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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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reichte ihm einen goldenen Kranz und unterwarf ihm das Gebiet
seines Vaters, welches den nördlichsten Theil der Phönicischen Küste
umfaßte und sich eine Tagereise weit landeinwärts bis zur Stadt
Mariamne erstreckte; auch die große Stadt Marathus, in der sich
Alexander einige Tage aufhielt, gehörte zum Gebiete von Aradus.
Auf seinem weiteren Zuge nahm er Byblus durch vertragsmäßige
Uebergabe. Die Sidonier eilten sich dem Sieger der verhaßten
Persermacht zu ergeben, Alexander nahm auf ihre ehrenvolle Ein-
ladung die Stadt in Besitz, gab ihr ihr früheres Gebiet und ihre
frühere Verfassung wieder, indem er den Abdollonymus, einem in
bitterer Armuth lebenden Nachkommen der Sidonischen Könige, die
Herrschaft übertrug 31), und brach dann nach Tyrus auf. Unter-
weges begrüßte ihn eine Deputation der reichsten und vornehmsten
Bürger von Tyrus, an ihrer Spitze der Sohn des Fürsten Aze-
milkus; sie erklärten, daß die Tyrier bereit seien zu thun, was Ale-
xander verlangen würde; der König dankte ihnen und belobte ihre
Stadt: er gedenke mit seinem Heere nach Tyrus zu kommen, um
im Tempel des Tyrischen Herakles ein feierliches Opfer zu halten.
Diese Antwort brachten die Abgeordneten zurück. Der Rath von
Tyrus war einig, daß Alexanders Besuch in der Inselstadt zu ge-
fährlich sein würde, daß den Macedoniern der Eintritt in die Stadt
um jeden Preis verweigert werden müsse; unter den jetzigen so
schwierigen Verhältnissen müsse die Stadt die strengste Neutralität be-
obachten, um ihr Verhältniß zum Perserkönige nicht unbesonnener
Weise bloß zu stellen, zumal da die Tyrische Flotte trotz der im
Aegäischen Meere befindlichen Geschwader bedeutend genug sei, den
Beschlüssen der Inselstadt Achtung zu verschaffen; noch habe die
Persische Seemacht in allen Meeren die Oberhand und Darius
rüste schon ein neues Heer, um Alexanders weiteres Vordringen zu
hemmen; wenn er siegte, so würde die Treue der Tyrier um so rei-
cher belohnt werden, da bereits die übrigen Phönicischen Städte
die Persische Sache verrathen hätten; unterliege er aber, so würde

31) Dies scheint der einfache Inhalt der durch Ausschmückungen
aller Art sehr entstellten Geschichte zu sein, die Diodor nach Tyrus,
Plutarch (de fort. Alex. II.) nach Paphos verlegt; gegen beide s. die
Noten zu Curt. IV. 1.

reichte ihm einen goldenen Kranz und unterwarf ihm das Gebiet
ſeines Vaters, welches den nördlichſten Theil der Phöniciſchen Küſte
umfaßte und ſich eine Tagereiſe weit landeinwärts bis zur Stadt
Mariamne erſtreckte; auch die große Stadt Marathus, in der ſich
Alexander einige Tage aufhielt, gehörte zum Gebiete von Aradus.
Auf ſeinem weiteren Zuge nahm er Byblus durch vertragsmäßige
Uebergabe. Die Sidonier eilten ſich dem Sieger der verhaßten
Perſermacht zu ergeben, Alexander nahm auf ihre ehrenvolle Ein-
ladung die Stadt in Beſitz, gab ihr ihr früheres Gebiet und ihre
frühere Verfaſſung wieder, indem er den Abdollonymus, einem in
bitterer Armuth lebenden Nachkommen der Sidoniſchen Könige, die
Herrſchaft übertrug 31), und brach dann nach Tyrus auf. Unter-
weges begrüßte ihn eine Deputation der reichſten und vornehmſten
Bürger von Tyrus, an ihrer Spitze der Sohn des Fürſten Aze-
milkus; ſie erklärten, daß die Tyrier bereit ſeien zu thun, was Ale-
xander verlangen würde; der König dankte ihnen und belobte ihre
Stadt: er gedenke mit ſeinem Heere nach Tyrus zu kommen, um
im Tempel des Tyriſchen Herakles ein feierliches Opfer zu halten.
Dieſe Antwort brachten die Abgeordneten zurück. Der Rath von
Tyrus war einig, daß Alexanders Beſuch in der Inſelſtadt zu ge-
fährlich ſein würde, daß den Macedoniern der Eintritt in die Stadt
um jeden Preis verweigert werden müſſe; unter den jetzigen ſo
ſchwierigen Verhältniſſen müſſe die Stadt die ſtrengſte Neutralität be-
obachten, um ihr Verhältniß zum Perſerkönige nicht unbeſonnener
Weiſe bloß zu ſtellen, zumal da die Tyriſche Flotte trotz der im
Aegäiſchen Meere befindlichen Geſchwader bedeutend genug ſei, den
Beſchlüſſen der Inſelſtadt Achtung zu verſchaffen; noch habe die
Perſiſche Seemacht in allen Meeren die Oberhand und Darius
rüſte ſchon ein neues Heer, um Alexanders weiteres Vordringen zu
hemmen; wenn er ſiegte, ſo würde die Treue der Tyrier um ſo rei-
cher belohnt werden, da bereits die übrigen Phöniciſchen Städte
die Perſiſche Sache verrathen hätten; unterliege er aber, ſo würde

