des Eigentümers und des Tod-
schlägers und lassen beide den Todschlag gemeinschaftlich büſsen.
Das kentische Recht, die Rechte von Schonen, Seeland und Jütland
legen dem Eigentümer selbständige Buſsen auf.

§ 129. Die Begünstigung.

Wilda, Strafrecht S. 308 ff. 635 ff. Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden
S. 44. Derselbe, Studien zur deutschen und schweizerischen Rechtsgeschichte
S. 177. 321. Derselbe, Der Hausfrieden, ein Beitrag zur deutschen Rechts-
geschichte, 1857, S. 41. 43. 45. Schmid, Ges. der Ags. S. 574 s. v. feormian.
Günther, Die Idee der Wiedervergeltung I (1889) S. 192 ff.

Völlig anders als die vor oder bei der That geleistete Teilnahme
behandelt das ältere Recht die Begünstigung, die dem Verbrecher nach
vollbrachter That zu teil wird. Während es den Teilnehmer nur aus-
nahmsweise straft, schreitet es gegen den Begünstiger mit auffallender
Strenge ein. Aus dem Rechtsgedanken, daſs die Missethat an sich
friedlos mache, folgte die grundsätzliche Strafbarkeit der Begünstigung.
Die Strenge, mit der das Strafrecht gegen sie vorgeht, erklärt sich
zum Teil aus heidnisch-religiösen Anschauungen; sie entspricht einer
Rechtsordnung, die auf den allgemeinen Polizeidienst der Volks-
genossen gegen die Verbrecher angewiesen war; sie rechnet mit der
Idee, daſs die Begünstigung des Verbrechers eine Auflehnung gegen
das Gemeinwesen sei, oder sie wurzelt geradezu in dem Grundsatze,
daſs, wer für den Missethäter einstehe, seine Missethat und deren Folgen
der Gesamtheit gegenüber auf sich nehme.

Weil der Ächter Feind des Königs und allen Volkes ist, stellt
sich, wer mit ihm gemeinschaftliche Sache macht, auf Seite des Volks-

63 Roth. 307. Aethelbirht 20. Aelfred 19. Skånelagen 104. Eriks Sæll. Lov.
3, 13 (91). Jydske Lov 3, 35. Wilda, Strafrecht S. 625. Vgl. oben S. 556 f.
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[575/0593] § 129. Die Begünstigung. Einzelne Rechte haben besondere Strafsatzungen gegen denjenigen, der seine Waffe ausleiht, wenn damit ein Mensch getötet oder auch verwundet wird und der Eigentümer der Waffe sich nicht durch Ge- fährdeeid oder Unschuldseid zu reinigen vermag. So das langobardische, das kentische, das angelsächsische und das dänische Recht 63. Es handelt sich dabei um ein besonderes Überbleibsel des ursprünglich allgemeinen Grundsatzes, daſs der Eigentümer für das durch seine Waffe angerichtete Unheil hafte und zwar strafrechtlich hafte, wenn er sich nicht auf Ungefähr berufen kann. Das langobardische und das angel- sächsische Recht ahnden den mit der entliehenen Waffe verübten Tod- schlag als gemeinschaftliche That des Eigentümers und des Tod- schlägers und lassen beide den Todschlag gemeinschaftlich büſsen. Das kentische Recht, die Rechte von Schonen, Seeland und Jütland legen dem Eigentümer selbständige Buſsen auf. § 129. Die Begünstigung. Wilda, Strafrecht S. 308 ff. 635 ff. Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden S. 44. Derselbe, Studien zur deutschen und schweizerischen Rechtsgeschichte S. 177. 321. Derselbe, Der Hausfrieden, ein Beitrag zur deutschen Rechts- geschichte, 1857, S. 41. 43. 45. Schmid, Ges. der Ags. S. 574 s. v. feormian. Günther, Die Idee der Wiedervergeltung I (1889) S. 192 ff. Völlig anders als die vor oder bei der That geleistete Teilnahme behandelt das ältere Recht die Begünstigung, die dem Verbrecher nach vollbrachter That zu teil wird. Während es den Teilnehmer nur aus- nahmsweise straft, schreitet es gegen den Begünstiger mit auffallender Strenge ein. Aus dem Rechtsgedanken, daſs die Missethat an sich friedlos mache, folgte die grundsätzliche Strafbarkeit der Begünstigung. Die Strenge, mit der das Strafrecht gegen sie vorgeht, erklärt sich zum Teil aus heidnisch-religiösen Anschauungen; sie entspricht einer Rechtsordnung, die auf den allgemeinen Polizeidienst der Volks- genossen gegen die Verbrecher angewiesen war; sie rechnet mit der Idee, daſs die Begünstigung des Verbrechers eine Auflehnung gegen das Gemeinwesen sei, oder sie wurzelt geradezu in dem Grundsatze, daſs, wer für den Missethäter einstehe, seine Missethat und deren Folgen der Gesamtheit gegenüber auf sich nehme. Weil der Ächter Feind des Königs und allen Volkes ist, stellt sich, wer mit ihm gemeinschaftliche Sache macht, auf Seite des Volks- 63 Roth. 307. Aethelbirht 20. Aelfred 19. Skånelagen 104. Eriks Sæll. Lov. 3, 13 (91). Jydske Lov 3, 35. Wilda, Strafrecht S. 625. Vgl. oben S. 556 f.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/593>, abgerufen am 29.03.2024.