Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

sehen, daß ich mich in die Gießener Winkelpolitik und
revolutionären Kinderstreiche nicht einlassen werde.

10.


(Reise in die Vogesen.)

Bald im Thal, bald auf den Höhen zogen wir durch
das liebliche Land. Am zweiten Tage gelangten wir auf
einer über 3000 Fuß hohen Fläche zum sogenannten weißen
und schwarzen See. Es sind zwei finstere Lachen in tiefer
Schlucht, unter etwa 500 Fuß hohen Felsenwänden. Der
weiße See liegt auf dem Gipfel der Höhe. Zu unseren
Füßen lag still das dunkle Wasser. Ueber die nächsten
Höhen hinaus sahen wir im Osten die Rheinebenen und den
Schwarzwald, nach West und Nordwest das Lothringer Hoch-
land; im Süden hingen düstere Wetterwolken, die Luft war
still. Plötzlich trieb der Sturm das Gewölke die Rheinebene
herauf, zu unserer Linken zuckten die Blitze, und unter dem
zerrissenen Gewölk über dem dunklen Jura glänzten die
Alpengletscher in der Abendsonne. Der dritte Tag ge-
währte uns den nämlichen herrlichen Anblick; wir bestiegen
nämlich den höchsten Punkt der Vogesen, den an 5000 Fuß
hohen Bölgen. Man übersieht den Rhein von Basel bis
Straßburg, die Fläche hinter Lothringen bis zu den Bergen
der Champagne, den Anfang der ehemaligen franche Comte,
den Jura und die Schweizergebirge vom Rigi bis zu den
entferntesten Savoyischen Alpen. Es war gegen Sonnen-
untergang, die Alpen wie blasses Abendroth über der dunkel
gewordenen Erde. Die Nacht brachten wir in einer geringen
Entfernung vom Gipfel in einer Sennerhütte zu. Die Hirten

ſehen, daß ich mich in die Gießener Winkelpolitik und
revolutionären Kinderſtreiche nicht einlaſſen werde.

10.


(Reiſe in die Vogeſen.)

