Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

fördert würde. Sogleich ließ Alexander trotz der Nacht aufbrechen,
um die brennende Stadt zu besetzen; wer noch beim Anzünden be-
schäftigt war, wurde niedergehauen, Widerstand fand man nirgend;
die Einwohner der Stadt verschonte man. Endlich graute der
Morgen; die Stadt, ein weiter Trümmerhaufen, war von den
Feinden geräumt, sie hatten sich auf die Burg Salmakis und die
Hafeninsel zurückgezogen, von wo aus sie den Hafen beherrschen,
und, selbst fast vollkommen sicher, die Trümmerstätte, die in
den Händen der Feinde war, beunruhigen konnten. Dies er-
kannte der König; um sich nicht mit der Belagerung aufzuhalten,
die ihm unter den jetzigen Umständen nicht mehr entscheidende Re-
sultate bringen konnte, ließ er, nachdem die in der letzten Nacht
Gefallenen begraben waren, den Park seiner Belagerungsmaschinen
nach Tralles vorausgehen, die letzten Ueberbleibsel der Stadt, die
sich so hartnäckig der gemeinsamen Sache aller Hellenen widersetzt
hatte, und überdies die Nähe der Perser in der Salmakis und auf
Arkonnensus nur gefährlicher machte, von Grund aus zerstören; die
Bürgerschaft wurde in die sechs Flecken aufgelöset, die etwa vierzig
Jahre früher der Dynast Mausolus in seiner Residenz vereint
hatte 41). Ada erhielt, unter dem Namen einer Königin, die
Herrschaft über ganz Karien, indem die Städte, die mehr oder
minder gräcisirt waren, demokratische Verfassung bekamen; die Ein-
künfte des Landes fielen der Königin Ada zu; Alexander ließ zu
ihrem und ihrer Lande Schutz zweitausend Mann vom fremden Fuß-
volk und etwa zweihundert Reuter unter Ptolemäus 42) Oberbe-
fehl zurück, der den Auftrag erhielt, zur gänzlichen Vertreibung der
Feinde aus den einzelnen Küstenstrichen, die sie noch besetzt hielten,
sich mit dem Befehlshaber von Lydien zu vereinigen, demnächst die
Belagerung der Salmakis durch Circumvallation zu beginnen 43).

41) Wenn Plin. V. 29. angiebt, daß Alexander der Stadt Hali-
karnaß sechs Städte, unter diesen Pedasum, geschenkt habe, so bezieht
sich das auf eine spätere Zeit, und hat offenbar den Sinn, daß er,
was auch sonst berichtet wird, nach Halikarnaß die Bürger der sechs
Ortschaften wieder zusammenziehen ließ; denn Pedasum ist nach Strabo
eine der von Mausolus nach Halikarnaß verlegten Gemeinden.
42) Wahrscheinlich der Sohn Philipps.
43) Diod. XVII. 27.

fördert würde. Sogleich ließ Alexander trotz der Nacht aufbrechen,
um die brennende Stadt zu beſetzen; wer noch beim Anzünden be-
ſchäftigt war, wurde niedergehauen, Widerſtand fand man nirgend;
die Einwohner der Stadt verſchonte man. Endlich graute der
Morgen; die Stadt, ein weiter Trümmerhaufen, war von den
Feinden geräumt, ſie hatten ſich auf die Burg Salmakis und die
Hafeninſel zurückgezogen, von wo aus ſie den Hafen beherrſchen,
und, ſelbſt faſt vollkommen ſicher, die Trümmerſtätte, die in
den Händen der Feinde war, beunruhigen konnten. Dies er-
kannte der König; um ſich nicht mit der Belagerung aufzuhalten,
die ihm unter den jetzigen Umſtänden nicht mehr entſcheidende Re-
ſultate bringen konnte, ließ er, nachdem die in der letzten Nacht
Gefallenen begraben waren, den Park ſeiner Belagerungsmaſchinen
nach Tralles vorausgehen, die letzten Ueberbleibſel der Stadt, die
ſich ſo hartnäckig der gemeinſamen Sache aller Hellenen widerſetzt
hatte, und überdies die Nähe der Perſer in der Salmakis und auf
Arkonnenſus nur gefährlicher machte, von Grund aus zerſtören; die
Bürgerſchaft wurde in die ſechs Flecken aufgelöſet, die etwa vierzig
Jahre früher der Dynaſt Mauſolus in ſeiner Reſidenz vereint
hatte 41). Ada erhielt, unter dem Namen einer Königin, die
Herrſchaft über ganz Karien, indem die Städte, die mehr oder
minder gräciſirt waren, demokratiſche Verfaſſung bekamen; die Ein-
künfte des Landes fielen der Königin Ada zu; Alexander ließ zu
ihrem und ihrer Lande Schutz zweitauſend Mann vom fremden Fuß-
volk und etwa zweihundert Reuter unter Ptolemäus 42) Oberbe-
fehl zurück, der den Auftrag erhielt, zur gänzlichen Vertreibung der
Feinde aus den einzelnen Küſtenſtrichen, die ſie noch beſetzt hielten,
ſich mit dem Befehlshaber von Lydien zu vereinigen, demnächſt die
Belagerung der Salmakis durch Circumvallation zu beginnen 43).

