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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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1. Abschnitt.gulden riesige Dammbauten unternommen, um den Mincio
von Mantua, die Brenta von Padua nach Belieben ableiten
und diese Städte wehrlos machen zu können, 1) ja es wäre
nicht undenkbar, daß er auf eine Trockenlegung der Lagunen
von Venedig gesonnen hätte. Er gründete 2) "das wun-
derbarste aller Klöster", die Certosa von Pavia, und den
Dom von Mailand, "der an Größe und Pracht alle Kirchen
der Christenheit übertrifft", ja vielleicht ist auch der Palast
in Pavia, den schon sein Vater Galeazzo begonnen, und
den er vollendete, weitaus die herrlichste Fürstenresidenz des
damaligen Europa's gewesen. Dorthin verlegte er auch
seine berühmte Bibliothek und die große Sammlung von
Reliquien der Heiligen, welchen er eine besondere Art von
Dessen letzte
Pläne.
Glauben widmete. Bei einem Fürsten von dieser Sinnes-
art wäre es befremdlich, wenn er nicht auch im politischen
Gebiet nach den höchsten Kronen gegriffen hätte. König
Wenzel machte ihn (1395) zum Herzog; er aber hatte nichts
geringeres als das Königthum von Italien 3) oder die
Kaiserkrone im Sinne, als er (1402) erkrankte und starb.
Seine sämmtlichen Staaten sollen ihm einst in einem Jahre
außer der regelmäßigen Steuer von 1,200,000 Goldgulden
noch weitere 800,000 an außerordentlichen Subsidien bezahlt
haben. Nach seinem Tode ging das Reich, das er durch
jede Art von Gewaltthaten zusammengebracht, in Stücken

1) Corio, Fol. 272, 285.
2) Cagnola, im Archiv. stor. III, p. 23.
3) So Corio, Fol. 286 und Poggio, hist. Florent. IV, bei Murat.
XX., Col.
290. -- Von Plänen auf das Kaiserthum redet Cag-
nola. a. a. O[.] und das Sonett bei Trucchi, Poesie ital. inedite
II, p.
118:
Stan le citta lombarde con le chiave
In man per darle a voi .... etc.
Roma vi chiama: Cesar mio novello
Jo sono ignuda, et l'anima pur vive:
Or mi coprite col vostro mantello etc.

1. Abſchnitt.gulden rieſige Dammbauten unternommen, um den Mincio
von Mantua, die Brenta von Padua nach Belieben ableiten
und dieſe Städte wehrlos machen zu können, 1) ja es wäre
nicht undenkbar, daß er auf eine Trockenlegung der Lagunen
von Venedig geſonnen hätte. Er gründete 2) „das wun-
derbarſte aller Klöſter“, die Certoſa von Pavia, und den
Dom von Mailand, „der an Größe und Pracht alle Kirchen
der Chriſtenheit übertrifft“, ja vielleicht iſt auch der Palaſt
in Pavia, den ſchon ſein Vater Galeazzo begonnen, und
den er vollendete, weitaus die herrlichſte Fürſtenreſidenz des
damaligen Europa's geweſen. Dorthin verlegte er auch
ſeine berühmte Bibliothek und die große Sammlung von
Reliquien der Heiligen, welchen er eine beſondere Art von
Deſſen letzte
Pläne.
Glauben widmete. Bei einem Fürſten von dieſer Sinnes-
art wäre es befremdlich, wenn er nicht auch im politiſchen
Gebiet nach den höchſten Kronen gegriffen hätte. König
Wenzel machte ihn (1395) zum Herzog; er aber hatte nichts
geringeres als das Königthum von Italien 3) oder die
Kaiſerkrone im Sinne, als er (1402) erkrankte und ſtarb.
Seine ſämmtlichen Staaten ſollen ihm einſt in einem Jahre
außer der regelmäßigen Steuer von 1,200,000 Goldgulden
noch weitere 800,000 an außerordentlichen Subſidien bezahlt
haben. Nach ſeinem Tode ging das Reich, das er durch
jede Art von Gewaltthaten zuſammengebracht, in Stücken

1) Corio, Fol. 272, 285.
2) Cagnola, im Archiv. stor. III, p. 23.
3) So Corio, Fol. 286 und Poggio, hist. Florent. IV, bei Murat.
XX., Col.
290. — Von Plänen auf das Kaiſerthum redet Cag-
nola. a. a. O[.] und das Sonett bei Trucchi, Poesie ital. inedite
II, p.
118:
Stan le città lombarde con le chiave
In man per darle a voi .... etc.
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[12/0022] gulden rieſige Dammbauten unternommen, um den Mincio von Mantua, die Brenta von Padua nach Belieben ableiten und dieſe Städte wehrlos machen zu können, 1) ja es wäre nicht undenkbar, daß er auf eine Trockenlegung der Lagunen von Venedig geſonnen hätte. Er gründete 2) „das wun- derbarſte aller Klöſter“, die Certoſa von Pavia, und den Dom von Mailand, „der an Größe und Pracht alle Kirchen der Chriſtenheit übertrifft“, ja vielleicht iſt auch der Palaſt in Pavia, den ſchon ſein Vater Galeazzo begonnen, und den er vollendete, weitaus die herrlichſte Fürſtenreſidenz des damaligen Europa's geweſen. Dorthin verlegte er auch ſeine berühmte Bibliothek und die große Sammlung von Reliquien der Heiligen, welchen er eine beſondere Art von Glauben widmete. Bei einem Fürſten von dieſer Sinnes- art wäre es befremdlich, wenn er nicht auch im politiſchen Gebiet nach den höchſten Kronen gegriffen hätte. König Wenzel machte ihn (1395) zum Herzog; er aber hatte nichts geringeres als das Königthum von Italien 3) oder die Kaiſerkrone im Sinne, als er (1402) erkrankte und ſtarb. Seine ſämmtlichen Staaten ſollen ihm einſt in einem Jahre außer der regelmäßigen Steuer von 1,200,000 Goldgulden noch weitere 800,000 an außerordentlichen Subſidien bezahlt haben. Nach ſeinem Tode ging das Reich, das er durch jede Art von Gewaltthaten zuſammengebracht, in Stücken 1. Abſchnitt. Deſſen letzte Pläne. 1) Corio, Fol. 272, 285. 2) Cagnola, im Archiv. stor. III, p. 23. 3) So Corio, Fol. 286 und Poggio, hist. Florent. IV, bei Murat. XX., Col. 290. — Von Plänen auf das Kaiſerthum redet Cag- nola. a. a. O. und das Sonett bei Trucchi, Poesie ital. inedite II, p. 118: Stan le città lombarde con le chiave In man per darle a voi .... etc. Roma vi chiama: Cesar mio novello Jo sono ignuda, et l'anima pur vive: Or mi coprite col vostro mantello etc.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/22>, abgerufen am 29.03.2024.