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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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Leistungen dem Weibe am wenigsten bestritten und der Weg
dazu am wenigsten verlegt werden. Es ist aber nöthig, da einzu-
dringen, wo sich die Bollwerke des bisherigen männlichen Monopols
am ungefügigsten und die Vorurtheile am verstocktesten erweisen.

3. Aerztliche Thätigkeit.

Die praktische Anwendung der Wissenschaft findet sich in
ihrer vollen Unmittelbarkeit nur da, wo durch sie auf das ma-
terielle Wohl und auf die Gesundheit der Menschen eingewirkt
wird. Der blosse Lehrerberuf ist sozusagen eine Zwischenthätig-
keit und ist es am meisten da, wo er nicht die Anwendung der
Wissenschaft auf das Leben, sondern nur die Beschaffung von
allgemeiner oder vorbereitender Bildung zum Zweck hat. So
werthvoll letzteres Ziel auch an sich selbst ist, so kann es doch
in der Frauenfrage zunächst praktisch nur an zweiter Stelle in
Betracht kommen. Der Gang der Dinge wird und muss hier
derselbe sein, der er sonst bezüglich der männlichen Bildungs-
interessen in der ganzen Geschichte gewesen ist. An die Bedürf-
nisse der praktischen Verrichtungen haben sich Forschung und
Studium angeknüpft, und die nothwendigen gesellschaftlichen
Functionen sind die Träger, Erhalter und Vermehrer einer Bil-
dung gewesen, die nebenbei auch zu einer dem blossen Geistes-
spiel dienstbaren Speculation führte. Die selbständige Freude
an aufklärender Bildung, an erhebender Geistesmacht und schliess-
lich in der höchsten Steigerung auch am eigentlichen Denker -
und Forscherthum soll in ihrer Selbständigkeit und in ihrem vom
Dienste des Lebens unabhängigen Werth sicherlich nicht herab-
gesetzt werden. Das noch so energische Gefühl dieser Würde
wird aber bei besonnenen Naturen den Gedanken nicht aus-
schliessen, dass die praktische Sicherung bestimmter Bildungs-
elemente zuerst von der Anlehnung an solche Berufsverrichtungen
ausgeht, in deren Dienst das Wissen eine für die dringendsten
Bedürfnisse der Gesellschaft heilsame Rolle spielt. Die auf natur-
wissenschaftlichen Grundlagen betriebene Heilkunde und
Gesundheitspflege ist innerhalb der Universitätsfächer das, was mit dem
modernen Streben und Wissen die meisten Berührungspunkte hat
oder wenigstens haben kann. Wer Medicin studirt, muss wenig-
stens einen Theil der mittleren und niederen Naturwissenschaft,
also ausser den mehr beschreibenden Fächern auch schon die ein

Leistungen dem Weibe am wenigsten bestritten und der Weg
dazu am wenigsten verlegt werden. Es ist aber nöthig, da einzu-
dringen, wo sich die Bollwerke des bisherigen männlichen Monopols
am ungefügigsten und die Vorurtheile am verstocktesten erweisen.

