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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

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Der Mensch.
Das er zum Ober Herrn der ganzen Welt erwählet,
Und mit der Seligkeit des Ewigen vermählet.
Gefallnes Jammer Bild! wo ist die Herrligkeit,
Des edlen Unschuld Stands, der vormahls güldnen Zeit
Die ist schon längst dahin, denn bei der Schuld der
Sünden,
Die Leib und Geist verdirbt, ist sie nicht mehr zu
finden
Statt daß der Mensch vorhin des Höchsten Bildnis
war,
So stellt er ganz verstellt des Satans Larve dar;
Anstat der Weisheit Licht, das ihn vorhin gezieret,
Und auf den rechten Weg des wahren Glüks geführet
Jst der Verstand verwirrt, dem man ein Blend Licht
nennt,
Des flatterhafter Schein nunmehr so dunkel brennt,
Daß keiner dabei wird die Thür des Himmels sehen,
Vielweniger den Weg drauf wir zu solcher gehen.
Jhr Weisen der Vernunft komt her und sagt mir an,
Was hat der arme Mensch der so verderbt gethan?
Denn GOttes weise Hand die ihn zuerst gebildet,
Hat ihn so nimmermehr, wie er jetzt ist, geschildet;
Komt her und zeiget mir, daß eur Verstand ein Licht,
Der alle Finsternis mit seinen Strahl durchbricht,
Kann euer scharfer Witz den Ursprung von dem Bösen,
Das Rätzel aller Zeit ohn Wiederspruch auflösen?
Komt her und lehret mich, wie wirds nach dieser Zeit,
Mit einer andern Welt vollkomner Seligkeit,
Wornach die Sehnsucht doch der Seelen sich bestrebet,
Die durch geheimen Trieb sich immer mehr erhebet,
Denn dieser starke Zug der von dem Schöpfer stammt,
Jst auch von ewgen GOtt in unsern Herz entflammt.
Wie komt man an den Ort den unser Wille suchet
Da uns des Richters Spruch in unsern Busen fluchet
Hie
Der Menſch.
Das er zum Ober Herrn der ganzen Welt erwaͤhlet,
Und mit der Seligkeit des Ewigen vermaͤhlet.
Gefallnes Jammer Bild! wo iſt die Herrligkeit,
Des edlen Unſchuld Stands, der vormahls guͤldnen Zeit
Die iſt ſchon laͤngſt dahin, denn bei der Schuld der
Suͤnden,
Die Leib und Geiſt verdirbt, iſt ſie nicht mehr zu
finden
Statt daß der Menſch vorhin des Hoͤchſten Bildnis
war,
So ſtellt er ganz verſtellt des Satans Larve dar;
Anſtat der Weisheit Licht, das ihn vorhin gezieret,
Und auf den rechten Weg des wahren Gluͤks gefuͤhret
Jſt der Verſtand verwirrt, dem man ein Blend Licht
nennt,
Des flatterhafter Schein nunmehr ſo dunkel brennt,
Daß keiner dabei wird die Thuͤr des Himmels ſehen,
Vielweniger den Weg drauf wir zu ſolcher gehen.
Jhr Weiſen der Vernunft komt her und ſagt mir an,
Was hat der arme Menſch der ſo verderbt gethan?
Denn GOttes weiſe Hand die ihn zuerſt gebildet,
Hat ihn ſo nimmermehr, wie er jetzt iſt, geſchildet;
Komt her und zeiget mir, daß eur Verſtand ein Licht,
Der alle Finſternis mit ſeinen Strahl durchbricht,
Kann euer ſcharfer Witz den Urſprung von dem Boͤſen,
Das Raͤtzel aller Zeit ohn Wiederſpruch aufloͤſen?
Komt her und lehret mich, wie wirds nach dieſer Zeit,
Mit einer andern Welt vollkomner Seligkeit,
Wornach die Sehnſucht doch der Seelen ſich beſtrebet,
Die durch geheimen Trieb ſich immer mehr erhebet,
Denn dieſer ſtarke Zug der von dem Schoͤpfer ſtammt,
Jſt auch von ewgen GOtt in unſern Herz entflammt.
Wie komt man an den Ort den unſer Wille ſuchet
Da uns des Richters Spruch in unſern Buſen fluchet
Hie
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[77/0093] Der Menſch. Das er zum Ober Herrn der ganzen Welt erwaͤhlet, Und mit der Seligkeit des Ewigen vermaͤhlet. Gefallnes Jammer Bild! wo iſt die Herrligkeit, Des edlen Unſchuld Stands, der vormahls guͤldnen Zeit Die iſt ſchon laͤngſt dahin, denn bei der Schuld der Suͤnden, Die Leib und Geiſt verdirbt, iſt ſie nicht mehr zu finden Statt daß der Menſch vorhin des Hoͤchſten Bildnis war, So ſtellt er ganz verſtellt des Satans Larve dar; Anſtat der Weisheit Licht, das ihn vorhin gezieret, Und auf den rechten Weg des wahren Gluͤks gefuͤhret Jſt der Verſtand verwirrt, dem man ein Blend Licht nennt, Des flatterhafter Schein nunmehr ſo dunkel brennt, Daß keiner dabei wird die Thuͤr des Himmels ſehen, Vielweniger den Weg drauf wir zu ſolcher gehen. Jhr Weiſen der Vernunft komt her und ſagt mir an, Was hat der arme Menſch der ſo verderbt gethan? Denn GOttes weiſe Hand die ihn zuerſt gebildet, Hat ihn ſo nimmermehr, wie er jetzt iſt, geſchildet; Komt her und zeiget mir, daß eur Verſtand ein Licht, Der alle Finſternis mit ſeinen Strahl durchbricht, Kann euer ſcharfer Witz den Urſprung von dem Boͤſen, Das Raͤtzel aller Zeit ohn Wiederſpruch aufloͤſen? Komt her und lehret mich, wie wirds nach dieſer Zeit, Mit einer andern Welt vollkomner Seligkeit, Wornach die Sehnſucht doch der Seelen ſich beſtrebet, Die durch geheimen Trieb ſich immer mehr erhebet, Denn dieſer ſtarke Zug der von dem Schoͤpfer ſtammt, Jſt auch von ewgen GOtt in unſern Herz entflammt. Wie komt man an den Ort den unſer Wille ſuchet Da uns des Richters Spruch in unſern Buſen fluchet Hie

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/93>, abgerufen am 29.03.2024.