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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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"Sieg meinem Herrscher, dem Auge des Reichs!
Draußen harrt ein Hellene, der, nach seiner Gestalt und
Haltung zu urtheilen, einer der Edelsten seines Stammes
zu sein scheint. Derselbe behauptet, die Unschuld Bartjas
beweisen zu können."

Der König lachte bitter auf und rief: "Ein Hel-
lene!? Vielleicht ein Verwandter der Schönen, die Bartja
so heiß zu lieben vorgab? Was will dieser Fremdling von
den Angelegenheiten meines Hauses wissen? Aber ich
kenne diese jonischen Hungerleider! Frech und schamlos
mischen sie sich in Alles, und glauben uns mit ihrer Schlau-
heit und ihren Ränken bethören zu können! Wie viel hast
Du für den neuen Zeugen bezahlt, mein Oheim? Den
Griechen geht eine Lüge so leicht von den Lippen, wie
den Magiern ein Segensspruch, und ich weiß recht gut,
daß sie mit Gold für Alles zu gewinnen sind. Jch bin
neugierig, Deinen Zeugen zu sehn. Ruf' ihn! Wenn er
mich belügen will, so mag er jedoch bleiben wo er ist, und
bedenken, daß es, wo das Haupt eines Kyros-Sohnes fällt,
auf einen Griechenkopf nicht ankommen kann!" -- Bei
diesen Worten flammte das Auge des Königs zornig auf;
Hystaspes aber ließ den Hellenen rufen.

Ehe derselbe in die Halle trat, banden ihm die Stab-
träger ein Tuch vor den Mund und befahlen ihm, sich
vor dem Könige niederzuwerfen. Der Grieche ging dem
Herrscher, welcher ihn durchdringend anblickte, mit edlem
Anstand entgegen und warf sich vor demselben, die Erde
küssend, nach persischer Sitte nieder.

Das anmuthige Wesen und die schöne Gestalt des
Fremden, der seinen Blick ruhig und bescheiden ertragen
hatte, schien dem Könige zu behagen, denn er ließ ihn nicht
lange am Boden liegen und fragte ihn nicht eben unfreundlich:

„Sieg meinem Herrſcher, dem Auge des Reichs!
Draußen harrt ein Hellene, der, nach ſeiner Geſtalt und
Haltung zu urtheilen, einer der Edelſten ſeines Stammes
zu ſein ſcheint. Derſelbe behauptet, die Unſchuld Bartjas
beweiſen zu können.“

Der König lachte bitter auf und rief: „Ein Hel-
lene!? Vielleicht ein Verwandter der Schönen, die Bartja
ſo heiß zu lieben vorgab? Was will dieſer Fremdling von
den Angelegenheiten meines Hauſes wiſſen? Aber ich
kenne dieſe joniſchen Hungerleider! Frech und ſchamlos
miſchen ſie ſich in Alles, und glauben uns mit ihrer Schlau-
heit und ihren Ränken bethören zu können! Wie viel haſt
Du für den neuen Zeugen bezahlt, mein Oheim? Den
Griechen geht eine Lüge ſo leicht von den Lippen, wie
den Magiern ein Segensſpruch, und ich weiß recht gut,
daß ſie mit Gold für Alles zu gewinnen ſind. Jch bin
neugierig, Deinen Zeugen zu ſehn. Ruf’ ihn! Wenn er
mich belügen will, ſo mag er jedoch bleiben wo er iſt, und
bedenken, daß es, wo das Haupt eines Kyros-Sohnes fällt,
auf einen Griechenkopf nicht ankommen kann!“ — Bei
dieſen Worten flammte das Auge des Königs zornig auf;
Hyſtaspes aber ließ den Hellenen rufen.

Ehe derſelbe in die Halle trat, banden ihm die Stab-
träger ein Tuch vor den Mund und befahlen ihm, ſich
vor dem Könige niederzuwerfen. Der Grieche ging dem
Herrſcher, welcher ihn durchdringend anblickte, mit edlem
Anſtand entgegen und warf ſich vor demſelben, die Erde
küſſend, nach perſiſcher Sitte nieder.

Das anmuthige Weſen und die ſchöne Geſtalt des
Fremden, der ſeinen Blick ruhig und beſcheiden ertragen
hatte, ſchien dem Könige zu behagen, denn er ließ ihn nicht
lange am Boden liegen und fragte ihn nicht eben unfreundlich:

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[207/0209] „Sieg meinem Herrſcher, dem Auge des Reichs! Draußen harrt ein Hellene, der, nach ſeiner Geſtalt und Haltung zu urtheilen, einer der Edelſten ſeines Stammes zu ſein ſcheint. Derſelbe behauptet, die Unſchuld Bartjas beweiſen zu können.“ Der König lachte bitter auf und rief: „Ein Hel- lene!? Vielleicht ein Verwandter der Schönen, die Bartja ſo heiß zu lieben vorgab? Was will dieſer Fremdling von den Angelegenheiten meines Hauſes wiſſen? Aber ich kenne dieſe joniſchen Hungerleider! Frech und ſchamlos miſchen ſie ſich in Alles, und glauben uns mit ihrer Schlau- heit und ihren Ränken bethören zu können! Wie viel haſt Du für den neuen Zeugen bezahlt, mein Oheim? Den Griechen geht eine Lüge ſo leicht von den Lippen, wie den Magiern ein Segensſpruch, und ich weiß recht gut, daß ſie mit Gold für Alles zu gewinnen ſind. Jch bin neugierig, Deinen Zeugen zu ſehn. Ruf’ ihn! Wenn er mich belügen will, ſo mag er jedoch bleiben wo er iſt, und bedenken, daß es, wo das Haupt eines Kyros-Sohnes fällt, auf einen Griechenkopf nicht ankommen kann!“ — Bei dieſen Worten flammte das Auge des Königs zornig auf; Hyſtaspes aber ließ den Hellenen rufen. Ehe derſelbe in die Halle trat, banden ihm die Stab- träger ein Tuch vor den Mund und befahlen ihm, ſich vor dem Könige niederzuwerfen. Der Grieche ging dem Herrſcher, welcher ihn durchdringend anblickte, mit edlem Anſtand entgegen und warf ſich vor demſelben, die Erde küſſend, nach perſiſcher Sitte nieder. Das anmuthige Weſen und die ſchöne Geſtalt des Fremden, der ſeinen Blick ruhig und beſcheiden ertragen hatte, ſchien dem Könige zu behagen, denn er ließ ihn nicht lange am Boden liegen und fragte ihn nicht eben unfreundlich:

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/209>, abgerufen am 19.04.2024.