Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Unbesungenen.
'S giebt Gräber wo die Klage schweigt,
Und nur das Herz von innen blutet,
Kein Tropfen in die Wimper steigt,
Und doch die Lava drinnen fluthet;
'S giebt Gräber, die wie Wetternacht
An unserm Horizonte stehn
Und alles Leben niederhalten,
Und doch, wenn Abendroth erwacht,
Mit ihren goldnen Flügeln wehn
Wie milde Seraphimgestalten.
Zu heilig sind sie für das Lied,
Und mächtge Redner doch vor Allen,
Sie nennen dir was nimmer schied,
Was nie und nimmer kann zerfallen;
O, wenn dich Zweifel drückt herab,
Und möchtest athmen Aetherluft,
Und möchtest schauen Seraphsflügel,
Dann tritt an deines Vaters Grab!
Dann tritt an deines Bruders Gruft!
Dann tritt an deines Kindes Hügel!

Die Unbeſungenen.
'S giebt Gräber wo die Klage ſchweigt,
Und nur das Herz von innen blutet,
Kein Tropfen in die Wimper ſteigt,
Und doch die Lava drinnen fluthet;
'S giebt Gräber, die wie Wetternacht
An unſerm Horizonte ſtehn
Und alles Leben niederhalten,
Und doch, wenn Abendroth erwacht,
Mit ihren goldnen Flügeln wehn
Wie milde Seraphimgeſtalten.
Zu heilig ſind ſie für das Lied,
Und mächtge Redner doch vor Allen,
Sie nennen dir was nimmer ſchied,
Was nie und nimmer kann zerfallen;
O, wenn dich Zweifel drückt herab,
Und möchteſt athmen Aetherluft,
Und möchteſt ſchauen Seraphsflügel,
Dann tritt an deines Vaters Grab!
Dann tritt an deines Bruders Gruft!
Dann tritt an deines Kindes Hügel!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0212" n="198"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Unbe&#x017F;ungenen.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>'S giebt Gräber wo die Klage &#x017F;chweigt,</l><lb/>
              <l>Und nur das Herz von innen blutet,</l><lb/>
              <l>Kein Tropfen in die Wimper &#x017F;teigt,</l><lb/>
              <l>Und doch die Lava drinnen fluthet;</l><lb/>
              <l>'S giebt Gräber, die wie Wetternacht</l><lb/>
              <l>An un&#x017F;erm Horizonte &#x017F;tehn</l><lb/>
              <l>Und alles Leben niederhalten,</l><lb/>
              <l>Und doch, wenn Abendroth erwacht,</l><lb/>
              <l>Mit ihren goldnen Flügeln wehn</l><lb/>
              <l>Wie milde Seraphimge&#x017F;talten.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Zu heilig &#x017F;ind &#x017F;ie für das Lied,</l><lb/>
              <l>Und mächtge Redner doch vor Allen,</l><lb/>
              <l>Sie nennen dir was nimmer &#x017F;chied,</l><lb/>
              <l>Was nie und nimmer kann zerfallen;</l><lb/>
              <l>O, wenn dich Zweifel drückt herab,</l><lb/>
              <l>Und möchte&#x017F;t athmen Aetherluft,</l><lb/>
              <l>Und möchte&#x017F;t &#x017F;chauen Seraphsflügel,</l><lb/>
              <l>Dann tritt an deines Vaters Grab!</l><lb/>
              <l>Dann tritt an deines Bruders Gruft!</l><lb/>
              <l>Dann tritt an deines Kindes Hügel!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0212] Die Unbeſungenen. 'S giebt Gräber wo die Klage ſchweigt, Und nur das Herz von innen blutet, Kein Tropfen in die Wimper ſteigt, Und doch die Lava drinnen fluthet; 'S giebt Gräber, die wie Wetternacht An unſerm Horizonte ſtehn Und alles Leben niederhalten, Und doch, wenn Abendroth erwacht, Mit ihren goldnen Flügeln wehn Wie milde Seraphimgeſtalten. Zu heilig ſind ſie für das Lied, Und mächtge Redner doch vor Allen, Sie nennen dir was nimmer ſchied, Was nie und nimmer kann zerfallen; O, wenn dich Zweifel drückt herab, Und möchteſt athmen Aetherluft, Und möchteſt ſchauen Seraphsflügel, Dann tritt an deines Vaters Grab! Dann tritt an deines Bruders Gruft! Dann tritt an deines Kindes Hügel!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/212
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/212>, abgerufen am 28.03.2024.