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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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heutigen Verhältnissen mangelhafte Anordnung; die Phalanx wäre
nicht mehr Phalanx gewesen, wenn sie mit Reuterei, mit leichtem
Fußvolke, mit Thracischen Schleuderern zu kleineren Ganzen vereint
gekämpft hätte. Erst das Allgemeinerwerden des kleinen Krieges hat
es nöthig gemacht, daß die Theile des Heeres selbstständig und von
der Gesammtorganisation Wiederholungen im Kleinen sind; gegen
Feinde, wie die Völkermassen Asiens sind, die ohne Ordnung und
Uebung zu einem Hauptschlage zusammengerafft, mit einer Nieder-
lage Alles verloren geben, mit einem Siege über organisirte Trup-
pen nichts als erneute Gefahr gewinnen, gegen solche Feinde haben
gleichförmig geordnete, gediegene Massen den Vorzug der Einfachheit,
Massenwirkung und innerer Stätigkeit; und in denselben Gegenden,
wo Alexanders Phalanx Darius Heere übermannte, unterlagen sie-
ben Römische Legionen den ungestümen Angriffen der Parther.
Im Großen und Ganzen war Alexanders Heer zu solchen Haupt-
schlägen eingerichtet; seine Phalangen, seine schwere Reuterei waren
darum die Hauptmasse des Heeres.

Das Eigenthümliche der Phalanx bestand in der Bewaffnung
der Einzelnen und in ihrer Zusammenordnung. Sie waren schwer-
bewaffnet im Griechischen Sinne, gerüstet mit Helm, Harnisch und
einem Schilde, der den ganzen Leib deckte, ihre Hauptwaffe war
die Macedonische Sarissa, eine Lanze von mehr als zwanzig Fuß
Länge, und das kurze Griechische Schwert. Ganz bestimmt für
das Nahgefecht in Masse, mußten sie so geordnet sein, daß sie
einerseits den heftigsten Anlauf des Feindes ruhig erwarten, anderer-
seits die feindlichen Reihen mit einem Anlaufe zu durchbrechen sicher
sein konnten; darum standen sie in der Regel sechszehn Mann tief,
indem die Lanzen der ersten fünf Glieder über die Fronte hinaus-
ragten, dem gegen sie anstürmenden Feinde eine undurchdringliche,
ja unangreifbare Mauer; die folgenden Reihen legten ihre Sa-
rissen auf die Schultern der Vordermänner, so daß der Angriff
der Phalanx durch die furchtbare Doppelgewalt der Schwere und
Bewegung durchaus unwiderstehlich war. Nur die vollendete gym-
nastische Ausbildung der Einzelnen machte die Einheit, Präcision
und Schnelligkeit, mit welcher die auf engen Raum zusammenge-
drängte Menschenmasse die künstlichsten Bewegungen ausführen
mußte, möglich. Alexander hatte etwa achtzehntausend dieser

heutigen Verhältniſſen mangelhafte Anordnung; die Phalanx wäre
nicht mehr Phalanx geweſen, wenn ſie mit Reuterei, mit leichtem
Fußvolke, mit Thraciſchen Schleuderern zu kleineren Ganzen vereint
gekämpft hätte. Erſt das Allgemeinerwerden des kleinen Krieges hat
es nöthig gemacht, daß die Theile des Heeres ſelbſtſtändig und von
der Geſammtorganiſation Wiederholungen im Kleinen ſind; gegen
Feinde, wie die Völkermaſſen Aſiens ſind, die ohne Ordnung und
Uebung zu einem Hauptſchlage zuſammengerafft, mit einer Nieder-
lage Alles verloren geben, mit einem Siege über organiſirte Trup-
pen nichts als erneute Gefahr gewinnen, gegen ſolche Feinde haben
gleichförmig geordnete, gediegene Maſſen den Vorzug der Einfachheit,
Maſſenwirkung und innerer Stätigkeit; und in denſelben Gegenden,
wo Alexanders Phalanx Darius Heere übermannte, unterlagen ſie-
ben Römiſche Legionen den ungeſtümen Angriffen der Parther.
Im Großen und Ganzen war Alexanders Heer zu ſolchen Haupt-
ſchlägen eingerichtet; ſeine Phalangen, ſeine ſchwere Reuterei waren
darum die Hauptmaſſe des Heeres.