41) Wenn Plin. V. 29. angiebt, daß Alexander der Stadt Hali-
karnaß ſechs Städte, unter dieſen Pedaſum, geſchenkt habe, ſo bezieht
ſich das auf eine ſpätere Zeit, und hat offenbar den Sinn, daß er,
was auch ſonſt berichtet wird, nach Halikarnaß die Bürger der ſechs
Ortſchaften wieder zuſammenziehen ließ; denn Pedaſum iſt nach Strabo
eine der von Mauſolus nach Halikarnaß verlegten Gemeinden.
42) Wahrſcheinlich der Sohn Philipps.
43) Diod. XVII. 27.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="134"/>
fördert würde. Sogleich ließ Alexander trotz der Nacht aufbrechen,<lb/>
um die brennende Stadt zu be&#x017F;etzen; wer noch beim Anzünden be-<lb/>
&#x017F;chäftigt war, wurde niedergehauen, Wider&#x017F;tand fand man nirgend;<lb/>
die Einwohner der Stadt ver&#x017F;chonte man. Endlich graute der<lb/>
Morgen; die Stadt, ein weiter Trümmerhaufen, war von den<lb/>
Feinden geräumt, &#x017F;ie hatten &#x017F;ich auf die Burg Salmakis und die<lb/>
Hafenin&#x017F;el zurückgezogen, von wo aus &#x017F;ie den Hafen beherr&#x017F;chen,<lb/>
und, &#x017F;elb&#x017F;t fa&#x017F;t vollkommen &#x017F;icher, die Trümmer&#x017F;tätte, die in<lb/>
den Händen der Feinde war, beunruhigen konnten. Dies er-<lb/>
kannte der König; um &#x017F;ich nicht mit der Belagerung aufzuhalten,<lb/>
die ihm unter den jetzigen Um&#x017F;tänden nicht mehr ent&#x017F;cheidende Re-<lb/>
&#x017F;ultate bringen konnte, ließ er, nachdem die in der letzten Nacht<lb/>
Gefallenen begraben waren, den Park &#x017F;einer Belagerungsma&#x017F;chinen<lb/>
nach Tralles vorausgehen, die letzten Ueberbleib&#x017F;el der Stadt, die<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o hartnäckig der gemein&#x017F;amen Sache aller Hellenen wider&#x017F;etzt<lb/>
hatte, und überdies die Nähe der Per&#x017F;er in der Salmakis und auf<lb/>
Arkonnen&#x017F;us nur gefährlicher machte, von Grund aus zer&#x017F;tören; die<lb/>
Bürger&#x017F;chaft wurde in die &#x017F;echs Flecken aufgelö&#x017F;et, die etwa vierzig<lb/>
Jahre früher der Dyna&#x017F;t Mau&#x017F;olus in &#x017F;einer Re&#x017F;idenz vereint<lb/>
hatte <note place="foot" n="41)">Wenn <hi rendition="#aq">Plin. V.</hi> 29. angiebt, daß Alexander der Stadt Hali-<lb/>
karnaß &#x017F;echs Städte, unter die&#x017F;en Peda&#x017F;um, ge&#x017F;chenkt habe, &#x017F;o bezieht<lb/>
&#x017F;ich das auf eine &#x017F;pätere Zeit, und hat offenbar den Sinn, daß er,<lb/>
was auch &#x017F;on&#x017F;t berichtet wird, nach Halikarnaß die Bürger der &#x017F;echs<lb/>
Ort&#x017F;chaften wieder zu&#x017F;ammenziehen ließ; denn Peda&#x017F;um i&#x017F;t nach Strabo<lb/>
eine der von Mau&#x017F;olus nach Halikarnaß verlegten Gemeinden.</note>. Ada erhielt, unter dem Namen einer Königin, die<lb/>
Herr&#x017F;chaft über ganz Karien, indem die Städte, die mehr oder<lb/>
minder gräci&#x017F;irt waren, demokrati&#x017F;che Verfa&#x017F;&#x017F;ung bekamen; die Ein-<lb/>
künfte des Landes fielen der Königin Ada zu; Alexander ließ zu<lb/>
ihrem und ihrer Lande Schutz zweitau&#x017F;end Mann vom fremden Fuß-<lb/>
