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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Bildung des Arztes.
§ 760.

Man sieht also, daß die (§ 732) angegebenen vier
Zwecke durch gleiche Mittel erreicht werden, denn sie sind 1)
Studium medicinischer Werke, 2) Beobachtung großer Aerz-
te bey Ausübung ihrer Kunst, 3) eigne Uebung.

§ 761.

1) Das Studium der medicinischen Werke
ist ein höchst nothwendiges Hülfsmittel, um etwas in der
Heilkunst zu leisten, weil man dadurch mit den Erfahrungen
bekannt gemacht wird, welche die Aerzte seit vielen Jahr-
hunderten angestellt haben. Und obschon es ungereimt und
von den verderblichsten Folgen für die Kunst ist, die Werke
der alten Aerzte Quellen der Heilkunst zu nennen, so enthalten
sie doch, so wie die der spätern Schriftsteller, einen Schatz
von Kenntnissen und Beobachtungen, wodurch die Bearbei-
tung der Heilkunst unsrem Zeitalter um ein Beträchtliches
erleichtert wird.

§ 762.

Aber man hüte sich vor der Lectüre der Werke, deren
Verfasser aus Mangel an Genie, oder an Kenntnissen nur
oberflächlich beurtheilt haben. Diese Oberflächlichkeit und
Seichtigkeit geht leicht in den Leser selbst über, und diese Lek-
türe stiftet dadurch den größten Nachtheil, wenigstens ist sie
immer Zeitverschwendung.

§ 763.

Ferner darf der angehende Arzt die Werke derjenigen
nicht lesen, welche tiefer und gründlicher zu beobachten
meynten, aber aus Vorurtheilen falsche Erfahrungen mach-
ten, und ihrer Theorie zu vielen Einfluß (einigen Einfluß
finden wir überall) auf ihre Ansicht der Krankheiten gestat-

ten
Bildung des Arztes.
§ 760.

Man ſieht alſo, daß die (§ 732) angegebenen vier
Zwecke durch gleiche Mittel erreicht werden, denn ſie ſind 1)
Studium mediciniſcher Werke, 2) Beobachtung großer Aerz-
te bey Ausuͤbung ihrer Kunſt, 3) eigne Uebung.

§ 761.

1) Das Studium der mediciniſchen Werke
iſt ein hoͤchſt nothwendiges Huͤlfsmittel, um etwas in der
Heilkunſt zu leiſten, weil man dadurch mit den Erfahrungen
bekannt gemacht wird, welche die Aerzte ſeit vielen Jahr-
hunderten angeſtellt haben. Und obſchon es ungereimt und
von den verderblichſten Folgen fuͤr die Kunſt iſt, die Werke
der alten Aerzte Quellen der Heilkunſt zu nennen, ſo enthalten
ſie doch, ſo wie die der ſpaͤtern Schriftſteller, einen Schatz
von Kenntniſſen und Beobachtungen, wodurch die Bearbei-
tung der Heilkunſt unſrem Zeitalter um ein Betraͤchtliches
erleichtert wird.

§ 762.

Aber man huͤte ſich vor der Lectuͤre der Werke, deren
Verfaſſer aus Mangel an Genie, oder an Kenntniſſen nur
oberflaͤchlich beurtheilt haben. Dieſe Oberflaͤchlichkeit und
Seichtigkeit geht leicht in den Leſer ſelbſt uͤber, und dieſe Lek-
tuͤre ſtiftet dadurch den groͤßten Nachtheil, wenigſtens iſt ſie
immer Zeitverſchwendung.

§ 763.

Ferner darf der angehende Arzt die Werke derjenigen
nicht leſen, welche tiefer und gruͤndlicher zu beobachten
meynten, aber aus Vorurtheilen falſche Erfahrungen mach-
ten, und ihrer Theorie zu vielen Einfluß (einigen Einfluß
finden wir uͤberall) auf ihre Anſicht der Krankheiten geſtat-

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[239/0257] Bildung des Arztes. § 760. Man ſieht alſo, daß die (§ 732) angegebenen vier Zwecke durch gleiche Mittel erreicht werden, denn ſie ſind 1) Studium mediciniſcher Werke, 2) Beobachtung großer Aerz- te bey Ausuͤbung ihrer Kunſt, 3) eigne Uebung. § 761. 1) Das Studium der mediciniſchen Werke iſt ein hoͤchſt nothwendiges Huͤlfsmittel, um etwas in der Heilkunſt zu leiſten, weil man dadurch mit den Erfahrungen bekannt gemacht wird, welche die Aerzte ſeit vielen Jahr- hunderten angeſtellt haben. Und obſchon es ungereimt und von den verderblichſten Folgen fuͤr die Kunſt iſt, die Werke der alten Aerzte Quellen der Heilkunſt zu nennen, ſo enthalten ſie doch, ſo wie die der ſpaͤtern Schriftſteller, einen Schatz von Kenntniſſen und Beobachtungen, wodurch die Bearbei- tung der Heilkunſt unſrem Zeitalter um ein Betraͤchtliches erleichtert wird. § 762. Aber man huͤte ſich vor der Lectuͤre der Werke, deren Verfaſſer aus Mangel an Genie, oder an Kenntniſſen nur oberflaͤchlich beurtheilt haben. Dieſe Oberflaͤchlichkeit und Seichtigkeit geht leicht in den Leſer ſelbſt uͤber, und dieſe Lek- tuͤre ſtiftet dadurch den groͤßten Nachtheil, wenigſtens iſt ſie immer Zeitverſchwendung. § 763. Ferner darf der angehende Arzt die Werke derjenigen nicht leſen, welche tiefer und gruͤndlicher zu beobachten meynten, aber aus Vorurtheilen falſche Erfahrungen mach- ten, und ihrer Theorie zu vielen Einfluß (einigen Einfluß finden wir uͤberall) auf ihre Anſicht der Krankheiten geſtat- ten

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/257>, abgerufen am 29.03.2024.