Das Eigenthümliche der Phalanx beſtand in der Bewaffnung
der Einzelnen und in ihrer Zuſammenordnung. Sie waren ſchwer-
bewaffnet im Griechiſchen Sinne, gerüſtet mit Helm, Harniſch und
einem Schilde, der den ganzen Leib deckte, ihre Hauptwaffe war
die Macedoniſche Sariſſa, eine Lanze von mehr als zwanzig Fuß
Länge, und das kurze Griechiſche Schwert. Ganz beſtimmt für
das Nahgefecht in Maſſe, mußten ſie ſo geordnet ſein, daß ſie
einerſeits den heftigſten Anlauf des Feindes ruhig erwarten, anderer-
ſeits die feindlichen Reihen mit einem Anlaufe zu durchbrechen ſicher
ſein konnten; darum ſtanden ſie in der Regel ſechszehn Mann tief,
indem die Lanzen der erſten fünf Glieder über die Fronte hinaus-
ragten, dem gegen ſie anſtürmenden Feinde eine undurchdringliche,
ja unangreifbare Mauer; die folgenden Reihen legten ihre Sa-
riſſen auf die Schultern der Vordermänner, ſo daß der Angriff
der Phalanx durch die furchtbare Doppelgewalt der Schwere und
Bewegung durchaus unwiderſtehlich war. Nur die vollendete gym-
naſtiſche Ausbildung der Einzelnen machte die Einheit, Präciſion
und Schnelligkeit, mit welcher die auf engen Raum zuſammenge-
drängte Menſchenmaſſe die künſtlichſten Bewegungen ausführen
mußte, möglich. Alexander hatte etwa achtzehntauſend dieſer

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[95/0109] heutigen Verhältniſſen mangelhafte Anordnung; die Phalanx wäre nicht mehr Phalanx geweſen, wenn ſie mit Reuterei, mit leichtem Fußvolke, mit Thraciſchen Schleuderern zu kleineren Ganzen vereint gekämpft hätte. Erſt das Allgemeinerwerden des kleinen Krieges hat es nöthig gemacht, daß die Theile des Heeres ſelbſtſtändig und von der Geſammtorganiſation Wiederholungen im Kleinen ſind; gegen Feinde, wie die Völkermaſſen Aſiens ſind, die ohne Ordnung und Uebung zu einem Hauptſchlage zuſammengerafft, mit einer Nieder- lage Alles verloren geben, mit einem Siege über organiſirte Trup- pen nichts als erneute Gefahr gewinnen, gegen ſolche Feinde haben gleichförmig geordnete, gediegene Maſſen den Vorzug der Einfachheit, Maſſenwirkung und innerer Stätigkeit; und in denſelben Gegenden, wo Alexanders Phalanx Darius Heere übermannte, unterlagen ſie- ben Römiſche Legionen den ungeſtümen Angriffen der Parther. Im Großen und Ganzen war Alexanders Heer zu ſolchen Haupt- ſchlägen eingerichtet; ſeine Phalangen, ſeine ſchwere Reuterei waren darum die Hauptmaſſe des Heeres. Das Eigenthümliche der Phalanx beſtand in der Bewaffnung der Einzelnen und in ihrer Zuſammenordnung. Sie waren ſchwer- bewaffnet im Griechiſchen Sinne, gerüſtet mit Helm, Harniſch und einem Schilde, der den ganzen Leib deckte, ihre Hauptwaffe war die Macedoniſche Sariſſa, eine Lanze von mehr als zwanzig Fuß Länge, und das kurze Griechiſche Schwert. Ganz beſtimmt für das Nahgefecht in Maſſe, mußten ſie ſo geordnet ſein, daß ſie einerſeits den heftigſten Anlauf des Feindes ruhig erwarten, anderer- ſeits die feindlichen Reihen mit einem Anlaufe zu durchbrechen ſicher ſein konnten; darum ſtanden ſie in der Regel ſechszehn Mann tief, indem die Lanzen der erſten fünf Glieder über die Fronte hinaus- ragten, dem gegen ſie anſtürmenden Feinde eine undurchdringliche, ja unangreifbare Mauer; die folgenden Reihen legten ihre Sa- riſſen auf die Schultern der Vordermänner, ſo daß der Angriff der Phalanx durch die furchtbare Doppelgewalt der Schwere und Bewegung durchaus unwiderſtehlich war. Nur die vollendete gym- naſtiſche Ausbildung der Einzelnen machte die Einheit, Präciſion und Schnelligkeit, mit welcher die auf engen Raum zuſammenge- drängte Menſchenmaſſe die künſtlichſten Bewegungen ausführen mußte, möglich. Alexander hatte etwa achtzehntauſend dieſer

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/109>, abgerufen am 29.03.2024.