3. Aerztliche Thätigkeit.

Die praktische Anwendung der Wissenschaft findet sich in
ihrer vollen Unmittelbarkeit nur da, wo durch sie auf das ma-
terielle Wohl und auf die Gesundheit der Menschen eingewirkt
wird. Der blosse Lehrerberuf ist sozusagen eine Zwischenthätig-
keit und ist es am meisten da, wo er nicht die Anwendung der
Wissenschaft auf das Leben, sondern nur die Beschaffung von
allgemeiner oder vorbereitender Bildung zum Zweck hat. So
werthvoll letzteres Ziel auch an sich selbst ist, so kann es doch
in der Frauenfrage zunächst praktisch nur an zweiter Stelle in
Betracht kommen. Der Gang der Dinge wird und muss hier
derselbe sein, der er sonst bezüglich der männlichen Bildungs-
interessen in der ganzen Geschichte gewesen ist. An die Bedürf-
nisse der praktischen Verrichtungen haben sich Forschung und
Studium angeknüpft, und die nothwendigen gesellschaftlichen
Functionen sind die Träger, Erhalter und Vermehrer einer Bil-
dung gewesen, die nebenbei auch zu einer dem blossen Geistes-
spiel dienstbaren Speculation führte. Die selbständige Freude
an aufklärender Bildung, an erhebender Geistesmacht und schliess-
lich in der höchsten Steigerung auch am eigentlichen Denker -
und Forscherthum soll in ihrer Selbständigkeit und in ihrem vom
Dienste des Lebens unabhängigen Werth sicherlich nicht herab-
gesetzt werden. Das noch so energische Gefühl dieser Würde
wird aber bei besonnenen Naturen den Gedanken nicht aus-
schliessen, dass die praktische Sicherung bestimmter Bildungs-
elemente zuerst von der Anlehnung an solche Berufsverrichtungen
ausgeht, in deren Dienst das Wissen eine für die dringendsten
Bedürfnisse der Gesellschaft heilsame Rolle spielt. Die auf natur-
wissenschaftlichen Grundlagen betriebene Heilkunde und
Gesundheitspflege ist innerhalb der Universitätsfächer das, was mit dem
modernen Streben und Wissen die meisten Berührungspunkte hat
oder wenigstens haben kann. Wer Medicin studirt, muss wenig-
stens einen Theil der mittleren und niederen Naturwissenschaft,
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[11/0020] Leistungen dem Weibe am wenigsten bestritten und der Weg dazu am wenigsten verlegt werden. Es ist aber nöthig, da einzu- dringen, wo sich die Bollwerke des bisherigen männlichen Monopols am ungefügigsten und die Vorurtheile am verstocktesten erweisen. 3. Aerztliche Thätigkeit. Die praktische Anwendung der Wissenschaft findet sich in ihrer vollen Unmittelbarkeit nur da, wo durch sie auf das ma- terielle Wohl und auf die Gesundheit der Menschen eingewirkt wird. Der blosse Lehrerberuf ist sozusagen eine Zwischenthätig- keit und ist es am meisten da, wo er nicht die Anwendung der Wissenschaft auf das Leben, sondern nur die Beschaffung von allgemeiner oder vorbereitender Bildung zum Zweck hat. So werthvoll letzteres Ziel auch an sich selbst ist, so kann es doch in der Frauenfrage zunächst praktisch nur an zweiter Stelle in Betracht kommen. Der Gang der Dinge wird und muss hier derselbe sein, der er sonst bezüglich der männlichen Bildungs- interessen in der ganzen Geschichte gewesen ist. An die Bedürf- nisse der praktischen Verrichtungen haben sich Forschung und Studium angeknüpft, und die nothwendigen gesellschaftlichen Functionen sind die Träger, Erhalter und Vermehrer einer Bil- dung gewesen, die nebenbei auch zu einer dem blossen Geistes- spiel dienstbaren Speculation führte. Die selbständige Freude an aufklärender Bildung, an erhebender Geistesmacht und schliess- lich in der höchsten Steigerung auch am eigentlichen Denker - und Forscherthum soll in ihrer Selbständigkeit und in ihrem vom Dienste des Lebens unabhängigen Werth sicherlich nicht herab- gesetzt werden. Das noch so energische Gefühl dieser Würde wird aber bei besonnenen Naturen den Gedanken nicht aus- schliessen, dass die praktische Sicherung bestimmter Bildungs- elemente zuerst von der Anlehnung an solche Berufsverrichtungen ausgeht, in deren Dienst das Wissen eine für die dringendsten Bedürfnisse der Gesellschaft heilsame Rolle spielt. Die auf natur- wissenschaftlichen Grundlagen betriebene Heilkunde und Gesundheitspflege ist innerhalb der Universitätsfächer das, was mit dem modernen Streben und Wissen die meisten Berührungspunkte hat oder wenigstens haben kann. Wer Medicin studirt, muss wenig- stens einen Theil der mittleren und niederen Naturwissenschaft, also ausser den mehr beschreibenden Fächern auch schon die ein

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/20>, abgerufen am 28.03.2024.