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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Thracier ein; die Bogenschützen vom rechten Flügel aus der
Schlachtlinie vorgeschoben, wiesen die anprallenden Feinde mit ihren
Geschossen zurück, und deckten den bergaufsteigenden Marsch der
Schwerbewaffneten; so wie diese in geschlossenen Phalangen nach-
rückten, vertrieben sie mit leichter Mühe die schlechtbewaffneten Bar-
baren aus ihrer Stellung, so daß sie den aus dem linken Flügel
mit den Hypaspisten und Agrianern anrückenden König nicht mehr
Stand hielten, sondern Jeder, so gut er konnte, die Waffen weg-
warf und den jenseitigen Ebenen zuflüchtete. Sie verloren funf-
zehnhundert Todte; ihre Weiber und Kinder und alle ihre Habe
wurde den Macedoniern zur Beute, und unter Philotas und Pau-
sanias in die Seestädte auf den Markt geschickt 73).

Auf den Höhen des Gebirges ist ein Heiligthum des Dionysos,
des uralten Gottes der freien Thracischen Völker; dort opferte der
königliche Jüngling nach der Weise des Landes; und als er den
Wein in die Opferflamme goß, schlug sie hochflackernd gen Himmel
empor, nach der Deutung der Eingebornen ein göttliches Zeichen
für die künftigen Siege des Königs 74).

Alexander zog nun die sanfteren Nordabhänge des Gebirges
hinab in das Land der Triballer, über den Lyginos- oder Oiskos-
fluß, der hier etwa drei Märsche von der Donau entfernt ost-
wärts strömt 75). Syrmus, der Triballerfürst, längst schon von
Alexanders Zuge in Kenntniß gesetzt, hatte die Weiber und
Kinder der Triballer zur Donau voraus geschickt, und sie auf die
Insel Peuce 76) überzusetzen befohlen; eben dahin hatten sich be-

73) Arrian I. 1. Polyaen. IV. 3. 11.
74) Sueton Aug. 94.
ef. Aristot. p. 842. a. 14. ed. Beck.
75) Wir haben den sonst un-
bekannten Lyginus Arvians für den Oiskus oder Isker, den östlichen
Grenzfluß der Triballer, genommen, an dessen Mündung sich die spä-
tere Hauptstadt der Triballer, Oeskus, befand, und zu dem hin die
von Alexander eingeschlagene Straße führte. Arrians Ausdruck, der
Fluß sei drei Märsche von der Donau, scheint freilich zu bezeichnen,
daß er sich nicht in diese ergießt; das könnte nur von einem der
kleinen Küstenflüsse gelten, was ganz unstatthaft, zumal wenn nach
diesen Gegenden der Lynkestier Alexander detachirt ward.
76) Diese
Insel wird bei Strabo und Arrian Peuce genannt, und von den In-
terpreten für die große Peuce, nicht weit von der Mündung des

Thracier ein; die Bogenſchützen vom rechten Flügel aus der
Schlachtlinie vorgeſchoben, wieſen die anprallenden Feinde mit ihren
Geſchoſſen zurück, und deckten den bergaufſteigenden Marſch der
Schwerbewaffneten; ſo wie dieſe in geſchloſſenen Phalangen nach-
rückten, vertrieben ſie mit leichter Mühe die ſchlechtbewaffneten Bar-
baren aus ihrer Stellung, ſo daß ſie den aus dem linken Flügel
mit den Hypaspiſten und Agrianern anrückenden König nicht mehr
Stand hielten, ſondern Jeder, ſo gut er konnte, die Waffen weg-
warf und den jenſeitigen Ebenen zuflüchtete. Sie verloren funf-
zehnhundert Todte; ihre Weiber und Kinder und alle ihre Habe
wurde den Macedoniern zur Beute, und unter Philotas und Pau-
ſanias in die Seeſtädte auf den Markt geſchickt 73).

Auf den Höhen des Gebirges iſt ein Heiligthum des Dionyſos,
des uralten Gottes der freien Thraciſchen Völker; dort opferte der
königliche Jüngling nach der Weiſe des Landes; und als er den
Wein in die Opferflamme goß, ſchlug ſie hochflackernd gen Himmel
empor, nach der Deutung der Eingebornen ein göttliches Zeichen
für die künftigen Siege des Königs 74).

