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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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1. Abschnitt.erträglichen Grad von Ausbildung erreicht haben. Der
Fürst übte wohl eine Fürsorge, wie sie damals auch bei
andern italienischen Gewaltherrschern, z. B. bei Galeazzo
Maria Sforza vorkam: bei Hungersnöthen ließ er Getreide
aus der Ferne kommen 1) und theilte es, wie es scheint,
umsonst aus; allein in gewöhnlichen Zeiten hielt er sich schad-
los durch das Monopol wenn nicht des Getreides doch
vieler andern Lebensmittel: Salzfleisch, Fische, Früchte, Ge-
müse, welche letztere auf und an den Wällen von Ferrara
Aemterverkauf.sorgfältig gepflanzt wurden. Die bedenklichste Einnahme
aber war die von dem Verkauf der jährlich neu besetzten
Aemter, ein Gebrauch der durch ganz Italien verbreitet
war, nur daß wir über Ferrara am besten unterrichtet sind.
Zum Neujahr 1502 heißt es z. B.: Die Meisten kauften
ihre Aemter um gesalzene Preise (salati); es werden Factoren
verschiedener Art, Zolleinnehmer, Domänenverwalter (mas-
sarei
), Notare, Podestas, Richter und selbst Capitani, d. h.
herzogliche Oberbeamte von Landstädten einzeln angeführt.
Als einer von den "Leutefressern", welche ihr Amt theuer
bezahlt haben und welche das Volk haßt "mehr als den
Teufel", ist Tito Strozza genannt, hoffentlich nicht der be-
rühmte lateinische Dichter. Um dieselbe Jahreszeit pflegte
der jeweilige Herzog in Person eine Runde durch Ferrara
zu machen, das sog. Andar per ventura, wobei er sich
wenigstens von den Wohlhabendern beschenken ließ. Doch
wurde dabei kein Geld, sondern nur Naturalien gespendet.

Ordnung und
Berechnung.
Der Stolz des Herzogs 2) war es nun, wenn man in
ganz Italien wußte, daß in Ferrara den Soldaten ihr
Sold, den Professoren der Universität ihr Gehalt immer
auf den Tag ausbezahlt wurde, daß die Soldaten sich nie-
mals eigenmächtig am Bürger und Landmann erholen
durften, daß Ferrara uneinnehmbar sei und daß im Castell

1) Paul. Jovius: vita Alfonsi ducis, in den viri illustres.
2) Paul. Jovius l. c.

1. Abſchnitt.erträglichen Grad von Ausbildung erreicht haben. Der
Fürſt übte wohl eine Fürſorge, wie ſie damals auch bei
andern italieniſchen Gewaltherrſchern, z. B. bei Galeazzo
Maria Sforza vorkam: bei Hungersnöthen ließ er Getreide
aus der Ferne kommen 1) und theilte es, wie es ſcheint,
umſonſt aus; allein in gewöhnlichen Zeiten hielt er ſich ſchad-
los durch das Monopol wenn nicht des Getreides doch
vieler andern Lebensmittel: Salzfleiſch, Fiſche, Früchte, Ge-
müſe, welche letztere auf und an den Wällen von Ferrara
Aemterverkauf.ſorgfältig gepflanzt wurden. Die bedenklichſte Einnahme
aber war die von dem Verkauf der jährlich neu beſetzten
Aemter, ein Gebrauch der durch ganz Italien verbreitet
war, nur daß wir über Ferrara am beſten unterrichtet ſind.
Zum Neujahr 1502 heißt es z. B.: Die Meiſten kauften
ihre Aemter um geſalzene Preiſe (salati); es werden Factoren
verſchiedener Art, Zolleinnehmer, Domänenverwalter (mas-
sarî
), Notare, Podeſtàs, Richter und ſelbſt Capitani, d. h.
herzogliche Oberbeamte von Landſtädten einzeln angeführt.
Als einer von den „Leutefreſſern“, welche ihr Amt theuer
bezahlt haben und welche das Volk haßt „mehr als den
Teufel“, iſt Tito Strozza genannt, hoffentlich nicht der be-
rühmte lateiniſche Dichter. Um dieſelbe Jahreszeit pflegte
der jeweilige Herzog in Perſon eine Runde durch Ferrara
zu machen, das ſog. Andar per ventura, wobei er ſich
wenigſtens von den Wohlhabendern beſchenken ließ. Doch
wurde dabei kein Geld, ſondern nur Naturalien geſpendet.

Ordnung und
Berechnung.
Der Stolz des Herzogs 2) war es nun, wenn man in
ganz Italien wußte, daß in Ferrara den Soldaten ihr
Sold, den Profeſſoren der Univerſität ihr Gehalt immer
auf den Tag ausbezahlt wurde, daß die Soldaten ſich nie-
mals eigenmächtig am Bürger und Landmann erholen
durften, daß Ferrara uneinnehmbar ſei und daß im Caſtell

1) Paul. Jovius: vita Alfonsi ducis, in den viri illustres.
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[48/0058] erträglichen Grad von Ausbildung erreicht haben. Der Fürſt übte wohl eine Fürſorge, wie ſie damals auch bei andern italieniſchen Gewaltherrſchern, z. B. bei Galeazzo Maria Sforza vorkam: bei Hungersnöthen ließ er Getreide aus der Ferne kommen 1) und theilte es, wie es ſcheint, umſonſt aus; allein in gewöhnlichen Zeiten hielt er ſich ſchad- los durch das Monopol wenn nicht des Getreides doch vieler andern Lebensmittel: Salzfleiſch, Fiſche, Früchte, Ge- müſe, welche letztere auf und an den Wällen von Ferrara ſorgfältig gepflanzt wurden. Die bedenklichſte Einnahme aber war die von dem Verkauf der jährlich neu beſetzten Aemter, ein Gebrauch der durch ganz Italien verbreitet war, nur daß wir über Ferrara am beſten unterrichtet ſind. Zum Neujahr 1502 heißt es z. B.: Die Meiſten kauften ihre Aemter um geſalzene Preiſe (salati); es werden Factoren verſchiedener Art, Zolleinnehmer, Domänenverwalter (mas- sarî), Notare, Podeſtàs, Richter und ſelbſt Capitani, d. h. herzogliche Oberbeamte von Landſtädten einzeln angeführt. Als einer von den „Leutefreſſern“, welche ihr Amt theuer bezahlt haben und welche das Volk haßt „mehr als den Teufel“, iſt Tito Strozza genannt, hoffentlich nicht der be- rühmte lateiniſche Dichter. Um dieſelbe Jahreszeit pflegte der jeweilige Herzog in Perſon eine Runde durch Ferrara zu machen, das ſog. Andar per ventura, wobei er ſich wenigſtens von den Wohlhabendern beſchenken ließ. Doch wurde dabei kein Geld, ſondern nur Naturalien geſpendet. 1. Abſchnitt. Aemterverkauf. Der Stolz des Herzogs 2) war es nun, wenn man in ganz Italien wußte, daß in Ferrara den Soldaten ihr Sold, den Profeſſoren der Univerſität ihr Gehalt immer auf den Tag ausbezahlt wurde, daß die Soldaten ſich nie- mals eigenmächtig am Bürger und Landmann erholen durften, daß Ferrara uneinnehmbar ſei und daß im Caſtell Ordnung und Berechnung. 1) Paul. Jovius: vita Alfonsi ducis, in den viri illustres. 2) Paul. Jovius l. c.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/58>, abgerufen am 24.04.2024.