Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Bildung des Arztes.
(Handbücher), oder sie sind für eine größere Klasse des Pu-
blikums, also auch für die, welche mit den Wissens[ch]aften
schon bekannt sind, bestimmt, und daher weniger deutlich.
Man vergesse daher nicht bey dem Nachschreiben den Faden
des Vortrags zu behalten, man vernachlässige über dem
Auffassen des Einzelnen nicht das Ganze in seinem Zusam-
menhange.

§ 568.

4. Man wird mit den neusten Bereicherungen der Wis-
senschaften bekannt gemacht. Man suche nachdem hierinne
durch die Lektüre periodischer und anderer neuer Schriften
über die schon bekannten Gegenstände, auch für sich fortzu-
schreiten.

§ 569.

5) Man hört die Beurtheilung fremder Ideen weitläu-
figer und deutlicher, als man sie in Schriften findet. Diese
Urtheile benutze man, nicht, um ihre Resultate dem Gedächt-
nisse einzuprägen, sondern als Muster zu gründlicher Unter-
suchung vorgetragener Meynungen, als Leitfaden zur Erfor-
schung der Wahrheit. Man nehme daher auch keinen Satz
des Lehrers, welcher nicht unmittelbar auf einer ausge-
machten Thatsache beruht, unbezweifelt an, sondern man
forsche mit eigenen Kräften nach dessen Wahrheit, und übe
sich ferner in dieser Beurtheilung durch eine geordnete Lek-
türe anderer Schriften, an welcher die Urtheilskraft den
meisten Antheil nimmt. Demungeachtet unterdrücke man
das Mißtrauen gegen seine Kräfte nicht ganz, und verscherze
nicht die größte Zierde des Gelehrten, die Bescheidenheit.

§ 570.

6) Endlich besteht ein wichtiger Vortheil des öffentli-
chen Unterrichtes darinne, daß man dabey täglich ein gewis-

ses

Bildung des Arztes.
(Handbuͤcher), oder ſie ſind fuͤr eine groͤßere Klaſſe des Pu-
blikums, alſo auch fuͤr die, welche mit den Wiſſenſ[ch]aften
ſchon bekannt ſind, beſtimmt, und daher weniger deutlich.
Man vergeſſe daher nicht bey dem Nachſchreiben den Faden
des Vortrags zu behalten, man vernachlaͤſſige uͤber dem
Auffaſſen des Einzelnen nicht das Ganze in ſeinem Zuſam-
menhange.

§ 568.

4. Man wird mit den neuſten Bereicherungen der Wiſ-
ſenſchaften bekannt gemacht. Man ſuche nachdem hierinne
durch die Lektuͤre periodiſcher und anderer neuer Schriften
uͤber die ſchon bekannten Gegenſtaͤnde, auch fuͤr ſich fortzu-
ſchreiten.

§ 569.

5) Man hoͤrt die Beurtheilung fremder Ideen weitlaͤu-
figer und deutlicher, als man ſie in Schriften findet. Dieſe
Urtheile benutze man, nicht, um ihre Reſultate dem Gedaͤcht-
niſſe einzupraͤgen, ſondern als Muſter zu gruͤndlicher Unter-
ſuchung vorgetragener Meynungen, als Leitfaden zur Erfor-
ſchung der Wahrheit. Man nehme daher auch keinen Satz
des Lehrers, welcher nicht unmittelbar auf einer ausge-
machten Thatſache beruht, unbezweifelt an, ſondern man
forſche mit eigenen Kraͤften nach deſſen Wahrheit, und uͤbe
ſich ferner in dieſer Beurtheilung durch eine geordnete Lek-
tuͤre anderer Schriften, an welcher die Urtheilskraft den
meiſten Antheil nimmt. Demungeachtet unterdruͤcke man
das Mißtrauen gegen ſeine Kraͤfte nicht ganz, und verſcherze
nicht die groͤßte Zierde des Gelehrten, die Beſcheidenheit.

§ 570.

6) Endlich beſteht ein wichtiger Vortheil des oͤffentli-
chen Unterrichtes darinne, daß man dabey taͤglich ein gewiſ-

