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Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.

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der Mensch wird vernichtet, wo er mit ihnen in
Conflict kommt. Eine Änderung in den Bestand-
theilen der Luft, ein Auflodern des tellurischen
Feuers, ein Schwanken in dem Gleichgewicht einer
Wassermasse und eine Seuche, ein vulkanischer Aus-
bruch, eine Überschwemmung begraben Tausende. --
Was ist das Resultat? Eine unbedeutende, im großen
Ganzen kaum bemerkbare Veränderung der physischen
Natur, die fast spurlos vorüber gegangen sein würde,
wenn nicht Leichen auf ihrem Wege längen. -- Ich
frage nun: soll die geistige Natur in ihren Revo-
lutionen mehr Rücksicht nehmen, als die physische?
Soll eine Idee nicht eben so gut wie ein Gesetz
der Physik vernichten dürfen, was sich ihr widersetzt?
Soll überhaupt ein Ereigniß, was die ganze Gestal-
tung der moralischen Natur, d. h. der Menschheit,
umändert, nicht durch Blut gehen dürfen? Der
Weltgeist bedient sich in der geistigen Sphäre unserer
Arme eben so, wie er in der physischen Vulkane
und Wasserfluthen gebraucht. Was liegt daran,
ob sie nun an einer Seuche oder an der Revolution
sterben? -- Die Schritte der Menschheit sind lang-
sam, man kann sie nur nach Jahrhunderten zählen,
hinter jedem erheben sich die Gräber von Genera-
der Menſch wird vernichtet, wo er mit ihnen in
Conflict kommt. Eine Änderung in den Beſtand-
theilen der Luft, ein Auflodern des telluriſchen
Feuers, ein Schwanken in dem Gleichgewicht einer
Waſſermaſſe und eine Seuche, ein vulkaniſcher Aus-
bruch, eine Überſchwemmung begraben Tauſende. —
Was iſt das Reſultat? Eine unbedeutende, im großen
Ganzen kaum bemerkbare Veränderung der phyſiſchen
Natur, die faſt ſpurlos vorüber gegangen ſein würde,
wenn nicht Leichen auf ihrem Wege längen. — Ich
frage nun: ſoll die geiſtige Natur in ihren Revo-
lutionen mehr Rückſicht nehmen, als die phyſiſche?
Soll eine Idee nicht eben ſo gut wie ein Geſetz
der Phyſik vernichten dürfen, was ſich ihr widerſetzt?
Soll überhaupt ein Ereigniß, was die ganze Geſtal-
tung der moraliſchen Natur, d. h. der Menſchheit,
umändert, nicht durch Blut gehen dürfen? Der
Weltgeiſt bedient ſich in der geiſtigen Sphäre unſerer
Arme eben ſo, wie er in der phyſiſchen Vulkane
und Waſſerfluthen gebraucht. Was liegt daran,
ob ſie nun an einer Seuche oder an der Revolution
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[86/0090] der Menſch wird vernichtet, wo er mit ihnen in Conflict kommt. Eine Änderung in den Beſtand- theilen der Luft, ein Auflodern des telluriſchen Feuers, ein Schwanken in dem Gleichgewicht einer Waſſermaſſe und eine Seuche, ein vulkaniſcher Aus- bruch, eine Überſchwemmung begraben Tauſende. — Was iſt das Reſultat? Eine unbedeutende, im großen Ganzen kaum bemerkbare Veränderung der phyſiſchen Natur, die faſt ſpurlos vorüber gegangen ſein würde, wenn nicht Leichen auf ihrem Wege längen. — Ich frage nun: ſoll die geiſtige Natur in ihren Revo- lutionen mehr Rückſicht nehmen, als die phyſiſche? Soll eine Idee nicht eben ſo gut wie ein Geſetz der Phyſik vernichten dürfen, was ſich ihr widerſetzt? Soll überhaupt ein Ereigniß, was die ganze Geſtal- tung der moraliſchen Natur, d. h. der Menſchheit, umändert, nicht durch Blut gehen dürfen? Der Weltgeiſt bedient ſich in der geiſtigen Sphäre unſerer Arme eben ſo, wie er in der phyſiſchen Vulkane und Waſſerfluthen gebraucht. Was liegt daran, ob ſie nun an einer Seuche oder an der Revolution ſterben? — Die Schritte der Menſchheit ſind lang- ſam, man kann ſie nur nach Jahrhunderten zählen, hinter jedem erheben ſich die Gräber von Genera-

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835/90>, abgerufen am 19.03.2024.