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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Und jener Stunden Seligkeit,
Ach jener Träume Wirklichkeit,
Die, angeboren jedermann,
Kein Mensch sich wirklich machen kann. *
6.


.. In längstens acht Tagen will ich "Leonce und Lena"
mit noch zwei anderen Dramen erscheinen lassen. ..

7.


"Mein lieb Kind! ..... Ich zähle die Wochen bis
zu Ostern an den Fingern. Es wird immer öder. So im
Anfange ging's: neue Umgebungen, Menschen, Verhältnisse,
Beschäftigungen -- aber jetzt, da ich an Alles gewöhnt bin,
Alles mit Regelmäßigkeit vor sich geht, man vergißt sich
nicht mehr. Das Beste ist, meine Phantasie ist thätig, und
die mechanische Beschäftigung des Präparirens läßt ihr
Raum. Ich sehe dich immer so halb durch zwischen Fisch-
schwänzen, Froschzehen etc. Ist das nicht rührender, als die
Geschichte von Abälard, wie sich ihm Heloise immer zwischen
die Lippen und das Gebet drängt? O, ich werde jeden
Tag poetischer, alle meine Gedanken schwimmen in Spiritus.
Gott sei Dank, ich träume wieder viel Nachts, mein Schlaf
ist nicht mehr so schwer.


* Aus dem Gedichte von Reinhold Lenz: "Die Liebe auf
dem Lande". F.
Und jener Stunden Seligkeit,
Ach jener Träume Wirklichkeit,
Die, angeboren jedermann,
Kein Menſch ſich wirklich machen kann. *
6.


.. In längſtens acht Tagen will ich "Leonce und Lena"
mit noch zwei anderen Dramen erſcheinen laſſen. ..

7.


"Mein lieb Kind! ..... Ich zähle die Wochen bis
zu Oſtern an den Fingern. Es wird immer öder. So im
Anfange ging's: neue Umgebungen, Menſchen, Verhältniſſe,
Beſchäftigungen — aber jetzt, da ich an Alles gewöhnt bin,
Alles mit Regelmäßigkeit vor ſich geht, man vergißt ſich
nicht mehr. Das Beſte iſt, meine Phantaſie iſt thätig, und
die mechaniſche Beſchäftigung des Präparirens läßt ihr
Raum. Ich ſehe dich immer ſo halb durch zwiſchen Fiſch-
ſchwänzen, Froſchzehen etc. Iſt das nicht rührender, als die
Geſchichte von Abälard, wie ſich ihm Heloiſe immer zwiſchen
die Lippen und das Gebet drängt? O, ich werde jeden
Tag poetiſcher, alle meine Gedanken ſchwimmen in Spiritus.
Gott ſei Dank, ich träume wieder viel Nachts, mein Schlaf
iſt nicht mehr ſo ſchwer.


* Aus dem Gedichte von Reinhold Lenz: "Die Liebe auf
dem Lande". F.
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[378/0574] Und jener Stunden Seligkeit, Ach jener Träume Wirklichkeit, Die, angeboren jedermann, Kein Menſch ſich wirklich machen kann. * 6. Zürich, Anfang Januar 1837 .. In längſtens acht Tagen will ich "Leonce und Lena" mit noch zwei anderen Dramen erſcheinen laſſen. .. 7. Zürich, 13. Januar 1837. "Mein lieb Kind! ..... Ich zähle die Wochen bis zu Oſtern an den Fingern. Es wird immer öder. So im Anfange ging's: neue Umgebungen, Menſchen, Verhältniſſe, Beſchäftigungen — aber jetzt, da ich an Alles gewöhnt bin, Alles mit Regelmäßigkeit vor ſich geht, man vergißt ſich nicht mehr. Das Beſte iſt, meine Phantaſie iſt thätig, und die mechaniſche Beſchäftigung des Präparirens läßt ihr Raum. Ich ſehe dich immer ſo halb durch zwiſchen Fiſch- ſchwänzen, Froſchzehen etc. Iſt das nicht rührender, als die Geſchichte von Abälard, wie ſich ihm Heloiſe immer zwiſchen die Lippen und das Gebet drängt? O, ich werde jeden Tag poetiſcher, alle meine Gedanken ſchwimmen in Spiritus. Gott ſei Dank, ich träume wieder viel Nachts, mein Schlaf iſt nicht mehr ſo ſchwer. * Aus dem Gedichte von Reinhold Lenz: "Die Liebe auf dem Lande". F.

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/574>, abgerufen am 28.03.2024.