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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Encyklopädie der Heilkunst.
§ 313.

Das nächste Mittel, hierüber zur Gewißheit zu gelan-
gen, ist nur die wiederholte Anwendung dieser Kräfte in
denselben Krankheitsgattungen. Allein da kein Krankheits-
fall, so wenig, als die Gesundheit, in einem Individuum,
dem andern vollkommen ähnlich ist: so kann jenes Mittel
von neuem angewendet, auch nie ganz dieselben Wirkungen,
noch sie in demselben Maaße, derselben Zeit etc. hervorbringen.

§ 314.

Zu diesen Versuchen gehört also die genaueste Kenntniß
der Krankheiten im Allgemeinen sowohl, als in ihren Indi-
vidualitäten. Wenn nämlich bey Krankheiten, welche ihren
Ursachen und wesentlichen Erscheinungen nach, einander
ganz unähnlich sind, nach Anwendung einer bestimmten
Kraft die Genesung erfolgte; wenn ferner diese Genesung,
als Erscheinung, d. h. nach der Zeit, in welcher sie erfolgt,
nach ihrer Vollkommenheit etc. in keinem Verhältnisse steht
mit der nach der Zeit und dem Maaße verschiedenen Anwen-
dung jener Kraft: so kann man vermöge der Stetigkeit der
Natur mit vollkommener Zuversicht schließen, daß man, wo
nicht in allem, doch in einigen dieser Fälle sich geirrt hat,
und daß die Genesung hier von ganz andern Umständen ab-
hieng, welche unserer Beobachtung entgangen sind.

§ 315.

Hat man hingegen mehrmals beobachtet, daß der An-
wendung einer Kraft in Krankheiten, welche im Allgemeinen
gleiche wesentliche Erscheinungen (nächste Ursache) hatten,
Genesung folgte; hat man ein gewisses Verhältniß zwi-
schen der Modification dieser Genesung, des Krankheitsfalles
und der angewendeten Kraft bemerkt; hat man endlich er-

fahren,
Encyklopaͤdie der Heilkunſt.
§ 313.

Das naͤchſte Mittel, hieruͤber zur Gewißheit zu gelan-
gen, iſt nur die wiederholte Anwendung dieſer Kraͤfte in
denſelben Krankheitsgattungen. Allein da kein Krankheits-
fall, ſo wenig, als die Geſundheit, in einem Individuum,
dem andern vollkommen aͤhnlich iſt: ſo kann jenes Mittel
von neuem angewendet, auch nie ganz dieſelben Wirkungen,
noch ſie in demſelben Maaße, derſelben Zeit ꝛc. hervorbringen.

§ 314.

Zu dieſen Verſuchen gehoͤrt alſo die genaueſte Kenntniß
der Krankheiten im Allgemeinen ſowohl, als in ihren Indi-
vidualitaͤten. Wenn naͤmlich bey Krankheiten, welche ihren
Urſachen und weſentlichen Erſcheinungen nach, einander
ganz unaͤhnlich ſind, nach Anwendung einer beſtimmten
Kraft die Geneſung erfolgte; wenn ferner dieſe Geneſung,
als Erſcheinung, d. h. nach der Zeit, in welcher ſie erfolgt,
nach ihrer Vollkommenheit ꝛc. in keinem Verhaͤltniſſe ſteht
mit der nach der Zeit und dem Maaße verſchiedenen Anwen-
dung jener Kraft: ſo kann man vermoͤge der Stetigkeit der
Natur mit vollkommener Zuverſicht ſchließen, daß man, wo
nicht in allem, doch in einigen dieſer Faͤlle ſich geirrt hat,
und daß die Geneſung hier von ganz andern Umſtaͤnden ab-
hieng, welche unſerer Beobachtung entgangen ſind.

§ 315.

Hat man hingegen mehrmals beobachtet, daß der An-
wendung einer Kraft in Krankheiten, welche im Allgemeinen
gleiche weſentliche Erſcheinungen (naͤchſte Urſache) hatten,
Geneſung folgte; hat man ein gewiſſes Verhaͤltniß zwi-
ſchen der Modification dieſer Geneſung, des Krankheitsfalles
und der angewendeten Kraft bemerkt; hat man endlich er-

fahren,
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[95/0113] Encyklopaͤdie der Heilkunſt. § 313. Das naͤchſte Mittel, hieruͤber zur Gewißheit zu gelan- gen, iſt nur die wiederholte Anwendung dieſer Kraͤfte in denſelben Krankheitsgattungen. Allein da kein Krankheits- fall, ſo wenig, als die Geſundheit, in einem Individuum, dem andern vollkommen aͤhnlich iſt: ſo kann jenes Mittel von neuem angewendet, auch nie ganz dieſelben Wirkungen, noch ſie in demſelben Maaße, derſelben Zeit ꝛc. hervorbringen. § 314. Zu dieſen Verſuchen gehoͤrt alſo die genaueſte Kenntniß der Krankheiten im Allgemeinen ſowohl, als in ihren Indi- vidualitaͤten. Wenn naͤmlich bey Krankheiten, welche ihren Urſachen und weſentlichen Erſcheinungen nach, einander ganz unaͤhnlich ſind, nach Anwendung einer beſtimmten Kraft die Geneſung erfolgte; wenn ferner dieſe Geneſung, als Erſcheinung, d. h. nach der Zeit, in welcher ſie erfolgt, nach ihrer Vollkommenheit ꝛc. in keinem Verhaͤltniſſe ſteht mit der nach der Zeit und dem Maaße verſchiedenen Anwen- dung jener Kraft: ſo kann man vermoͤge der Stetigkeit der Natur mit vollkommener Zuverſicht ſchließen, daß man, wo nicht in allem, doch in einigen dieſer Faͤlle ſich geirrt hat, und daß die Geneſung hier von ganz andern Umſtaͤnden ab- hieng, welche unſerer Beobachtung entgangen ſind. § 315. Hat man hingegen mehrmals beobachtet, daß der An- wendung einer Kraft in Krankheiten, welche im Allgemeinen gleiche weſentliche Erſcheinungen (naͤchſte Urſache) hatten, Geneſung folgte; hat man ein gewiſſes Verhaͤltniß zwi- ſchen der Modification dieſer Geneſung, des Krankheitsfalles und der angewendeten Kraft bemerkt; hat man endlich er- fahren,

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/113>, abgerufen am 20.04.2024.