volk und etwa zweihundert Reuter unter Ptolemäus <note place="foot" n="42)">Wahr&#x017F;cheinlich der Sohn Philipps.</note> Oberbe-<lb/>
fehl zurück, der den Auftrag erhielt, zur gänzlichen Vertreibung der<lb/>
Feinde aus den einzelnen Kü&#x017F;ten&#x017F;trichen, die &#x017F;ie noch be&#x017F;etzt hielten,<lb/>
&#x017F;ich mit dem Befehlshaber von Lydien zu vereinigen, demnäch&#x017F;t die<lb/>
Belagerung der Salmakis durch Circumvallation zu beginnen <note place="foot" n="43)"><hi rendition="#aq">Diod. XVII.</hi> 27.</note>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0148] fördert würde. Sogleich ließ Alexander trotz der Nacht aufbrechen, um die brennende Stadt zu beſetzen; wer noch beim Anzünden be- ſchäftigt war, wurde niedergehauen, Widerſtand fand man nirgend; die Einwohner der Stadt verſchonte man. Endlich graute der Morgen; die Stadt, ein weiter Trümmerhaufen, war von den Feinden geräumt, ſie hatten ſich auf die Burg Salmakis und die Hafeninſel zurückgezogen, von wo aus ſie den Hafen beherrſchen, und, ſelbſt faſt vollkommen ſicher, die Trümmerſtätte, die in den Händen der Feinde war, beunruhigen konnten. Dies er- kannte der König; um ſich nicht mit der Belagerung aufzuhalten, die ihm unter den jetzigen Umſtänden nicht mehr entſcheidende Re- ſultate bringen konnte, ließ er, nachdem die in der letzten Nacht Gefallenen begraben waren, den Park ſeiner Belagerungsmaſchinen nach Tralles vorausgehen, die letzten Ueberbleibſel der Stadt, die ſich ſo hartnäckig der gemeinſamen Sache aller Hellenen widerſetzt hatte, und überdies die Nähe der Perſer in der Salmakis und auf Arkonnenſus nur gefährlicher machte, von Grund aus zerſtören; die Bürgerſchaft wurde in die ſechs Flecken aufgelöſet, die etwa vierzig Jahre früher der Dynaſt Mauſolus in ſeiner Reſidenz vereint hatte 41). Ada erhielt, unter dem Namen einer Königin, die Herrſchaft über ganz Karien, indem die Städte, die mehr oder minder gräciſirt waren, demokratiſche Verfaſſung bekamen; die Ein- künfte des Landes fielen der Königin Ada zu; Alexander ließ zu ihrem und ihrer Lande Schutz zweitauſend Mann vom fremden Fuß- volk und etwa zweihundert Reuter unter Ptolemäus 42) Oberbe- fehl zurück, der den Auftrag erhielt, zur gänzlichen Vertreibung der Feinde aus den einzelnen Küſtenſtrichen, die ſie noch beſetzt hielten, ſich mit dem Befehlshaber von Lydien zu vereinigen, demnächſt die Belagerung der Salmakis durch Circumvallation zu beginnen 43). 41) Wenn Plin. V. 29. angiebt, daß Alexander der Stadt Hali- karnaß ſechs Städte, unter dieſen Pedaſum, geſchenkt habe, ſo bezieht ſich das auf eine ſpätere Zeit, und hat offenbar den Sinn, daß er, was auch ſonſt berichtet wird, nach Halikarnaß die Bürger der ſechs Ortſchaften wieder zuſammenziehen ließ; denn Pedaſum iſt nach Strabo eine der von Mauſolus nach Halikarnaß verlegten Gemeinden. 42) Wahrſcheinlich der Sohn Philipps. 43) Diod. XVII. 27.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/148
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/148>, abgerufen am 28.03.2024.