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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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27. Es besteht aber auch ein Gesammtgefecht aus
einzelnen auf einander folgenden Gefechten.

28. Alle einzelnen Gefechte nennen wir Theilgefechte
und das Ganze Gesammtgefecht; den Begriff des Gesammt-
gefechts aber knüpfen wir an die Bedingung des persön-
lichen Befehls, so daß nur Dasjenige zu einem Gefechte
gehört was von einem Willen geleitet wird. (Bei Kor-
donstellungen können die Grenzen nie bestimmt werden.)

29. Was hier von der Theorie des Gefechts gesagt
wird soll sich sowohl auf das Gesammtgefecht als auf die
Theilgefechte beziehen.

Prinzip des Gefechts.

30. Jeder Kampf ist eine Äußerung der Feindschaft
die instinktmäßig in denselben übergeht.

31. Dieser Instinkt zum Anfall und zur Vernichtung
seines Feindes ist das eigentliche Element des Krieges.

32. Auch beim rohesten Menschen bleibt dieser Feind-
schaftstrieb nicht bloßer Instinkt; der überlegende Verstand
tritt hinzu und es wird aus dem unabsichtlichen Instinkt
eine Handlung der Absicht.

33. Auf diese Weise werden die Gemüthskräfte dem
Verstande untergeordnet.

34. Niemals aber kann man sie als ganz eliminirt
betrachten und die bloße Verstandesabsicht in ihre Stelle
setzen, denn wären sie wirklich in der Verstandesabsicht
ganz untergegangen, so würden sie sich im Kampf selbst
wieder entzünden.

35. Da unsere Kriege nicht Äußerungen der Feind-
schaft Einzelner gegen Einzelne sind, so scheint das Gefecht
aller eigentlichen Feindschaft zu entbehren und also ein rein
verstandesmäßiges Handeln zu sein.

27. Es beſteht aber auch ein Geſammtgefecht aus
einzelnen auf einander folgenden Gefechten.

28. Alle einzelnen Gefechte nennen wir Theilgefechte
und das Ganze Geſammtgefecht; den Begriff des Geſammt-
gefechts aber knuͤpfen wir an die Bedingung des perſoͤn-
lichen Befehls, ſo daß nur Dasjenige zu einem Gefechte
gehoͤrt was von einem Willen geleitet wird. (Bei Kor-
donſtellungen koͤnnen die Grenzen nie beſtimmt werden.)

29. Was hier von der Theorie des Gefechts geſagt
wird ſoll ſich ſowohl auf das Geſammtgefecht als auf die
Theilgefechte beziehen.

Prinzip des Gefechts.

30. Jeder Kampf iſt eine Äußerung der Feindſchaft
die inſtinktmaͤßig in denſelben uͤbergeht.

31. Dieſer Inſtinkt zum Anfall und zur Vernichtung
ſeines Feindes iſt das eigentliche Element des Krieges.

32. Auch beim roheſten Menſchen bleibt dieſer Feind-
ſchaftstrieb nicht bloßer Inſtinkt; der uͤberlegende Verſtand
tritt hinzu und es wird aus dem unabſichtlichen Inſtinkt
eine Handlung der Abſicht.

33. Auf dieſe Weiſe werden die Gemuͤthskraͤfte dem
Verſtande untergeordnet.

34. Niemals aber kann man ſie als ganz eliminirt
betrachten und die bloße Verſtandesabſicht in ihre Stelle
ſetzen, denn waͤren ſie wirklich in der Verſtandesabſicht
ganz untergegangen, ſo wuͤrden ſie ſich im Kampf ſelbſt
wieder entzuͤnden.

35. Da unſere Kriege nicht Äußerungen der Feind-
ſchaft Einzelner gegen Einzelne ſind, ſo ſcheint das Gefecht
aller eigentlichen Feindſchaft zu entbehren und alſo ein rein
verſtandesmaͤßiges Handeln zu ſein.

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[286/0300] 27. Es beſteht aber auch ein Geſammtgefecht aus einzelnen auf einander folgenden Gefechten. 28. Alle einzelnen Gefechte nennen wir Theilgefechte und das Ganze Geſammtgefecht; den Begriff des Geſammt- gefechts aber knuͤpfen wir an die Bedingung des perſoͤn- lichen Befehls, ſo daß nur Dasjenige zu einem Gefechte gehoͤrt was von einem Willen geleitet wird. (Bei Kor- donſtellungen koͤnnen die Grenzen nie beſtimmt werden.) 29. Was hier von der Theorie des Gefechts geſagt wird ſoll ſich ſowohl auf das Geſammtgefecht als auf die Theilgefechte beziehen. Prinzip des Gefechts. 30. Jeder Kampf iſt eine Äußerung der Feindſchaft die inſtinktmaͤßig in denſelben uͤbergeht. 31. Dieſer Inſtinkt zum Anfall und zur Vernichtung ſeines Feindes iſt das eigentliche Element des Krieges. 32. Auch beim roheſten Menſchen bleibt dieſer Feind- ſchaftstrieb nicht bloßer Inſtinkt; der uͤberlegende Verſtand tritt hinzu und es wird aus dem unabſichtlichen Inſtinkt eine Handlung der Abſicht. 33. Auf dieſe Weiſe werden die Gemuͤthskraͤfte dem Verſtande untergeordnet. 34. Niemals aber kann man ſie als ganz eliminirt betrachten und die bloße Verſtandesabſicht in ihre Stelle ſetzen, denn waͤren ſie wirklich in der Verſtandesabſicht ganz untergegangen, ſo wuͤrden ſie ſich im Kampf ſelbſt wieder entzuͤnden. 35. Da unſere Kriege nicht Äußerungen der Feind- ſchaft Einzelner gegen Einzelne ſind, ſo ſcheint das Gefecht aller eigentlichen Feindſchaft zu entbehren und alſo ein rein verſtandesmaͤßiges Handeln zu ſein.

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/300>, abgerufen am 28.03.2024.