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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Dritter Akt.


Erste Scene.
Leonce. Valerio.
Valerio. Heirathen? Seit wann hat es Eure Hoheit
zum ewigen Kalender gebracht?
Leonce. Weißt du auch, Valerio, daß selbst der Ge-
ringste unter den Menschen so groß ist, daß das Leben noch
viel zu kurz ist, um ihn lieben zu können? Und dann kann
ich doch einer gewissen Art von Leuten, die sich einbilden,
daß nichts so schön und heilig sei, daß sie es nicht noch
schöner und heiliger machen müßten, die Freude lassen. Es
liegt ein gewisser Genuß in dieser lieben Arroganz. Warum
soll ich ihnen denselben nicht gönnen?
Valerio. Sehr human und philobestialisch! Aber weiß
sie auch, wer Sie sind?
Leonce. Sie weiß nur, daß sie mich liebt.
Valerio. Und weiß Eure Hoheit auch, wer sie ist?
Leonce. Dummkopf! Frag' doch die Nelke und die
Thauperle nach ihrem Namen.
Valerio. Das heißt, sie ist überhaupt etwas, wenn
das nicht schon zu unzart ist und nach dem Signalement
schmeckt. -- Aber wie soll das gehen? Hm! -- Prinz, bin
ich Minister, wenn Sie heute vor Ihrem Vater mit der
Unaussprechlichen, Namenlosen mittelst des Ehesegens zu-
sammengeschmiedet werden? Ihr Wort?
Leonce. Mein Wort!

Dritter Akt.


Erſte Scene.
Leonce. Valerio.
Valerio. Heirathen? Seit wann hat es Eure Hoheit
zum ewigen Kalender gebracht?
Leonce. Weißt du auch, Valerio, daß ſelbſt der Ge-
ringſte unter den Menſchen ſo groß iſt, daß das Leben noch
viel zu kurz iſt, um ihn lieben zu können? Und dann kann
ich doch einer gewiſſen Art von Leuten, die ſich einbilden,
daß nichts ſo ſchön und heilig ſei, daß ſie es nicht noch
ſchöner und heiliger machen müßten, die Freude laſſen. Es
liegt ein gewiſſer Genuß in dieſer lieben Arroganz. Warum
ſoll ich ihnen denſelben nicht gönnen?
Valerio. Sehr human und philobeſtialiſch! Aber weiß
ſie auch, wer Sie ſind?
Leonce. Sie weiß nur, daß ſie mich liebt.
Valerio. Und weiß Eure Hoheit auch, wer ſie iſt?
Leonce. Dummkopf! Frag' doch die Nelke und die
Thauperle nach ihrem Namen.
Valerio. Das heißt, ſie iſt überhaupt etwas, wenn
das nicht ſchon zu unzart iſt und nach dem Signalement
ſchmeckt. — Aber wie ſoll das gehen? Hm! — Prinz, bin
ich Miniſter, wenn Sie heute vor Ihrem Vater mit der
Unausſprechlichen, Namenloſen mittelſt des Eheſegens zu-
ſammengeſchmiedet werden? Ihr Wort?
Leonce. Mein Wort!

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[146/0342] Dritter Akt. Erſte Scene. Leonce. Valerio. Valerio. Heirathen? Seit wann hat es Eure Hoheit zum ewigen Kalender gebracht? Leonce. Weißt du auch, Valerio, daß ſelbſt der Ge- ringſte unter den Menſchen ſo groß iſt, daß das Leben noch viel zu kurz iſt, um ihn lieben zu können? Und dann kann ich doch einer gewiſſen Art von Leuten, die ſich einbilden, daß nichts ſo ſchön und heilig ſei, daß ſie es nicht noch ſchöner und heiliger machen müßten, die Freude laſſen. Es liegt ein gewiſſer Genuß in dieſer lieben Arroganz. Warum ſoll ich ihnen denſelben nicht gönnen? Valerio. Sehr human und philobeſtialiſch! Aber weiß ſie auch, wer Sie ſind? Leonce. Sie weiß nur, daß ſie mich liebt. Valerio. Und weiß Eure Hoheit auch, wer ſie iſt? Leonce. Dummkopf! Frag' doch die Nelke und die Thauperle nach ihrem Namen. Valerio. Das heißt, ſie iſt überhaupt etwas, wenn das nicht ſchon zu unzart iſt und nach dem Signalement ſchmeckt. — Aber wie ſoll das gehen? Hm! — Prinz, bin ich Miniſter, wenn Sie heute vor Ihrem Vater mit der Unausſprechlichen, Namenloſen mittelſt des Eheſegens zu- ſammengeſchmiedet werden? Ihr Wort? Leonce. Mein Wort!

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/342>, abgerufen am 28.03.2024.