31) Dies ſcheint der einfache Inhalt der durch Ausſchmückungen
aller Art ſehr entſtellten Geſchichte zu ſein, die Diodor nach Tyrus,
Plutarch (de fort. Alex. II.) nach Paphos verlegt; gegen beide ſ. die
Noten zu Curt. IV. 1.
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[182/0196] reichte ihm einen goldenen Kranz und unterwarf ihm das Gebiet ſeines Vaters, welches den nördlichſten Theil der Phöniciſchen Küſte umfaßte und ſich eine Tagereiſe weit landeinwärts bis zur Stadt Mariamne erſtreckte; auch die große Stadt Marathus, in der ſich Alexander einige Tage aufhielt, gehörte zum Gebiete von Aradus. Auf ſeinem weiteren Zuge nahm er Byblus durch vertragsmäßige Uebergabe. Die Sidonier eilten ſich dem Sieger der verhaßten Perſermacht zu ergeben, Alexander nahm auf ihre ehrenvolle Ein- ladung die Stadt in Beſitz, gab ihr ihr früheres Gebiet und ihre frühere Verfaſſung wieder, indem er den Abdollonymus, einem in bitterer Armuth lebenden Nachkommen der Sidoniſchen Könige, die Herrſchaft übertrug 31), und brach dann nach Tyrus auf. Unter- weges begrüßte ihn eine Deputation der reichſten und vornehmſten Bürger von Tyrus, an ihrer Spitze der Sohn des Fürſten Aze- milkus; ſie erklärten, daß die Tyrier bereit ſeien zu thun, was Ale- xander verlangen würde; der König dankte ihnen und belobte ihre Stadt: er gedenke mit ſeinem Heere nach Tyrus zu kommen, um im Tempel des Tyriſchen Herakles ein feierliches Opfer zu halten. Dieſe Antwort brachten die Abgeordneten zurück. Der Rath von Tyrus war einig, daß Alexanders Beſuch in der Inſelſtadt zu ge- fährlich ſein würde, daß den Macedoniern der Eintritt in die Stadt um jeden Preis verweigert werden müſſe; unter den jetzigen ſo ſchwierigen Verhältniſſen müſſe die Stadt die ſtrengſte Neutralität be- obachten, um ihr Verhältniß zum Perſerkönige nicht unbeſonnener Weiſe bloß zu ſtellen, zumal da die Tyriſche Flotte trotz der im Aegäiſchen Meere befindlichen Geſchwader bedeutend genug ſei, den Beſchlüſſen der Inſelſtadt Achtung zu verſchaffen; noch habe die Perſiſche Seemacht in allen Meeren die Oberhand und Darius rüſte ſchon ein neues Heer, um Alexanders weiteres Vordringen zu hemmen; wenn er ſiegte, ſo würde die Treue der Tyrier um ſo rei- cher belohnt werden, da bereits die übrigen Phöniciſchen Städte die Perſiſche Sache verrathen hätten; unterliege er aber, ſo würde 31) Dies ſcheint der einfache Inhalt der durch Ausſchmückungen aller Art ſehr entſtellten Geſchichte zu ſein, die Diodor nach Tyrus, Plutarch (de fort. Alex. II.) nach Paphos verlegt; gegen beide ſ. die Noten zu Curt. IV. 1.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/196>, abgerufen am 28.03.2024.