Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

nen, goldhaarige Perserinnen und die weichlichen Töchter
der medischen Ebene gehörten ihm; ja mehrere Kinder der
edelsten Achämeniden hatten dem Königssohne als rechte
Gattinnen die Hand gereicht.

Phädyme, die Tochter des edlen Otanes, die Nichte
seiner Mutter Kassandane, war bis dahin sein Lieblings-
weib, oder vielmehr die Einzige gewesen, von der man
denken konnte, sie stände seinem Herzen näher, als eine
erkaufte Sclavin. -- Aber auch diese schien dem Ueber-
drusse und der Uebersättigung des Königs gemein und
verächtlich.

Nitetis hatte sich, um ihm zu gefallen, ernsten gei-
stigen Anstrengungen unterworfen, Nitetis verschmähte es,
selbst auf die Gefahr hin, seinen Zorn zu reizen, dem
Eunuchen-Obersten zu schmeicheln, Nitetis war besser, als
all' die Andern und sollte von jetzt an Phädymes Stelle
einnehmen.

Sie allein konnte ihm mit Kenntnissen und Rath zur
Seite stehen, während die Uebrigen unwissend, wie die
Kinder, nur für Putz und Schmuck, für kleinliche Ränke
und nichtige Tändeleien lebten. Die Aegypterin mußte
ihn lieben, denn er war ihre Stütze, ihr Herr, ihr Va-
ter und ihr Bruder in dem ihr fremden Lande.

"Sie muß," sagte er sich, und sein Wille schien dem
Tyrannen so gültig, als die schon vollbrachte That. "Bartja
mag nur wiederkommen," murmelte er vor sich hin; "er
wird erfahren, was den erwartet, welcher meine Wege zu
kreuzen wagt!"



Auch Nitetis hatte eine unruhige Nacht.

Jn dem an ihre Gemächer grenzenden Versammlungs-
saale der Weiber sang, tobte und lärmte man bis gegen

nen, goldhaarige Perſerinnen und die weichlichen Töchter
der mediſchen Ebene gehörten ihm; ja mehrere Kinder der
edelſten Achämeniden hatten dem Königsſohne als rechte
Gattinnen die Hand gereicht.

Phädyme, die Tochter des edlen Otanes, die Nichte
ſeiner Mutter Kaſſandane, war bis dahin ſein Lieblings-
weib, oder vielmehr die Einzige geweſen, von der man
denken konnte, ſie ſtände ſeinem Herzen näher, als eine
erkaufte Sclavin. — Aber auch dieſe ſchien dem Ueber-
druſſe und der Ueberſättigung des Königs gemein und
verächtlich.

Nitetis hatte ſich, um ihm zu gefallen, ernſten gei-
ſtigen Anſtrengungen unterworfen, Nitetis verſchmähte es,
ſelbſt auf die Gefahr hin, ſeinen Zorn zu reizen, dem
Eunuchen-Oberſten zu ſchmeicheln, Nitetis war beſſer, als
all’ die Andern und ſollte von jetzt an Phädymes Stelle
einnehmen.

Sie allein konnte ihm mit Kenntniſſen und Rath zur
Seite ſtehen, während die Uebrigen unwiſſend, wie die
Kinder, nur für Putz und Schmuck, für kleinliche Ränke
und nichtige Tändeleien lebten. Die Aegypterin mußte
ihn lieben, denn er war ihre Stütze, ihr Herr, ihr Va-
ter und ihr Bruder in dem ihr fremden Lande.

„Sie muß,“ ſagte er ſich, und ſein Wille ſchien dem
Tyrannen ſo gültig, als die ſchon vollbrachte That. „Bartja
mag nur wiederkommen,“ murmelte er vor ſich hin; „er
wird erfahren, was den erwartet, welcher meine Wege zu
kreuzen wagt!“



Auch Nitetis hatte eine unruhige Nacht.

