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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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genblatt abdrucken ließe, wie würde sich das aus¬
nehmen! --"

"Unterdessen, fuhr er heiter fort, wollen wir es gut
seyn lassen und uns unseres kräftigen Mädchens in
Halle freuen, die uns mit männlichem Geiste in die
serbische Welt einführt. Die Gedichte sind vortrefflich!
es sind einige darunter, die sich dem hohen Liede an
die Seite setzen lassen, und das will etwas heißen. Ich
habe den Aufsatz über diese Gedichte beendigt und er ist
auch bereits abgedruckt." Mit diesen Worten reichte er
mir die ersten vier Aushängebogen eines neuen Heftes
von Kunst und Alterthum zu, wo ich diesen Aufsatz
fand. "Ich habe die einzelnen Gedichte ihrem Haupt¬
inhalte nach mit kurzen Worten characterisirt und Sie
werden sich über die köstlichen Motive freuen. Rehbein
ist ja auch der Poesie nicht unkundig, wenigstens was
den Gehalt und Stoff betrifft, und er hört vielleicht
gerne mit zu, wenn Sie diese Stelle vorlesen."

Ich las den Inhalt der einzelnen Gedichte langsam.
Die angedeuteten Situationen waren so sprechend und
so zeichnend, daß mir bey einem jeden Wort ein ganzes
Gedicht sich vor den Augen aufbildete. Besonders an¬
muthig wollten mir die folgenden erscheinen.

1.

Sittsamkeit eines serbischen Mädchens, welches die
schönen Augenwimpern niemals aufschlägt.

genblatt abdrucken ließe, wie wuͤrde ſich das aus¬
nehmen! —“

„Unterdeſſen, fuhr er heiter fort, wollen wir es gut
ſeyn laſſen und uns unſeres kraͤftigen Maͤdchens in
Halle freuen, die uns mit maͤnnlichem Geiſte in die
ſerbiſche Welt einfuͤhrt. Die Gedichte ſind vortrefflich!
es ſind einige darunter, die ſich dem hohen Liede an
die Seite ſetzen laſſen, und das will etwas heißen. Ich
habe den Aufſatz uͤber dieſe Gedichte beendigt und er iſt
auch bereits abgedruckt.“ Mit dieſen Worten reichte er
mir die erſten vier Aushaͤngebogen eines neuen Heftes
von Kunſt und Alterthum zu, wo ich dieſen Aufſatz
fand. „Ich habe die einzelnen Gedichte ihrem Haupt¬
inhalte nach mit kurzen Worten characteriſirt und Sie
werden ſich uͤber die koͤſtlichen Motive freuen. Rehbein
iſt ja auch der Poeſie nicht unkundig, wenigſtens was
den Gehalt und Stoff betrifft, und er hoͤrt vielleicht
gerne mit zu, wenn Sie dieſe Stelle vorleſen.“

Ich las den Inhalt der einzelnen Gedichte langſam.
Die angedeuteten Situationen waren ſo ſprechend und
ſo zeichnend, daß mir bey einem jeden Wort ein ganzes
Gedicht ſich vor den Augen aufbildete. Beſonders an¬
muthig wollten mir die folgenden erſcheinen.

1.

Sittſamkeit eines ſerbiſchen Maͤdchens, welches die
ſchoͤnen Augenwimpern niemals aufſchlaͤgt.

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[187/0207] genblatt abdrucken ließe, wie wuͤrde ſich das aus¬ nehmen! —“ „Unterdeſſen, fuhr er heiter fort, wollen wir es gut ſeyn laſſen und uns unſeres kraͤftigen Maͤdchens in Halle freuen, die uns mit maͤnnlichem Geiſte in die ſerbiſche Welt einfuͤhrt. Die Gedichte ſind vortrefflich! es ſind einige darunter, die ſich dem hohen Liede an die Seite ſetzen laſſen, und das will etwas heißen. Ich habe den Aufſatz uͤber dieſe Gedichte beendigt und er iſt auch bereits abgedruckt.“ Mit dieſen Worten reichte er mir die erſten vier Aushaͤngebogen eines neuen Heftes von Kunſt und Alterthum zu, wo ich dieſen Aufſatz fand. „Ich habe die einzelnen Gedichte ihrem Haupt¬ inhalte nach mit kurzen Worten characteriſirt und Sie werden ſich uͤber die koͤſtlichen Motive freuen. Rehbein iſt ja auch der Poeſie nicht unkundig, wenigſtens was den Gehalt und Stoff betrifft, und er hoͤrt vielleicht gerne mit zu, wenn Sie dieſe Stelle vorleſen.“ Ich las den Inhalt der einzelnen Gedichte langſam. Die angedeuteten Situationen waren ſo ſprechend und ſo zeichnend, daß mir bey einem jeden Wort ein ganzes Gedicht ſich vor den Augen aufbildete. Beſonders an¬ muthig wollten mir die folgenden erſcheinen. 1. Sittſamkeit eines ſerbiſchen Maͤdchens, welches die ſchoͤnen Augenwimpern niemals aufſchlaͤgt.

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/207>, abgerufen am 28.03.2024.