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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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"Ja, mein König. Gaumata gleicht Deinem Bruder
Bartja so auffallend, daß man ihn stets in der Priester-
schule zu Rhagae, woselbst er sich noch heute befindet,
den Prinzen nannte."

"War derselbe in der jüngsten Zeit zu Babylon?"

"Während des Neujahrsfestes zum Letztenmale."

"Sprichst Du die Wahrheit?"

"Mein Kleid und mein Amt würden mich doppelt
strafbar machen, wenn ich meinen Mund zu einer Lüge
öffnen wollte."

Der König erröthete bei diesen Worten vor Zorn und
rief: "Dennoch lügst Du, denn Gaumata war gestern
Abend hier! Du erbebst mit gutem Grunde!"

"Mein Leben gehört Dir, dem Alles gehört; dennoch
schwöre ich, der Oberpriester, bei dem höchsten Gotte, dem
ich dreißig Jahre lang treu gedient habe, daß ich nichts
von der gestrigen Anwesenheit meines Bruders zu Baby-
lon weiß."

"Dein Angesicht trägt die Züge der Wahrhaftigkeit."

"Du weißt, daß ich am gestrigen hohen Tage keinen
Augenblick von Deiner Seite gewichen bin."

"Jch weiß."

Abermals öffneten sich die Pforten, um die zitternde
Mandane einzulassen. -- Der Oberpriester sah dieselbe
staunend und fragend an. Dem aufmerksam beobachtenden
Auge des Königs entging es nicht, daß die Zofe in einer
gewissen Beziehung zu Oropastes stand, darum fragte er
denselben, ohne das zitternde Mädchen, welches vor seinen
Füßen lag, zu beachten: "Kennst Du dieß Weib?"

"Ja, mein König. Sie erhielt durch meine Vermitt-
lung die hohe Stelle einer ersten Dienerin und Oberin
alles Gesindes bei Deiner zukünftigen Gattin."

„Ja, mein König. Gaumata gleicht Deinem Bruder
Bartja ſo auffallend, daß man ihn ſtets in der Prieſter-
ſchule zu Rhagae, woſelbſt er ſich noch heute befindet,
den Prinzen nannte.“

„War derſelbe in der jüngſten Zeit zu Babylon?“

„Während des Neujahrsfeſtes zum Letztenmale.“

„Sprichſt Du die Wahrheit?“

„Mein Kleid und mein Amt würden mich doppelt
ſtrafbar machen, wenn ich meinen Mund zu einer Lüge
öffnen wollte.“

Der König erröthete bei dieſen Worten vor Zorn und
rief: „Dennoch lügſt Du, denn Gaumata war geſtern
Abend hier! Du erbebſt mit gutem Grunde!“

„Mein Leben gehört Dir, dem Alles gehört; dennoch
ſchwöre ich, der Oberprieſter, bei dem höchſten Gotte, dem
ich dreißig Jahre lang treu gedient habe, daß ich nichts
von der geſtrigen Anweſenheit meines Bruders zu Baby-
lon weiß.“

„Dein Angeſicht trägt die Züge der Wahrhaftigkeit.“

„Du weißt, daß ich am geſtrigen hohen Tage keinen
Augenblick von Deiner Seite gewichen bin.“

„Jch weiß.“

Abermals öffneten ſich die Pforten, um die zitternde
Mandane einzulaſſen. — Der Oberprieſter ſah dieſelbe
ſtaunend und fragend an. Dem aufmerkſam beobachtenden
Auge des Königs entging es nicht, daß die Zofe in einer
gewiſſen Beziehung zu Oropaſtes ſtand, darum fragte er
denſelben, ohne das zitternde Mädchen, welches vor ſeinen
Füßen lag, zu beachten: „Kennſt Du dieß Weib?“

„Ja, mein König. Sie erhielt durch meine Vermitt-
lung die hohe Stelle einer erſten Dienerin und Oberin
alles Geſindes bei Deiner zukünftigen Gattin.“

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[223/0225] „Ja, mein König. Gaumata gleicht Deinem Bruder Bartja ſo auffallend, daß man ihn ſtets in der Prieſter- ſchule zu Rhagae, woſelbſt er ſich noch heute befindet, den Prinzen nannte.“ „War derſelbe in der jüngſten Zeit zu Babylon?“ „Während des Neujahrsfeſtes zum Letztenmale.“ „Sprichſt Du die Wahrheit?“ „Mein Kleid und mein Amt würden mich doppelt ſtrafbar machen, wenn ich meinen Mund zu einer Lüge öffnen wollte.“ Der König erröthete bei dieſen Worten vor Zorn und rief: „Dennoch lügſt Du, denn Gaumata war geſtern Abend hier! Du erbebſt mit gutem Grunde!“ „Mein Leben gehört Dir, dem Alles gehört; dennoch ſchwöre ich, der Oberprieſter, bei dem höchſten Gotte, dem ich dreißig Jahre lang treu gedient habe, daß ich nichts von der geſtrigen Anweſenheit meines Bruders zu Baby- lon weiß.“ „Dein Angeſicht trägt die Züge der Wahrhaftigkeit.“ „Du weißt, daß ich am geſtrigen hohen Tage keinen Augenblick von Deiner Seite gewichen bin.“ „Jch weiß.“ Abermals öffneten ſich die Pforten, um die zitternde Mandane einzulaſſen. — Der Oberprieſter ſah dieſelbe ſtaunend und fragend an. Dem aufmerkſam beobachtenden Auge des Königs entging es nicht, daß die Zofe in einer gewiſſen Beziehung zu Oropaſtes ſtand, darum fragte er denſelben, ohne das zitternde Mädchen, welches vor ſeinen Füßen lag, zu beachten: „Kennſt Du dieß Weib?“ „Ja, mein König. Sie erhielt durch meine Vermitt- lung die hohe Stelle einer erſten Dienerin und Oberin alles Geſindes bei Deiner zukünftigen Gattin.“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/225>, abgerufen am 20.04.2024.