Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Ringsum die Aeste wie im Schlaf
Streckt schwarz und wüst der weite Tann,
Ein Riesenheer in Zaubermacht
Für tausend Jahr und Eine Nacht.
Schwer war ihr Traum, da überall
Wie Schweiß sich aus den Poren stiehlt,
Man rauschen hört der Tropfen Fall,
Wenn nur ein Lüftchen, kaum gefühlt,
Um die beladnen Nadeln spielt.
Stickdunkel rings; war nicht so breit
Der Weg, mein Fant kam nimmer weit.
Doch nun er lustig trabt voran;
Zuweilen einer Lichtung Rund
Die kargen Schimmer läßt heran,
Vom goldbestreuten Himmelsgrund
Ein Stamm auch, nadellos und hohl,
Durchblitzen läßt ein Sternlein wohl.
Viel nutzt es nicht, und manchen Streich
Vorlieb muß unser Ritter nehmen
Von manchem derben Tannenzweig,
Und brauchte deß sich nicht zu schämen;
Die Ehre blieb, nur Wasser floß,
Daß es entlang den Koller goß;
Und ohne manchen guten Fluch,
Der ächt und kräftig mußte seyn,
Mein Tilly kam nicht aus dem Hain,
Er war erhitzt und grimm genug.
Denn sah er einmal einen Schein,
So war es wohl der Funke blos,
Der öfters ihm vom Auge schoß

Ringsum die Aeſte wie im Schlaf
Streckt ſchwarz und wüſt der weite Tann,
Ein Rieſenheer in Zaubermacht
Für tauſend Jahr und Eine Nacht.
Schwer war ihr Traum, da überall
Wie Schweiß ſich aus den Poren ſtiehlt,
Man rauſchen hört der Tropfen Fall,
Wenn nur ein Lüftchen, kaum gefühlt,
Um die beladnen Nadeln ſpielt.
Stickdunkel rings; war nicht ſo breit
Der Weg, mein Fant kam nimmer weit.
Doch nun er luſtig trabt voran;
Zuweilen einer Lichtung Rund
Die kargen Schimmer läßt heran,
Vom goldbeſtreuten Himmelsgrund
Ein Stamm auch, nadellos und hohl,
Durchblitzen läßt ein Sternlein wohl.
Viel nutzt es nicht, und manchen Streich
Vorlieb muß unſer Ritter nehmen
Von manchem derben Tannenzweig,
Und brauchte deß ſich nicht zu ſchämen;
Die Ehre blieb, nur Waſſer floß,
Daß es entlang den Koller goß;
Und ohne manchen guten Fluch,
Der ächt und kräftig mußte ſeyn,
Mein Tilly kam nicht aus dem Hain,
Er war erhitzt und grimm genug.
Denn ſah er einmal einen Schein,
So war es wohl der Funke blos,
Der öfters ihm vom Auge ſchoß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="5">
                <pb facs="#f0552" n="538"/>
                <l>Ringsum die Ae&#x017F;te wie im Schlaf</l><lb/>
                <l>Streckt &#x017F;chwarz und wü&#x017F;t der weite Tann,</l><lb/>
                <l>Ein Rie&#x017F;enheer in Zaubermacht</l><lb/>
                <l>Für tau&#x017F;end Jahr und Eine Nacht.</l><lb/>
                <l>Schwer war ihr Traum, da überall</l><lb/>
                <l>Wie Schweiß &#x017F;ich aus den Poren &#x017F;tiehlt,</l><lb/>
                <l>Man rau&#x017F;chen hört der Tropfen Fall,</l><lb/>
                <l>Wenn nur ein Lüftchen, kaum gefühlt,</l><lb/>
                <l>Um die beladnen Nadeln &#x017F;pielt.</l><lb/>
                <l>Stickdunkel rings; war nicht &#x017F;o breit</l><lb/>
                <l>Der Weg, mein Fant kam nimmer weit.</l><lb/>
                <l>Doch nun er lu&#x017F;tig trabt voran;</l><lb/>
                <l>Zuweilen einer Lichtung Rund</l><lb/>
                <l>Die kargen Schimmer läßt heran,</l><lb/>
                <l>Vom goldbe&#x017F;treuten Himmelsgrund</l><lb/>
                <l>Ein Stamm auch, nadellos und hohl,</l><lb/>
                <l>Durchblitzen läßt ein Sternlein wohl.</l><lb/>
                <l>Viel nutzt es nicht, und manchen Streich</l><lb/>
                <l>Vorlieb muß un&#x017F;er Ritter nehmen</l><lb/>
                <l>Von manchem derben Tannenzweig,</l><lb/>
                <l>Und brauchte deß &#x017F;ich nicht zu &#x017F;chämen;</l><lb/>
                <l>Die Ehre blieb, nur Wa&#x017F;&#x017F;er floß,</l><lb/>
                <l>Daß es entlang den Koller goß;</l><lb/>
                <l>Und ohne manchen guten Fluch,</l><lb/>
                <l>Der ächt und kräftig mußte &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>Mein Tilly kam nicht aus dem Hain,</l><lb/>
                <l>Er war erhitzt und grimm genug.</l><lb/>
                <l>Denn &#x017F;ah er einmal einen Schein,</l><lb/>
                <l>So war es wohl der Funke blos,</l><lb/>
                <l>Der öfters ihm vom Auge &#x017F;choß</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[538/0552] Ringsum die Aeſte wie im Schlaf Streckt ſchwarz und wüſt der weite Tann, Ein Rieſenheer in Zaubermacht Für tauſend Jahr und Eine Nacht. Schwer war ihr Traum, da überall Wie Schweiß ſich aus den Poren ſtiehlt, Man rauſchen hört der Tropfen Fall, Wenn nur ein Lüftchen, kaum gefühlt, Um die beladnen Nadeln ſpielt. Stickdunkel rings; war nicht ſo breit Der Weg, mein Fant kam nimmer weit. Doch nun er luſtig trabt voran; Zuweilen einer Lichtung Rund Die kargen Schimmer läßt heran, Vom goldbeſtreuten Himmelsgrund Ein Stamm auch, nadellos und hohl, Durchblitzen läßt ein Sternlein wohl. Viel nutzt es nicht, und manchen Streich Vorlieb muß unſer Ritter nehmen Von manchem derben Tannenzweig, Und brauchte deß ſich nicht zu ſchämen; Die Ehre blieb, nur Waſſer floß, Daß es entlang den Koller goß; Und ohne manchen guten Fluch, Der ächt und kräftig mußte ſeyn, Mein Tilly kam nicht aus dem Hain, Er war erhitzt und grimm genug. Denn ſah er einmal einen Schein, So war es wohl der Funke blos, Der öfters ihm vom Auge ſchoß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/552
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/552>, abgerufen am 24.04.2024.