Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Estor, Johann Georg: Bürgerliche rechtsgelehrsamkeit der Teutschen. Bd. 1. Marburg, 1757.

Bild:
<< vorherige Seite
LIX haubtstück
Neun und funfzigstes haubtstück
von den freien bauern.
§ 433
der freien
bauern vor-
züge?

Genug von den leibeigenen! wir wollen nun
auch von den freien bauern handeln. Die-
ser ihre freiheit bestehet darin, daß sie nicht leibei-
gen sind, im übrigen aber fast eben dasjenige lei-
sten müssen, was die leibeigene schuldig sind.

§ 434
den bauern
kömmt das
völlige ei-
genthum
über die
pacht- und
zinsgüter
nicht zu.

Gestalt dann selbige viele fronen thun, nicht
minder pächte und zinsen z. e. an rauchhünern,
hanen, hünern, gänsen, zehnten, die lehngelter,
den weinkauf geben müssen. Sie haben auch so
wenig, als der leibeigene das völlige eigenthum an
ihren höfen, mithin ist Carpzovs und anderer
lehre irrig, welche sie von der bauern pacht- und
zinsgütern haben, vermöge deren sie dem bauer
darüber das völlige eigenthum zuschreiben. Zu
Sünglis lifert iede baustätte der hiesigen universi-
tät 1 gans, 1 han, 1 hun. Eine nicht bebauete
stätte gibet 1 gans. Wird ein plaz bebauet, ent-
richtet der besizer 1 han, 1 hun und 1 gans.

§ 435
vom ge-
schosse, und
was solches
sei.

Die bauern müssen an vielen orten, wie die
bürger geschoß entrichten, z. e. zu Sünglis zalet
die gemeine jährlich der universität Marburg am
geschosse 14 Casselische gulden, 14 Cassel. Albus.
Das geschoß bedeutet ein von verschiedenen zu-
sammen geschossenes geld.

§ 436
der bauern
zustand ist
hart.

Bei diesen umständen ist der Zustand der bauern
ziemlich hart, indem sie sehr vielen lasten, als über-
bleibsalen der leibeigenschaft noch auf sich haben;

wie-
LIX haubtſtuͤck
Neun und funfzigſtes haubtſtuͤck
von den freien bauern.
§ 433
der freien
bauern vor-
zuͤge?

Genug von den leibeigenen! wir wollen nun
auch von den freien bauern handeln. Die-
ſer ihre freiheit beſtehet darin, daß ſie nicht leibei-
gen ſind, im uͤbrigen aber faſt eben dasjenige lei-
ſten muͤſſen, was die leibeigene ſchuldig ſind.

§ 434
den bauern
koͤmmt das
voͤllige ei-
genthum
uͤber die
pacht- und
zinsguͤter
nicht zu.

Geſtalt dann ſelbige viele fronen thun, nicht
minder paͤchte und zinſen z. e. an rauchhuͤnern,
hanen, huͤnern, gaͤnſen, zehnten, die lehngelter,
den weinkauf geben muͤſſen. Sie haben auch ſo
wenig, als der leibeigene das voͤllige eigenthum an
ihren hoͤfen, mithin iſt Carpzovs und anderer
lehre irrig, welche ſie von der bauern pacht- und
zinsguͤtern haben, vermoͤge deren ſie dem bauer
daruͤber das voͤllige eigenthum zuſchreiben. Zu
Suͤnglis lifert iede bauſtaͤtte der hieſigen univerſi-
taͤt 1 gans, 1 han, 1 hun. Eine nicht bebauete
ſtaͤtte gibet 1 gans. Wird ein plaz bebauet, ent-
richtet der beſizer 1 han, 1 hun und 1 gans.

§ 435
vom ge-
ſchoſſe, und
was ſolches
ſei.

Die bauern muͤſſen an vielen orten, wie die
buͤrger geſchoß entrichten, z. e. zu Suͤnglis zalet
die gemeine jaͤhrlich der univerſitaͤt Marburg am
geſchoſſe 14 Caſſeliſche gulden, 14 Caſſel. Albus.
Das geſchoß bedeutet ein von verſchiedenen zu-
ſammen geſchoſſenes geld.

§ 436
der bauern
zuſtand iſt
hart.

