Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite
IV.

Gestern um die Mittagsstunde, als Adam eben
zum Speisen gehen wollte, war er mitten auf dem
Marktplatze Herrn Traugott Quöck in die Arme ge-
laufen. Sapristi! hatte sich dieser Mensch doch ge-
freut! Adam hätte es gar nicht für möglich gehalten.
Er war beinahe ganz entsetzt gewesen über diese
Freudensprünge und Hühnerhundscapriolen. Hatte
er dem Manne denn jemals Gelegenheit gegeben,
ihn für einen approbirten "Freund" von sich, wenig-
stens für einen "Freund seines Hauses," zu halten --?
Ih bewahre! Keine Spur! Es giebt Leute, die
aus ehrbarer menschlicher Lebenslangeweile immer
guter Dinge, immer in der besten, weltfreundlichsten
Laune sind. Traugott Quöck gehörte nicht ganz
zu diesen Stoikern des Optimismus, aber doch sehr
theilweise. Er war halb und halb mit der Coupon-
scheere auf die Welt gekommen. Das giebt gewiß
ein ganz nettes und bequemes Rundreisebillet durch's
"menschliche Leben" ab. Traugott Quöck sen. war in einer
sächsischen Provinzialstadt Tuchmacher gewesen, hatte es
aber in den letzten Jahren seines gesegneten Erden-
wallens fertig gekriegt, sich zum "Fabrikanten" umzu-

IV.

Geſtern um die Mittagsſtunde, als Adam eben
zum Speiſen gehen wollte, war er mitten auf dem
Marktplatze Herrn Traugott Quöck in die Arme ge-
laufen. Sapriſti! hatte ſich dieſer Menſch doch ge-
freut! Adam hätte es gar nicht für möglich gehalten.
Er war beinahe ganz entſetzt geweſen über dieſe
Freudenſprünge und Hühnerhundscapriolen. Hatte
er dem Manne denn jemals Gelegenheit gegeben,
ihn für einen approbirten „Freund“ von ſich, wenig-
ſtens für einen „Freund ſeines Hauſes,“ zu halten —?
Ih bewahre! Keine Spur! Es giebt Leute, die
aus ehrbarer menſchlicher Lebenslangeweile immer
guter Dinge, immer in der beſten, weltfreundlichſten
Laune ſind. Traugott Quöck gehörte nicht ganz
zu dieſen Stoikern des Optimismus, aber doch ſehr
theilweiſe. Er war halb und halb mit der Coupon-
ſcheere auf die Welt gekommen. Das giebt gewiß
ein ganz nettes und bequemes Rundreiſebillet durch's
„menſchliche Leben“ ab. Traugott Quöck sen. war in einer
ſächſiſchen Provinzialſtadt Tuchmacher geweſen, hatte es
aber in den letzten Jahren ſeines geſegneten Erden-
wallens fertig gekriegt, ſich zum „Fabrikanten“ umzu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0039" n="[31]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">IV.</hi> </hi> </head><lb/>
        <p>Ge&#x017F;tern um die Mittags&#x017F;tunde, als Adam eben<lb/>
zum Spei&#x017F;en gehen wollte, war er mitten auf dem<lb/>
Marktplatze Herrn Traugott Quöck in die Arme ge-<lb/>
laufen. Sapri&#x017F;ti! hatte &#x017F;ich die&#x017F;er Men&#x017F;ch doch ge-<lb/>
freut! Adam hätte es gar nicht für möglich gehalten.<lb/>
Er war beinahe ganz ent&#x017F;etzt gewe&#x017F;en über die&#x017F;e<lb/>
Freuden&#x017F;prünge und Hühnerhundscapriolen. Hatte<lb/>
er dem Manne denn jemals Gelegenheit gegeben,<lb/>
ihn für einen approbirten &#x201E;Freund&#x201C; von &#x017F;ich, wenig-<lb/>
&#x017F;tens für einen &#x201E;Freund &#x017F;eines Hau&#x017F;es,&#x201C; zu halten &#x2014;?<lb/>
Ih bewahre! Keine Spur! Es giebt Leute, die<lb/>
aus ehrbarer men&#x017F;chlicher Lebenslangeweile immer<lb/>
guter Dinge, immer in der be&#x017F;ten, weltfreundlich&#x017F;ten<lb/>
Laune &#x017F;ind. Traugott Quöck gehörte nicht ganz<lb/>
zu die&#x017F;en Stoikern des Optimismus, aber doch &#x017F;ehr<lb/>
theilwei&#x017F;e. Er war halb und halb mit der Coupon-<lb/>
&#x017F;cheere auf die Welt gekommen. Das giebt gewiß<lb/>
ein ganz nettes und bequemes Rundrei&#x017F;ebillet durch's<lb/>
&#x201E;men&#x017F;chliche Leben&#x201C; ab. Traugott Quöck <hi rendition="#aq">sen.</hi> war in einer<lb/>
&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen Provinzial&#x017F;tadt Tuchmacher gewe&#x017F;en, hatte es<lb/>
aber in den letzten Jahren &#x017F;eines ge&#x017F;egneten Erden-<lb/>
wallens fertig gekriegt, &#x017F;ich zum &#x201E;Fabrikanten&#x201C; umzu-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[31]/0039] IV. Geſtern um die Mittagsſtunde, als Adam eben zum Speiſen gehen wollte, war er mitten auf dem Marktplatze Herrn Traugott Quöck in die Arme ge- laufen. Sapriſti! hatte ſich dieſer Menſch doch ge- freut! Adam hätte es gar nicht für möglich gehalten. Er war beinahe ganz entſetzt geweſen über dieſe Freudenſprünge und Hühnerhundscapriolen. Hatte er dem Manne denn jemals Gelegenheit gegeben, ihn für einen approbirten „Freund“ von ſich, wenig- ſtens für einen „Freund ſeines Hauſes,“ zu halten —? Ih bewahre! Keine Spur! Es giebt Leute, die aus ehrbarer menſchlicher Lebenslangeweile immer guter Dinge, immer in der beſten, weltfreundlichſten Laune ſind. Traugott Quöck gehörte nicht ganz zu dieſen Stoikern des Optimismus, aber doch ſehr theilweiſe. Er war halb und halb mit der Coupon- ſcheere auf die Welt gekommen. Das giebt gewiß ein ganz nettes und bequemes Rundreiſebillet durch's „menſchliche Leben“ ab. Traugott Quöck sen. war in einer ſächſiſchen Provinzialſtadt Tuchmacher geweſen, hatte es aber in den letzten Jahren ſeines geſegneten Erden- wallens fertig gekriegt, ſich zum „Fabrikanten“ umzu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/39
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. [31]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/39>, abgerufen am 28.03.2024.