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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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reits die den Triballern benachbarten 77) Thracier geflüchtet; auch
Syrmus selbst war mit seinen Leuten dahin geflohen; die Masse
der Triballer dagegen zog sich rückwärts dem Flusse Lyginus zu,
von dem Alexander Tages zuvor aufgebrochen war. Kaum hatte
das der König erfahren, so kehrte er schnell zurück, um sie aufzu-
suchen, und überraschte sie, da sie sich eben lagerten, und jetzt in
der Eile am Saume des Waldes vor dem Flusse aufrückten. Wäh-
rend nun die Kolonnen der Phalanx heranzogen, eilten die Bogen-
schützen und Schleuderer vorauf, mit Pfeilen und Steinen die
Feinde aus dem Walde herauszulocken. Diese brachen hervor, und
indem sie, namentlich auf dem rechten Flügel, sich zu weit vorwag-
ten, sprengten rechts und links drei Geschwader der Ritterschaft auf
sie ein; schnell rückten im Mitteltreffen die anderen Geschwader,
und hinter ihnen die Phalanx vor; der Feind, der bis dahin das
Gefecht mit Bolzen und Jagdspeeren kräftig erwiedert hatte, hielt
den Andrang der schwergeharnischten Ritter und der geschlossenen
Phalanx nicht aus, und floh durch den Wald zum Fluß zurück;
dreitausend kamen auf der Flucht um, die anderen retteten sich,
durch das Dunkel des Waldes und der hereinbrechenden Nacht
begünstigt 78).

Alexander setzte seinen früheren Marsch fort, und kam am
dritten Tage an die Ufer der Donau, wo ihn bereits die Schiffe

Stromes, gehalten; s. Kruse de Istri ostiis. Wratisl. 1820, p.
79 seqq.
Aber wie hätten sich die Triballer über funfzig Meilen von
ihren äußersten Grenzen flüchten sollen, und zwar nach der Richtung
hin, wo der Feind am nächsten war? Wie hätte Arrian vermeiden
können, von den vielen Donauarmen zu sprechen, die, wenn bei die-
sem Peuce gekämpft wäre, von der größten militairischen Wichtigkeit
sein mußten? Selbst die Zeit hätte zu diesen Märschen nicht hinge-
reicht; gegen Ende Juli stand Alexander vor Pellion, das wohl hun-
dertundfunfzig Meilen entfernt ist, und mit dem Frühling war er
aus Amphipolis aufgebrochen, von wo Peuce in geradem Abstande
wohl hundert Meilen entfernt ist. Vielleicht nannten die Geschicht-
schreiber Alexanders mit dem Namen der bekanntesten Donauinsel die
in Frage stehende, die viel weiter stromauf liegen mußte.
77) Wahrscheinlich die Treres des Thucydides, die durch den Oiskus von
den Triballern geschieden werden.
78) Arrian I. 3.

reits die den Triballern benachbarten 77) Thracier geflüchtet; auch
Syrmus ſelbſt war mit ſeinen Leuten dahin geflohen; die Maſſe
der Triballer dagegen zog ſich rückwärts dem Fluſſe Lyginus zu,
von dem Alexander Tages zuvor aufgebrochen war. Kaum hatte
das der König erfahren, ſo kehrte er ſchnell zurück, um ſie aufzu-
ſuchen, und überraſchte ſie, da ſie ſich eben lagerten, und jetzt in
der Eile am Saume des Waldes vor dem Fluſſe aufrückten. Wäh-
rend nun die Kolonnen der Phalanx heranzogen, eilten die Bogen-
ſchützen und Schleuderer vorauf, mit Pfeilen und Steinen die
Feinde aus dem Walde herauszulocken. Dieſe brachen hervor, und
indem ſie, namentlich auf dem rechten Flügel, ſich zu weit vorwag-
ten, ſprengten rechts und links drei Geſchwader der Ritterſchaft auf
ſie ein; ſchnell rückten im Mitteltreffen die anderen Geſchwader,
und hinter ihnen die Phalanx vor; der Feind, der bis dahin das
Gefecht mit Bolzen und Jagdſpeeren kräftig erwiedert hatte, hielt
den Andrang der ſchwergeharniſchten Ritter und der geſchloſſenen
Phalanx nicht aus, und floh durch den Wald zum Fluß zurück;
dreitauſend kamen auf der Flucht um, die anderen retteten ſich,
durch das Dunkel des Waldes und der hereinbrechenden Nacht
begünſtigt 78).

