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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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blickte er auf das Mädchen hernieder und herrschte ihr zu:
"Erhebe Dich!"

Mandane stand zitternd und bebend auf. Jhr fri-
sches Gesichtchen war bleich wie der Tod geworden, und
ihre rothen Lippen hatten eine bläuliche Farbe ange-
nommen.

"Erzähle, was Du vom gestrigen Abende weißt; be-
denke aber, daß eine Lüge und Dein Tod Dasselbe be-
deutet!"

Die Kniee der Geängstigten bebten so stark, daß sie
sich kaum aufrecht zu halten und vor Furcht kein Wort zu
sprechen vermochte.

"Meine Geduld ist kurz!" rief ihr Kambyses von
Neuem zu.

Mandane schrack zusammen, wurde noch bleicher und
fühlte sich unfähiger zu sprechen, als vorher. -- Da trat
Phanes an den zornigen König heran und bat ihn leise,
ihm zu gestatten, dieß Weib zu verhören. Jhr Mund,
den jetzt die Angst verschließe, werde von einem begüti-
genden Worte sogleich geöffnet werden.

Kambyses nickte ihm willfährig zu, und was der
Athener vorausgesagt hatte, bewahrheitete sich; denn kaum
hatte er Mandane des Wohlwollens aller Anwesenden
versichert, seine Hand auf ihr Haupt gelegt und ihr freund-
lich zugeredet, als sich der Quell ihrer Augen öffnete, ein
Thränenstrom ihre Wangen benetzte und der Bann, welcher
ihre Zunge gefesselt hatte, dahin schwand. Nun erzählte
sie, von leisem Schluchzen unterbrochen, Alles, was sie
wußte, verschwieg nicht, daß Boges jenes Stelldichein un-
terstützt habe, und schloß mit den Worten: "Jch weiß
wohl, daß ich mein Leben verwirkt habe und daß ich das
schlechteste und undankbarste Wesen auf der Welt bin; all'

Ebers, Eine ägyptische Königstochter. II. 15

blickte er auf das Mädchen hernieder und herrſchte ihr zu:
„Erhebe Dich!“

Mandane ſtand zitternd und bebend auf. Jhr fri-
ſches Geſichtchen war bleich wie der Tod geworden, und
ihre rothen Lippen hatten eine bläuliche Farbe ange-
nommen.

„Erzähle, was Du vom geſtrigen Abende weißt; be-
denke aber, daß eine Lüge und Dein Tod Daſſelbe be-
deutet!“

Die Kniee der Geängſtigten bebten ſo ſtark, daß ſie
ſich kaum aufrecht zu halten und vor Furcht kein Wort zu
ſprechen vermochte.

„Meine Geduld iſt kurz!“ rief ihr Kambyſes von
Neuem zu.

Mandane ſchrack zuſammen, wurde noch bleicher und
fühlte ſich unfähiger zu ſprechen, als vorher. — Da trat
Phanes an den zornigen König heran und bat ihn leiſe,
ihm zu geſtatten, dieß Weib zu verhören. Jhr Mund,
den jetzt die Angſt verſchließe, werde von einem begüti-
genden Worte ſogleich geöffnet werden.

Kambyſes nickte ihm willfährig zu, und was der
Athener vorausgeſagt hatte, bewahrheitete ſich; denn kaum
hatte er Mandane des Wohlwollens aller Anweſenden
verſichert, ſeine Hand auf ihr Haupt gelegt und ihr freund-
lich zugeredet, als ſich der Quell ihrer Augen öffnete, ein
Thränenſtrom ihre Wangen benetzte und der Bann, welcher
ihre Zunge gefeſſelt hatte, dahin ſchwand. Nun erzählte
ſie, von leiſem Schluchzen unterbrochen, Alles, was ſie
wußte, verſchwieg nicht, daß Boges jenes Stelldichein un-
terſtützt habe, und ſchloß mit den Worten: „Jch weiß
wohl, daß ich mein Leben verwirkt habe und daß ich das
ſchlechteſte und undankbarſte Weſen auf der Welt bin; all’

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. II. 15
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[225/0227] blickte er auf das Mädchen hernieder und herrſchte ihr zu: „Erhebe Dich!“ Mandane ſtand zitternd und bebend auf. Jhr fri- ſches Geſichtchen war bleich wie der Tod geworden, und ihre rothen Lippen hatten eine bläuliche Farbe ange- nommen. „Erzähle, was Du vom geſtrigen Abende weißt; be- denke aber, daß eine Lüge und Dein Tod Daſſelbe be- deutet!“ Die Kniee der Geängſtigten bebten ſo ſtark, daß ſie ſich kaum aufrecht zu halten und vor Furcht kein Wort zu ſprechen vermochte. „Meine Geduld iſt kurz!“ rief ihr Kambyſes von Neuem zu. Mandane ſchrack zuſammen, wurde noch bleicher und fühlte ſich unfähiger zu ſprechen, als vorher. — Da trat Phanes an den zornigen König heran und bat ihn leiſe, ihm zu geſtatten, dieß Weib zu verhören. Jhr Mund, den jetzt die Angſt verſchließe, werde von einem begüti- genden Worte ſogleich geöffnet werden. Kambyſes nickte ihm willfährig zu, und was der Athener vorausgeſagt hatte, bewahrheitete ſich; denn kaum hatte er Mandane des Wohlwollens aller Anweſenden verſichert, ſeine Hand auf ihr Haupt gelegt und ihr freund- lich zugeredet, als ſich der Quell ihrer Augen öffnete, ein Thränenſtrom ihre Wangen benetzte und der Bann, welcher ihre Zunge gefeſſelt hatte, dahin ſchwand. Nun erzählte ſie, von leiſem Schluchzen unterbrochen, Alles, was ſie wußte, verſchwieg nicht, daß Boges jenes Stelldichein un- terſtützt habe, und ſchloß mit den Worten: „Jch weiß wohl, daß ich mein Leben verwirkt habe und daß ich das ſchlechteſte und undankbarſte Weſen auf der Welt bin; all’ Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. II. 15

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/227>, abgerufen am 29.03.2024.