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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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werden, wie wichtig die Verschiedenheit ist, welche wir
früherhin bemerklich gemacht haben, wo von der Art und
Weise die Rede war, wie überhaupt die Idee dazu gelange,
als ein Mannichfaltiges, als ein Organismus, sich darzu¬
leben. Es wurde nämlich damals schon nachgewiesen, daß
eine zweifache Richtung in diesem Walten unverkennbar sei:
erstens das Bestreben die einfachste -- die Urgestaltung --
die Monas aller Bildung -- die bläschenförmige mikrosko¬
pische Hohlkugel -- unzähligemal immer zu wiederholen --
sich unzähligemal immer wieder selbst zu setzen als Einheit,
und dadurch eine unbestimmbare Zahl von Einheiten dar¬
zubilden, oder, wie man es auch ausdrücken kann, eine
möglichst große Vielheit der Erscheinung zu schaffen; und
zweitens das Bestreben, durch alle diese Mannichfaltigkeit
hindurch, das höhere Bild einer Gesammtheit festzuhalten
und an dieser Mannichfaltigkeit eine Totalität darzustellen.
Ich sagte nun die Beachtung dieser zweifachen Verschieden¬
heit sei wichtig, dieweil in ihr der Grund davon zu suchen,
daß die Gesammtheit aller sich im Bereiche unserer Erkennt¬
niß entwickelnden Organismen entweder durch das Vor¬
herrschen der einen oder der andern Richtung bestimmt
werde. Von dem einen dunkeln Reiche jener sonderbaren
einfachsten Geschöpfe, welche ich als die Indifferenzregion
zwischen dem Reiche der Wanzen und dem Reiche der Thiere
-- mit dem Namen der Protorganismen bezeichnet habe,
und deren Gebilde eben selbst nichts als Monaden, als
einfache oft nur verschiedenartig gegliederte und geformte
Zellen sind, weichen jene zwei entgegengesetzten Strahlungen
ganz nach den oberwähnten beiden Gegensätzen aus einander.
Das Pflanzenreich beruht durch und durch, wie in
jeder einzelnen Pflanze, so auch in der Mannichfaltigkeit
seiner Gestalten wesentlich auf endloser Wiederholung einer
Grundform, es ist durch und durch Zellenbau, sich ins
Unendliche fort wiederholend, und deßhalb aus jeder ein¬
zelnen Zelle immer wieder möglicherweise das Ganze her¬

werden, wie wichtig die Verſchiedenheit iſt, welche wir
früherhin bemerklich gemacht haben, wo von der Art und
Weiſe die Rede war, wie überhaupt die Idee dazu gelange,
als ein Mannichfaltiges, als ein Organismus, ſich darzu¬
leben. Es wurde nämlich damals ſchon nachgewieſen, daß
eine zweifache Richtung in dieſem Walten unverkennbar ſei:
erſtens das Beſtreben die einfachſte — die Urgeſtaltung —
die Monas aller Bildung — die bläschenförmige mikroſko¬
piſche Hohlkugel — unzähligemal immer zu wiederholen —
ſich unzähligemal immer wieder ſelbſt zu ſetzen als Einheit,
und dadurch eine unbeſtimmbare Zahl von Einheiten dar¬
zubilden, oder, wie man es auch ausdrücken kann, eine
möglichſt große Vielheit der Erſcheinung zu ſchaffen; und
zweitens das Beſtreben, durch alle dieſe Mannichfaltigkeit
hindurch, das höhere Bild einer Geſammtheit feſtzuhalten
und an dieſer Mannichfaltigkeit eine Totalität darzuſtellen.
Ich ſagte nun die Beachtung dieſer zweifachen Verſchieden¬
heit ſei wichtig, dieweil in ihr der Grund davon zu ſuchen,
daß die Geſammtheit aller ſich im Bereiche unſerer Erkennt¬
niß entwickelnden Organismen entweder durch das Vor¬
herrſchen der einen oder der andern Richtung beſtimmt
werde. Von dem einen dunkeln Reiche jener ſonderbaren
einfachſten Geſchöpfe, welche ich als die Indifferenzregion
zwiſchen dem Reiche der Wanzen und dem Reiche der Thiere
— mit dem Namen der Protorganismen bezeichnet habe,
und deren Gebilde eben ſelbſt nichts als Monaden, als
einfache oft nur verſchiedenartig gegliederte und geformte
Zellen ſind, weichen jene zwei entgegengeſetzten Strahlungen
ganz nach den oberwähnten beiden Gegenſätzen aus einander.
Das Pflanzenreich beruht durch und durch, wie in
jeder einzelnen Pflanze, ſo auch in der Mannichfaltigkeit
ſeiner Geſtalten weſentlich auf endloſer Wiederholung einer
Grundform, es iſt durch und durch Zellenbau, ſich ins
Unendliche fort wiederholend, und deßhalb aus jeder ein¬
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[112/0128] werden, wie wichtig die Verſchiedenheit iſt, welche wir früherhin bemerklich gemacht haben, wo von der Art und Weiſe die Rede war, wie überhaupt die Idee dazu gelange, als ein Mannichfaltiges, als ein Organismus, ſich darzu¬ leben. Es wurde nämlich damals ſchon nachgewieſen, daß eine zweifache Richtung in dieſem Walten unverkennbar ſei: erſtens das Beſtreben die einfachſte — die Urgeſtaltung — die Monas aller Bildung — die bläschenförmige mikroſko¬ piſche Hohlkugel — unzähligemal immer zu wiederholen — ſich unzähligemal immer wieder ſelbſt zu ſetzen als Einheit, und dadurch eine unbeſtimmbare Zahl von Einheiten dar¬ zubilden, oder, wie man es auch ausdrücken kann, eine möglichſt große Vielheit der Erſcheinung zu ſchaffen; und zweitens das Beſtreben, durch alle dieſe Mannichfaltigkeit hindurch, das höhere Bild einer Geſammtheit feſtzuhalten und an dieſer Mannichfaltigkeit eine Totalität darzuſtellen. Ich ſagte nun die Beachtung dieſer zweifachen Verſchieden¬ heit ſei wichtig, dieweil in ihr der Grund davon zu ſuchen, daß die Geſammtheit aller ſich im Bereiche unſerer Erkennt¬ niß entwickelnden Organismen entweder durch das Vor¬ herrſchen der einen oder der andern Richtung beſtimmt werde. Von dem einen dunkeln Reiche jener ſonderbaren einfachſten Geſchöpfe, welche ich als die Indifferenzregion zwiſchen dem Reiche der Wanzen und dem Reiche der Thiere — mit dem Namen der Protorganismen bezeichnet habe, und deren Gebilde eben ſelbſt nichts als Monaden, als einfache oft nur verſchiedenartig gegliederte und geformte Zellen ſind, weichen jene zwei entgegengeſetzten Strahlungen ganz nach den oberwähnten beiden Gegenſätzen aus einander. Das Pflanzenreich beruht durch und durch, wie in jeder einzelnen Pflanze, ſo auch in der Mannichfaltigkeit ſeiner Geſtalten weſentlich auf endloſer Wiederholung einer Grundform, es iſt durch und durch Zellenbau, ſich ins Unendliche fort wiederholend, und deßhalb aus jeder ein¬ zelnen Zelle immer wieder möglicherweiſe das Ganze her¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/128>, abgerufen am 23.04.2024.