Alexander ſetzte ſeinen früheren Marſch fort, und kam am
dritten Tage an die Ufer der Donau, wo ihn bereits die Schiffe

Stromes, gehalten; ſ. Kruse de Istri ostiis. Wratisl. 1820, p.
79 seqq.
Aber wie hätten ſich die Triballer über funfzig Meilen von
ihren äußerſten Grenzen flüchten ſollen, und zwar nach der Richtung
hin, wo der Feind am nächſten war? Wie hätte Arrian vermeiden
können, von den vielen Donauarmen zu ſprechen, die, wenn bei die-
ſem Peuce gekämpft wäre, von der größten militairiſchen Wichtigkeit
ſein mußten? Selbſt die Zeit hätte zu dieſen Märſchen nicht hinge-
reicht; gegen Ende Juli ſtand Alexander vor Pellion, das wohl hun-
dertundfunfzig Meilen entfernt iſt, und mit dem Frühling war er
aus Amphipolis aufgebrochen, von wo Peuce in geradem Abſtande
wohl hundert Meilen entfernt iſt. Vielleicht nannten die Geſchicht-
ſchreiber Alexanders mit dem Namen der bekannteſten Donauinſel die
in Frage ſtehende, die viel weiter ſtromauf liegen mußte.
77) Wahrſcheinlich die Treres des Thucydides, die durch den Oiskus von
den Triballern geſchieden werden.
78) Arrian I. 3.
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[70/0084] reits die den Triballern benachbarten 77) Thracier geflüchtet; auch Syrmus ſelbſt war mit ſeinen Leuten dahin geflohen; die Maſſe der Triballer dagegen zog ſich rückwärts dem Fluſſe Lyginus zu, von dem Alexander Tages zuvor aufgebrochen war. Kaum hatte das der König erfahren, ſo kehrte er ſchnell zurück, um ſie aufzu- ſuchen, und überraſchte ſie, da ſie ſich eben lagerten, und jetzt in der Eile am Saume des Waldes vor dem Fluſſe aufrückten. Wäh- rend nun die Kolonnen der Phalanx heranzogen, eilten die Bogen- ſchützen und Schleuderer vorauf, mit Pfeilen und Steinen die Feinde aus dem Walde herauszulocken. Dieſe brachen hervor, und indem ſie, namentlich auf dem rechten Flügel, ſich zu weit vorwag- ten, ſprengten rechts und links drei Geſchwader der Ritterſchaft auf ſie ein; ſchnell rückten im Mitteltreffen die anderen Geſchwader, und hinter ihnen die Phalanx vor; der Feind, der bis dahin das Gefecht mit Bolzen und Jagdſpeeren kräftig erwiedert hatte, hielt den Andrang der ſchwergeharniſchten Ritter und der geſchloſſenen Phalanx nicht aus, und floh durch den Wald zum Fluß zurück; dreitauſend kamen auf der Flucht um, die anderen retteten ſich, durch das Dunkel des Waldes und der hereinbrechenden Nacht begünſtigt 78). Alexander ſetzte ſeinen früheren Marſch fort, und kam am dritten Tage an die Ufer der Donau, wo ihn bereits die Schiffe 76) 77) Wahrſcheinlich die Treres des Thucydides, die durch den Oiskus von den Triballern geſchieden werden. 78) Arrian I. 3. 76) Stromes, gehalten; ſ. Kruse de Istri ostiis. Wratisl. 1820, p. 79 seqq. Aber wie hätten ſich die Triballer über funfzig Meilen von ihren äußerſten Grenzen flüchten ſollen, und zwar nach der Richtung hin, wo der Feind am nächſten war? Wie hätte Arrian vermeiden können, von den vielen Donauarmen zu ſprechen, die, wenn bei die- ſem Peuce gekämpft wäre, von der größten militairiſchen Wichtigkeit ſein mußten? Selbſt die Zeit hätte zu dieſen Märſchen nicht hinge- reicht; gegen Ende Juli ſtand Alexander vor Pellion, das wohl hun- dertundfunfzig Meilen entfernt iſt, und mit dem Frühling war er aus Amphipolis aufgebrochen, von wo Peuce in geradem Abſtande wohl hundert Meilen entfernt iſt. Vielleicht nannten die Geſchicht- ſchreiber Alexanders mit dem Namen der bekannteſten Donauinſel die in Frage ſtehende, die viel weiter ſtromauf liegen mußte.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/84>, abgerufen am 19.04.2024.