Alexander zog nun die ſanfteren Nordabhänge des Gebirges
hinab in das Land der Triballer, über den Lyginos- oder Oiskos-
fluß, der hier etwa drei Märſche von der Donau entfernt oſt-
wärts ſtrömt 75). Syrmus, der Triballerfürſt, längſt ſchon von
Alexanders Zuge in Kenntniß geſetzt, hatte die Weiber und
Kinder der Triballer zur Donau voraus geſchickt, und ſie auf die
Inſel Peuce 76) überzuſetzen befohlen; eben dahin hatten ſich be-

73) Arrian I. 1. Polyaen. IV. 3. 11.
74) Sueton Aug. 94.
ef. Aristot. p. 842. a. 14. ed. Beck.
75) Wir haben den ſonſt un-
bekannten Lyginus Arvians für den Oiskus oder Isker, den öſtlichen
Grenzfluß der Triballer, genommen, an deſſen Mündung ſich die ſpä-
tere Hauptſtadt der Triballer, Oeskus, befand, und zu dem hin die
von Alexander eingeſchlagene Straße führte. Arrians Ausdruck, der
Fluß ſei drei Märſche von der Donau, ſcheint freilich zu bezeichnen,
daß er ſich nicht in dieſe ergießt; das könnte nur von einem der
kleinen Küſtenflüſſe gelten, was ganz unſtatthaft, zumal wenn nach
dieſen Gegenden der Lynkeſtier Alexander detachirt ward.
76) Dieſe
Inſel wird bei Strabo und Arrian Peuce genannt, und von den In-
terpreten für die große Peuce, nicht weit von der Mündung des
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[69/0083] Thracier ein; die Bogenſchützen vom rechten Flügel aus der Schlachtlinie vorgeſchoben, wieſen die anprallenden Feinde mit ihren Geſchoſſen zurück, und deckten den bergaufſteigenden Marſch der Schwerbewaffneten; ſo wie dieſe in geſchloſſenen Phalangen nach- rückten, vertrieben ſie mit leichter Mühe die ſchlechtbewaffneten Bar- baren aus ihrer Stellung, ſo daß ſie den aus dem linken Flügel mit den Hypaspiſten und Agrianern anrückenden König nicht mehr Stand hielten, ſondern Jeder, ſo gut er konnte, die Waffen weg- warf und den jenſeitigen Ebenen zuflüchtete. Sie verloren funf- zehnhundert Todte; ihre Weiber und Kinder und alle ihre Habe wurde den Macedoniern zur Beute, und unter Philotas und Pau- ſanias in die Seeſtädte auf den Markt geſchickt 73). Auf den Höhen des Gebirges iſt ein Heiligthum des Dionyſos, des uralten Gottes der freien Thraciſchen Völker; dort opferte der königliche Jüngling nach der Weiſe des Landes; und als er den Wein in die Opferflamme goß, ſchlug ſie hochflackernd gen Himmel empor, nach der Deutung der Eingebornen ein göttliches Zeichen für die künftigen Siege des Königs 74). Alexander zog nun die ſanfteren Nordabhänge des Gebirges hinab in das Land der Triballer, über den Lyginos- oder Oiskos- fluß, der hier etwa drei Märſche von der Donau entfernt oſt- wärts ſtrömt 75). Syrmus, der Triballerfürſt, längſt ſchon von Alexanders Zuge in Kenntniß geſetzt, hatte die Weiber und Kinder der Triballer zur Donau voraus geſchickt, und ſie auf die Inſel Peuce 76) überzuſetzen befohlen; eben dahin hatten ſich be- 73) Arrian I. 1. Polyaen. IV. 3. 11. 74) Sueton Aug. 94. ef. Aristot. p. 842. a. 14. ed. Beck. 75) Wir haben den ſonſt un- bekannten Lyginus Arvians für den Oiskus oder Isker, den öſtlichen Grenzfluß der Triballer, genommen, an deſſen Mündung ſich die ſpä- tere Hauptſtadt der Triballer, Oeskus, befand, und zu dem hin die von Alexander eingeſchlagene Straße führte. Arrians Ausdruck, der Fluß ſei drei Märſche von der Donau, ſcheint freilich zu bezeichnen, daß er ſich nicht in dieſe ergießt; das könnte nur von einem der kleinen Küſtenflüſſe gelten, was ganz unſtatthaft, zumal wenn nach dieſen Gegenden der Lynkeſtier Alexander detachirt ward. 76) Dieſe Inſel wird bei Strabo und Arrian Peuce genannt, und von den In- terpreten für die große Peuce, nicht weit von der Mündung des

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/83>, abgerufen am 24.04.2024.