Bald im Thal, bald auf den Höhen zogen wir durch
das liebliche Land. Am zweiten Tage gelangten wir auf
einer über 3000 Fuß hohen Fläche zum ſogenannten weißen
und ſchwarzen See. Es ſind zwei finſtere Lachen in tiefer
Schlucht, unter etwa 500 Fuß hohen Felſenwänden. Der
weiße See liegt auf dem Gipfel der Höhe. Zu unſeren
Füßen lag ſtill das dunkle Waſſer. Ueber die nächſten
Höhen hinaus ſahen wir im Oſten die Rheinebenen und den
Schwarzwald, nach Weſt und Nordweſt das Lothringer Hoch-
land; im Süden hingen düſtere Wetterwolken, die Luft war
ſtill. Plötzlich trieb der Sturm das Gewölke die Rheinebene
herauf, zu unſerer Linken zuckten die Blitze, und unter dem
zerriſſenen Gewölk über dem dunklen Jura glänzten die
Alpengletſcher in der Abendſonne. Der dritte Tag ge-
währte uns den nämlichen herrlichen Anblick; wir beſtiegen
nämlich den höchſten Punkt der Vogeſen, den an 5000 Fuß
hohen Bölgen. Man überſieht den Rhein von Baſel bis
Straßburg, die Fläche hinter Lothringen bis zu den Bergen
der Champagne, den Anfang der ehemaligen franche Comté,
den Jura und die Schweizergebirge vom Rigi bis zu den
entfernteſten Savoyiſchen Alpen. Es war gegen Sonnen-
untergang, die Alpen wie blaſſes Abendroth über der dunkel
gewordenen Erde. Die Nacht brachten wir in einer geringen
Entfernung vom Gipfel in einer Sennerhütte zu. Die Hirten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0528" n="332"/>
&#x017F;ehen, daß ich mich in die Gießener Winkelpolitik und<lb/>
revolutionären Kinder&#x017F;treiche nicht einla&#x017F;&#x017F;en werde.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#c">10.</hi> </head><lb/>
            <dateline><hi rendition="#g">Straßburg</hi>, den 8. Juli 1833.</dateline><lb/>
            <p>(Rei&#x017F;e in die Voge&#x017F;en.)</p><lb/>
            <p>Bald im Thal, bald auf den Höhen zogen wir durch<lb/>
das liebliche Land. Am zweiten Tage gelangten wir auf<lb/>
einer über 3000 Fuß hohen Fläche zum &#x017F;ogenannten weißen<lb/>
und &#x017F;chwarzen See. Es &#x017F;ind zwei fin&#x017F;tere Lachen in tiefer<lb/>
Schlucht, unter etwa 500 Fuß hohen Fel&#x017F;enwänden. Der<lb/>
weiße See liegt auf dem Gipfel der Höhe. Zu un&#x017F;eren<lb/>
Füßen lag &#x017F;till das dunkle Wa&#x017F;&#x017F;er. Ueber die näch&#x017F;ten<lb/>
Höhen hinaus &#x017F;ahen wir im O&#x017F;ten die Rheinebenen und den<lb/>
Schwarzwald, nach We&#x017F;t und Nordwe&#x017F;t das Lothringer Hoch-<lb/>
land; im Süden hingen dü&#x017F;tere Wetterwolken, die Luft war<lb/>
&#x017F;till. Plötzlich trieb der Sturm das Gewölke die Rheinebene<lb/>
herauf, zu un&#x017F;erer Linken zuckten die Blitze, und unter dem<lb/>
zerri&#x017F;&#x017F;enen Gewölk über dem dunklen Jura glänzten die<lb/><hi rendition="#g">Alpenglet&#x017F;cher</hi> in der Abend&#x017F;onne. Der dritte Tag ge-<lb/>
währte uns den nämlichen herrlichen Anblick; wir be&#x017F;tiegen<lb/>
nämlich den höch&#x017F;ten Punkt der Voge&#x017F;en, den an 5000 Fuß<lb/>
hohen <hi rendition="#g">Bölgen</hi>. Man über&#x017F;ieht den Rhein von Ba&#x017F;el bis<lb/>
Straßburg, die Fläche hinter Lothringen bis zu den Bergen<lb/>
der Champagne, den Anfang der ehemaligen <hi rendition="#aq">franche Comté,</hi><lb/>
den Jura und die Schweizergebirge vom Rigi bis zu den<lb/>
entfernte&#x017F;ten Savoyi&#x017F;chen Alpen. Es war gegen Sonnen-<lb/>
untergang, die Alpen wie bla&#x017F;&#x017F;es Abendroth über der dunkel<lb/>
gewordenen Erde. Die Nacht brachten wir in einer geringen<lb/>
Entfernung vom Gipfel in einer Sennerhütte zu. Die Hirten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[332/0528] ſehen, daß ich mich in die Gießener Winkelpolitik und revolutionären Kinderſtreiche nicht einlaſſen werde. 10. Straßburg, den 8. Juli 1833. (Reiſe in die Vogeſen.) Bald im Thal, bald auf den Höhen zogen wir durch das liebliche Land. Am zweiten Tage gelangten wir auf einer über 3000 Fuß hohen Fläche zum ſogenannten weißen und ſchwarzen See. Es ſind zwei finſtere Lachen in tiefer Schlucht, unter etwa 500 Fuß hohen Felſenwänden. Der weiße See liegt auf dem Gipfel der Höhe. Zu unſeren Füßen lag ſtill das dunkle Waſſer. Ueber die nächſten Höhen hinaus ſahen wir im Oſten die Rheinebenen und den Schwarzwald, nach Weſt und Nordweſt das Lothringer Hoch- land; im Süden hingen düſtere Wetterwolken, die Luft war ſtill. Plötzlich trieb der Sturm das Gewölke die Rheinebene herauf, zu unſerer Linken zuckten die Blitze, und unter dem zerriſſenen Gewölk über dem dunklen Jura glänzten die Alpengletſcher in der Abendſonne. Der dritte Tag ge- währte uns den nämlichen herrlichen Anblick; wir beſtiegen nämlich den höchſten Punkt der Vogeſen, den an 5000 Fuß hohen Bölgen. Man überſieht den Rhein von Baſel bis Straßburg, die Fläche hinter Lothringen bis zu den Bergen der Champagne, den Anfang der ehemaligen franche Comté, den Jura und die Schweizergebirge vom Rigi bis zu den entfernteſten Savoyiſchen Alpen. Es war gegen Sonnen- untergang, die Alpen wie blaſſes Abendroth über der dunkel gewordenen Erde. Die Nacht brachten wir in einer geringen Entfernung vom Gipfel in einer Sennerhütte zu. Die Hirten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/528
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/528>, abgerufen am 28.03.2024.