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Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wie in goldnen Kreisen um das ganze stille Haus. Er stutzte und hielt den Athem an, das Herz wurde ihm so leicht und fröhlich bei dem Klange, die Luft kam vom Schloß, er meinte die Weise zu kennen aus alter Zeit. Da schlug er sich plötzlich vor die Stirn, jetzt wußt' er auf einmal das Lied, auf das er sich niemals besinnen konnte, und sang jauchzend aus frischer Brust:

Es ist ein Klang gekommen
Herüber durch die Lust,
Der Wind hat's gebracht und genommen,
Ich weiß nicht, wer mich ruft.
Es schallt der Grund von Hufen,
In der Ferne fiel ein Schuß --
Das sind die Jäger, die rufen,
Daß ich hinunter muß!

Und auf einmal ganz nahe unter dem Garten antwortete die Stimme:

Das sind nicht die Jäger -- im Grunde
Gehn Stimmen hin und her,
Hüt' dich zu dieser Stunde!
Mein Herz ist mir so schwer.
Wer dich lieb hat, macht die Runde,
Steig nieder und frag nicht, wer?
Ich führ' dich aus diesem Grunde --
Dann siehst du mich nimmermehr.

Aber Klarinett hatte schon den Schlafrock abgeworfen, er fühlt' sich auf einmal so leicht in dem alten

wie in goldnen Kreisen um das ganze stille Haus. Er stutzte und hielt den Athem an, das Herz wurde ihm so leicht und fröhlich bei dem Klange, die Luft kam vom Schloß, er meinte die Weise zu kennen aus alter Zeit. Da schlug er sich plötzlich vor die Stirn, jetzt wußt' er auf einmal das Lied, auf das er sich niemals besinnen konnte, und sang jauchzend aus frischer Brust:

Es ist ein Klang gekommen
Herüber durch die Lust,
Der Wind hat's gebracht und genommen,
Ich weiß nicht, wer mich ruft.
Es schallt der Grund von Hufen,
In der Ferne fiel ein Schuß —
Das sind die Jäger, die rufen,
Daß ich hinunter muß!

Und auf einmal ganz nahe unter dem Garten antwortete die Stimme:

Das sind nicht die Jäger — im Grunde
Gehn Stimmen hin und her,
Hüt' dich zu dieser Stunde!
Mein Herz ist mir so schwer.
Wer dich lieb hat, macht die Runde,
Steig nieder und frag nicht, wer?
Ich führ' dich aus diesem Grunde —
Dann siehst du mich nimmermehr.

Aber Klarinett hatte schon den Schlafrock abgeworfen, er fühlt' sich auf einmal so leicht in dem alten

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[0069] wie in goldnen Kreisen um das ganze stille Haus. Er stutzte und hielt den Athem an, das Herz wurde ihm so leicht und fröhlich bei dem Klange, die Luft kam vom Schloß, er meinte die Weise zu kennen aus alter Zeit. Da schlug er sich plötzlich vor die Stirn, jetzt wußt' er auf einmal das Lied, auf das er sich niemals besinnen konnte, und sang jauchzend aus frischer Brust: Es ist ein Klang gekommen Herüber durch die Lust, Der Wind hat's gebracht und genommen, Ich weiß nicht, wer mich ruft. Es schallt der Grund von Hufen, In der Ferne fiel ein Schuß — Das sind die Jäger, die rufen, Daß ich hinunter muß! Und auf einmal ganz nahe unter dem Garten antwortete die Stimme: Das sind nicht die Jäger — im Grunde Gehn Stimmen hin und her, Hüt' dich zu dieser Stunde! Mein Herz ist mir so schwer. Wer dich lieb hat, macht die Runde, Steig nieder und frag nicht, wer? Ich führ' dich aus diesem Grunde — Dann siehst du mich nimmermehr. Aber Klarinett hatte schon den Schlafrock abgeworfen, er fühlt' sich auf einmal so leicht in dem alten

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:27:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:27:42Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Die Glücksritter. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 87–159. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gluecksritter_1910/69>, abgerufen am 18.04.2024.