ſes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <div n="6">
                <p><pb facs="#f0193" n="175"/><fw place="top" type="header">Bildung des Arztes.</fw><lb/>
(Handbu&#x0364;cher), oder &#x017F;ie &#x017F;ind fu&#x0364;r eine gro&#x0364;ßere Kla&#x017F;&#x017F;e des Pu-<lb/>
blikums, al&#x017F;o auch fu&#x0364;r die, welche mit den Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;<supplied>ch</supplied>aften<lb/>
&#x017F;chon bekannt &#x017F;ind, be&#x017F;timmt, und daher weniger deutlich.<lb/>
Man verge&#x017F;&#x017F;e daher nicht bey dem Nach&#x017F;chreiben den Faden<lb/>
des Vortrags zu behalten, man vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige u&#x0364;ber dem<lb/>
Auffa&#x017F;&#x017F;en des Einzelnen nicht das Ganze in &#x017F;einem Zu&#x017F;am-<lb/>
menhange.</p>
              </div><lb/>
              <div n="6">
                <head>§ 568.</head><lb/>
                <p>4. Man wird mit den neu&#x017F;ten Bereicherungen der Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaften bekannt gemacht. Man &#x017F;uche nachdem hierinne<lb/>
durch die Lektu&#x0364;re periodi&#x017F;cher und anderer neuer Schriften<lb/>
u&#x0364;ber die &#x017F;chon bekannten Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, auch fu&#x0364;r &#x017F;ich fortzu-<lb/>
&#x017F;chreiten.</p>
              </div><lb/>
              <div n="6">
                <head>§ 569.</head><lb/>
                <p>5) Man ho&#x0364;rt die Beurtheilung fremder Ideen weitla&#x0364;u-<lb/>
figer und deutlicher, als man &#x017F;ie in Schriften findet. Die&#x017F;e<lb/>
Urtheile benutze man, nicht, um ihre Re&#x017F;ultate dem Geda&#x0364;cht-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e einzupra&#x0364;gen, &#x017F;ondern als Mu&#x017F;ter zu gru&#x0364;ndlicher Unter-<lb/>
&#x017F;uchung vorgetragener Meynungen, als Leitfaden zur Erfor-<lb/>
&#x017F;chung der Wahrheit. Man nehme daher auch keinen Satz<lb/>
des Lehrers, welcher nicht unmittelbar auf einer ausge-<lb/>
machten That&#x017F;ache beruht, unbezweifelt an, &#x017F;ondern man<lb/>
for&#x017F;che mit eigenen Kra&#x0364;ften nach de&#x017F;&#x017F;en Wahrheit, und u&#x0364;be<lb/>
&#x017F;ich ferner in die&#x017F;er Beurtheilung durch eine geordnete Lek-<lb/>
tu&#x0364;re anderer Schriften, an welcher die Urtheilskraft den<lb/>
mei&#x017F;ten Antheil nimmt. Demungeachtet unterdru&#x0364;cke man<lb/>
das Mißtrauen gegen &#x017F;eine Kra&#x0364;fte nicht ganz, und ver&#x017F;cherze<lb/>
nicht die gro&#x0364;ßte Zierde des Gelehrten, die Be&#x017F;cheidenheit.</p>
              </div><lb/>
              <div n="6">
                <head>§ 570.</head><lb/>
                <p>6) Endlich be&#x017F;teht ein wichtiger Vortheil des o&#x0364;ffentli-<lb/>
chen Unterrichtes darinne, daß man dabey ta&#x0364;glich ein gewi&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;es</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0193] Bildung des Arztes. (Handbuͤcher), oder ſie ſind fuͤr eine groͤßere Klaſſe des Pu- blikums, alſo auch fuͤr die, welche mit den Wiſſenſchaften ſchon bekannt ſind, beſtimmt, und daher weniger deutlich. Man vergeſſe daher nicht bey dem Nachſchreiben den Faden des Vortrags zu behalten, man vernachlaͤſſige uͤber dem Auffaſſen des Einzelnen nicht das Ganze in ſeinem Zuſam- menhange. § 568. 4. Man wird mit den neuſten Bereicherungen der Wiſ- ſenſchaften bekannt gemacht. Man ſuche nachdem hierinne durch die Lektuͤre periodiſcher und anderer neuer Schriften uͤber die ſchon bekannten Gegenſtaͤnde, auch fuͤr ſich fortzu- ſchreiten. § 569. 5) Man hoͤrt die Beurtheilung fremder Ideen weitlaͤu- figer und deutlicher, als man ſie in Schriften findet. Dieſe Urtheile benutze man, nicht, um ihre Reſultate dem Gedaͤcht- niſſe einzupraͤgen, ſondern als Muſter zu gruͤndlicher Unter- ſuchung vorgetragener Meynungen, als Leitfaden zur Erfor- ſchung der Wahrheit. Man nehme daher auch keinen Satz des Lehrers, welcher nicht unmittelbar auf einer ausge- machten Thatſache beruht, unbezweifelt an, ſondern man forſche mit eigenen Kraͤften nach deſſen Wahrheit, und uͤbe ſich ferner in dieſer Beurtheilung durch eine geordnete Lek- tuͤre anderer Schriften, an welcher die Urtheilskraft den meiſten Antheil nimmt. Demungeachtet unterdruͤcke man das Mißtrauen gegen ſeine Kraͤfte nicht ganz, und verſcherze nicht die groͤßte Zierde des Gelehrten, die Beſcheidenheit. § 570. 6) Endlich beſteht ein wichtiger Vortheil des oͤffentli- chen Unterrichtes darinne, daß man dabey taͤglich ein gewiſ- ſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/193
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/193>, abgerufen am 28.03.2024.