Jn dem an ihre Gemächer grenzenden Verſammlungs-
ſaale der Weiber ſang, tobte und lärmte man bis gegen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="31"/>
nen, goldhaarige Per&#x017F;erinnen und die weichlichen Töchter<lb/>
der medi&#x017F;chen Ebene gehörten ihm; ja mehrere Kinder der<lb/>
edel&#x017F;ten Achämeniden hatten dem Königs&#x017F;ohne als rechte<lb/>
Gattinnen die Hand gereicht.</p><lb/>
        <p>Phädyme, die Tochter des edlen Otanes, die Nichte<lb/>
&#x017F;einer Mutter Ka&#x017F;&#x017F;andane, war bis dahin &#x017F;ein Lieblings-<lb/>
weib, oder vielmehr die Einzige gewe&#x017F;en, von der man<lb/>
denken konnte, &#x017F;ie &#x017F;tände &#x017F;einem Herzen näher, als eine<lb/>
erkaufte Sclavin. &#x2014; Aber auch die&#x017F;e &#x017F;chien dem Ueber-<lb/>
dru&#x017F;&#x017F;e und der Ueber&#x017F;ättigung des Königs gemein und<lb/>
verächtlich.</p><lb/>
        <p>Nitetis hatte &#x017F;ich, um ihm zu gefallen, ern&#x017F;ten gei-<lb/>
&#x017F;tigen An&#x017F;trengungen unterworfen, Nitetis ver&#x017F;chmähte es,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t auf die Gefahr hin, &#x017F;einen Zorn zu reizen, dem<lb/>
Eunuchen-Ober&#x017F;ten zu &#x017F;chmeicheln, Nitetis war be&#x017F;&#x017F;er, als<lb/>
all&#x2019; die Andern und &#x017F;ollte von jetzt an Phädymes Stelle<lb/>
einnehmen.</p><lb/>
        <p>Sie allein konnte ihm mit Kenntni&#x017F;&#x017F;en und Rath zur<lb/>
Seite &#x017F;tehen, während die Uebrigen unwi&#x017F;&#x017F;end, wie die<lb/>
Kinder, nur für Putz und Schmuck, für kleinliche Ränke<lb/>
und nichtige Tändeleien lebten. Die Aegypterin mußte<lb/>
ihn lieben, denn er war ihre Stütze, ihr Herr, ihr Va-<lb/>
ter und ihr Bruder in dem ihr fremden Lande.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie muß,&#x201C; &#x017F;agte er &#x017F;ich, und &#x017F;ein Wille &#x017F;chien dem<lb/>
Tyrannen &#x017F;o gültig, als die &#x017F;chon vollbrachte That. &#x201E;Bartja<lb/>
mag nur wiederkommen,&#x201C; murmelte er vor &#x017F;ich hin; &#x201E;er<lb/>
wird erfahren, was den erwartet, welcher meine Wege zu<lb/>
kreuzen wagt!&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Auch Nitetis hatte eine unruhige Nacht.</p><lb/>
        <p>Jn dem an ihre Gemächer grenzenden Ver&#x017F;ammlungs-<lb/>
&#x017F;aale der Weiber &#x017F;ang, tobte und lärmte man bis gegen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0033] nen, goldhaarige Perſerinnen und die weichlichen Töchter der mediſchen Ebene gehörten ihm; ja mehrere Kinder der edelſten Achämeniden hatten dem Königsſohne als rechte Gattinnen die Hand gereicht. Phädyme, die Tochter des edlen Otanes, die Nichte ſeiner Mutter Kaſſandane, war bis dahin ſein Lieblings- weib, oder vielmehr die Einzige geweſen, von der man denken konnte, ſie ſtände ſeinem Herzen näher, als eine erkaufte Sclavin. — Aber auch dieſe ſchien dem Ueber- druſſe und der Ueberſättigung des Königs gemein und verächtlich. Nitetis hatte ſich, um ihm zu gefallen, ernſten gei- ſtigen Anſtrengungen unterworfen, Nitetis verſchmähte es, ſelbſt auf die Gefahr hin, ſeinen Zorn zu reizen, dem Eunuchen-Oberſten zu ſchmeicheln, Nitetis war beſſer, als all’ die Andern und ſollte von jetzt an Phädymes Stelle einnehmen. Sie allein konnte ihm mit Kenntniſſen und Rath zur Seite ſtehen, während die Uebrigen unwiſſend, wie die Kinder, nur für Putz und Schmuck, für kleinliche Ränke und nichtige Tändeleien lebten. Die Aegypterin mußte ihn lieben, denn er war ihre Stütze, ihr Herr, ihr Va- ter und ihr Bruder in dem ihr fremden Lande. „Sie muß,“ ſagte er ſich, und ſein Wille ſchien dem Tyrannen ſo gültig, als die ſchon vollbrachte That. „Bartja mag nur wiederkommen,“ murmelte er vor ſich hin; „er wird erfahren, was den erwartet, welcher meine Wege zu kreuzen wagt!“ Auch Nitetis hatte eine unruhige Nacht. Jn dem an ihre Gemächer grenzenden Verſammlungs- ſaale der Weiber ſang, tobte und lärmte man bis gegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/33
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/33>, abgerufen am 19.04.2024.