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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Erster Zuschauer. Ich bin ein Freund vom Grotesken.
Ich bin ein Atheist.
Zweiter Zuschauer. Ich bin ein christlich-dogmatischer
Atheist. Ich muß den Esel sehen.
(Gehen in die Bude.)
Wozzeck. Willst auch hinein?
Marie. Meintwegen. Was der Mensch Quasten hat,
und die Frau hat Hosen. Das muß ein schön Ding sein.

(Gehen hinein.)


Das Innere der Bude.
Ausrufer (den Esel producirend). Zeig dein Talent!
zeig deine viehische Vernünftigkeit. Beschäme die menschliche
Societe. Meine Herrschaften, das ist ein Esel, hat vier Hufe
und einen Schweif und das sonstige Zubehör! War Pro-
fessor an einer Universität, die Studenten haben bei ihm
Reiten und Schlagen gelernt! Er hat einen einfachen Ver-
stand und eine doppelte Raison. Was machst du, wenn du
mit der doppelten Raison denkst? (Der Esel p-t.) Wenn
du mit der doppelten Raison denkst?! Sage, ist unter der
geehrten Societe da ein Esel? (Der Esel schüttelt den Kopf.)
Sehen Sie, das ist Vernunft. Was ist der Unterschied
zwischen einem Menschen und einem Esel? Staub, Sand,
Dreck sind Beide. Nur das Ausdrücken ist verschieden. Der
Esel spricht mit dem Huf. Sag' den Herrschaften, wie viel
Uhr es ist! Wer von den Herrschaften hat eine Uhr?
Ein Zuschauer (reicht die seine). Hier!

Erſter Zuſchauer. Ich bin ein Freund vom Grotesken.
Ich bin ein Atheiſt.
Zweiter Zuſchauer. Ich bin ein chriſtlich-dogmatiſcher
Atheiſt. Ich muß den Eſel ſehen.
(Gehen in die Bude.)
Wozzeck. Willſt auch hinein?
Marie. Meintwegen. Was der Menſch Quaſten hat,
und die Frau hat Hoſen. Das muß ein ſchön Ding ſein.

(Gehen hinein.)


Das Innere der Bude.
Ausrufer (den Eſel producirend). Zeig dein Talent!
zeig deine viehiſche Vernünftigkeit. Beſchäme die menſchliche
Société. Meine Herrſchaften, das iſt ein Eſel, hat vier Hufe
und einen Schweif und das ſonſtige Zubehör! War Pro-
feſſor an einer Univerſität, die Studenten haben bei ihm
Reiten und Schlagen gelernt! Er hat einen einfachen Ver-
ſtand und eine doppelte Raiſon. Was machſt du, wenn du
mit der doppelten Raiſon denkſt? (Der Eſel p-t.) Wenn
du mit der doppelten Raiſon denkſt?! Sage, iſt unter der
geehrten Société da ein Eſel? (Der Eſel ſchüttelt den Kopf.)
Sehen Sie, das iſt Vernunft. Was iſt der Unterſchied
zwiſchen einem Menſchen und einem Eſel? Staub, Sand,
Dreck ſind Beide. Nur das Ausdrücken iſt verſchieden. Der
Eſel ſpricht mit dem Huf. Sag' den Herrſchaften, wie viel
Uhr es iſt! Wer von den Herrſchaften hat eine Uhr?
Ein Zuſchauer (reicht die ſeine). Hier!

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[167/0363] Erſter Zuſchauer. Ich bin ein Freund vom Grotesken. Ich bin ein Atheiſt. Zweiter Zuſchauer. Ich bin ein chriſtlich-dogmatiſcher Atheiſt. Ich muß den Eſel ſehen. (Gehen in die Bude.) Wozzeck. Willſt auch hinein? Marie. Meintwegen. Was der Menſch Quaſten hat, und die Frau hat Hoſen. Das muß ein ſchön Ding ſein. (Gehen hinein.) Das Innere der Bude. Ausrufer (den Eſel producirend). Zeig dein Talent! zeig deine viehiſche Vernünftigkeit. Beſchäme die menſchliche Société. Meine Herrſchaften, das iſt ein Eſel, hat vier Hufe und einen Schweif und das ſonſtige Zubehör! War Pro- feſſor an einer Univerſität, die Studenten haben bei ihm Reiten und Schlagen gelernt! Er hat einen einfachen Ver- ſtand und eine doppelte Raiſon. Was machſt du, wenn du mit der doppelten Raiſon denkſt? (Der Eſel p-t.) Wenn du mit der doppelten Raiſon denkſt?! Sage, iſt unter der geehrten Société da ein Eſel? (Der Eſel ſchüttelt den Kopf.) Sehen Sie, das iſt Vernunft. Was iſt der Unterſchied zwiſchen einem Menſchen und einem Eſel? Staub, Sand, Dreck ſind Beide. Nur das Ausdrücken iſt verſchieden. Der Eſel ſpricht mit dem Huf. Sag' den Herrſchaften, wie viel Uhr es iſt! Wer von den Herrſchaften hat eine Uhr? Ein Zuſchauer (reicht die ſeine). Hier!

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/363>, abgerufen am 16.04.2024.