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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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XI.

Und wie der einsame Mensch durch die kühle,
windige Frühlingsnacht weiterschritt, fand er Zeit,
Gelegenheit und allmählich auch immermehr wachsende
Stimmung, noch Näheres wie Ferneres mit sich und zu
sich zu sprechen. Zunächst ging der Herr Doctor aller-
dings eine kleine Weile sehr gedankenlos fürbaß. Er be-
schäftigte sich, unter dem Drucke einer einförmigen Mü-
digkeit leidend, unwillkürlich mit allerhand sehr äußer-
lichen Dingen. Er betrachtete ohne Theilnahme den
leicht überwölkten Himmel; sein Auge nahm gleich-
gültig von den paar Sternen Notiz, die da und dort
schläfrig, mattblinzelnd auf die Erde herunterguckten;
der Menschen, die ab und zu, bald schneller, bald
langsamer, an ihm vorüberstapften, achtete er nur
mechanisch, er sann ihnen nichts nach, spann ihnen nichts
zu, vermuthete und verglich, verknüpfte nicht, wie es wohl
sonst seine Gewohnheit war; die unklare, verworrene
Welt der nächtigen Schatten, die sich durch spär-
liches Gaslicht compromittiren lassen mußten, reizte
ihn nicht -- es war zunächst eine große Leere,
Stumpfheit und Gleichgültigkeit in ihm. Dann
fiel ihm Dieses und Jenes ein, was er vorhin ..

XI.

Und wie der einſame Menſch durch die kühle,
windige Frühlingsnacht weiterſchritt, fand er Zeit,
Gelegenheit und allmählich auch immermehr wachſende
Stimmung, noch Näheres wie Ferneres mit ſich und zu
ſich zu ſprechen. Zunächſt ging der Herr Doctor aller-
dings eine kleine Weile ſehr gedankenlos fürbaß. Er be-
ſchäftigte ſich, unter dem Drucke einer einförmigen Mü-
digkeit leidend, unwillkürlich mit allerhand ſehr äußer-
lichen Dingen. Er betrachtete ohne Theilnahme den
leicht überwölkten Himmel; ſein Auge nahm gleich-
gültig von den paar Sternen Notiz, die da und dort
ſchläfrig, mattblinzelnd auf die Erde herunterguckten;
der Menſchen, die ab und zu, bald ſchneller, bald
langſamer, an ihm vorüberſtapften, achtete er nur
mechaniſch, er ſann ihnen nichts nach, ſpann ihnen nichts
zu, vermuthete und verglich, verknüpfte nicht, wie es wohl
ſonſt ſeine Gewohnheit war; die unklare, verworrene
Welt der nächtigen Schatten, die ſich durch ſpär-
liches Gaslicht compromittiren laſſen mußten, reizte
ihn nicht — es war zunächſt eine große Leere,
Stumpfheit und Gleichgültigkeit in ihm. Dann
fiel ihm Dieſes und Jenes ein, was er vorhin ..

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[[159]/0167] XI. Und wie der einſame Menſch durch die kühle, windige Frühlingsnacht weiterſchritt, fand er Zeit, Gelegenheit und allmählich auch immermehr wachſende Stimmung, noch Näheres wie Ferneres mit ſich und zu ſich zu ſprechen. Zunächſt ging der Herr Doctor aller- dings eine kleine Weile ſehr gedankenlos fürbaß. Er be- ſchäftigte ſich, unter dem Drucke einer einförmigen Mü- digkeit leidend, unwillkürlich mit allerhand ſehr äußer- lichen Dingen. Er betrachtete ohne Theilnahme den leicht überwölkten Himmel; ſein Auge nahm gleich- gültig von den paar Sternen Notiz, die da und dort ſchläfrig, mattblinzelnd auf die Erde herunterguckten; der Menſchen, die ab und zu, bald ſchneller, bald langſamer, an ihm vorüberſtapften, achtete er nur mechaniſch, er ſann ihnen nichts nach, ſpann ihnen nichts zu, vermuthete und verglich, verknüpfte nicht, wie es wohl ſonſt ſeine Gewohnheit war; die unklare, verworrene Welt der nächtigen Schatten, die ſich durch ſpär- liches Gaslicht compromittiren laſſen mußten, reizte ihn nicht — es war zunächſt eine große Leere, Stumpfheit und Gleichgültigkeit in ihm. Dann fiel ihm Dieſes und Jenes ein, was er vorhin ..

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. [159]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/167>, abgerufen am 18.04.2024.