Bei dieſen umſtaͤnden iſt der Zuſtand der bauern
ziemlich hart, indem ſie ſehr vielen laſten, als uͤber-
bleibſalen der leibeigenſchaft noch auf ſich haben;

wie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0190" n="178"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">LIX</hi> haubt&#x017F;tu&#x0364;ck</hi> </fw><lb/>
      <div n="2">
        <head> <hi rendition="#b">Neun und funfzig&#x017F;tes haubt&#x017F;tu&#x0364;ck<lb/>
von den freien bauern.</hi> </head><lb/>
        <div n="3">
          <head>§ 433</head><lb/>
          <note place="left">der freien<lb/>
bauern vor-<lb/>
zu&#x0364;ge?</note>
          <p><hi rendition="#in">G</hi>enug von den leibeigenen! wir wollen nun<lb/>
auch von den freien bauern handeln. Die-<lb/>
&#x017F;er ihre freiheit be&#x017F;tehet darin, daß &#x017F;ie nicht leibei-<lb/>
gen &#x017F;ind, im u&#x0364;brigen aber fa&#x017F;t eben dasjenige lei-<lb/>
&#x017F;ten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, was die leibeigene &#x017F;chuldig &#x017F;ind.</p>
        </div><lb/>
        <div n="3">
          <head>§ 434</head><lb/>
          <note place="left">den bauern<lb/>
ko&#x0364;mmt das<lb/>
vo&#x0364;llige ei-<lb/>
genthum<lb/>
u&#x0364;ber die<lb/>
pacht- und<lb/>
zinsgu&#x0364;ter<lb/>
nicht zu.</note>
          <p>Ge&#x017F;talt dann &#x017F;elbige viele fronen thun, nicht<lb/>
minder pa&#x0364;chte und zin&#x017F;en z. e. an rauchhu&#x0364;nern,<lb/>
hanen, hu&#x0364;nern, ga&#x0364;n&#x017F;en, zehnten, die lehngelter,<lb/>
den weinkauf geben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Sie haben auch &#x017F;o<lb/>
wenig, als der leibeigene das vo&#x0364;llige eigenthum an<lb/>
ihren ho&#x0364;fen, mithin i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Carpzovs</hi> und anderer<lb/>
lehre irrig, welche &#x017F;ie von der bauern pacht- und<lb/>
zinsgu&#x0364;tern haben, vermo&#x0364;ge deren &#x017F;ie dem bauer<lb/>
daru&#x0364;ber das vo&#x0364;llige eigenthum zu&#x017F;chreiben. Zu<lb/>
Su&#x0364;nglis lifert iede bau&#x017F;ta&#x0364;tte der hie&#x017F;igen univer&#x017F;i-<lb/>
ta&#x0364;t 1 gans, 1 han, 1 hun. Eine nicht bebauete<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;tte gibet 1 gans. Wird ein plaz bebauet, ent-<lb/>
richtet der be&#x017F;izer 1 han, 1 hun und 1 gans.</p>
        </div><lb/>
        <div n="3">
          <head>§ 435</head><lb/>
          <note place="left">vom ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;e, und<lb/>
was &#x017F;olches<lb/>
&#x017F;ei.</note>
          <p>Die bauern mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en an vielen orten, wie die<lb/>
bu&#x0364;rger ge&#x017F;choß entrichten, z. e. zu Su&#x0364;nglis zalet<lb/>
die gemeine ja&#x0364;hrlich der univer&#x017F;ita&#x0364;t Marburg am<lb/>
ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;e 14 Ca&#x017F;&#x017F;eli&#x017F;che gulden, 14 Ca&#x017F;&#x017F;el. Albus.<lb/>
Das ge&#x017F;choß bedeutet ein von ver&#x017F;chiedenen zu-<lb/>
&#x017F;ammen ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;enes geld.</p>
        </div><lb/>
        <div n="3">
          <head>§ 436</head><lb/>
          <note place="left">der bauern<lb/>
zu&#x017F;tand i&#x017F;t<lb/>
hart.</note>
          <p>Bei die&#x017F;en um&#x017F;ta&#x0364;nden i&#x017F;t der Zu&#x017F;tand der bauern<lb/>
ziemlich hart, indem &#x017F;ie &#x017F;ehr vielen la&#x017F;ten, als u&#x0364;ber-<lb/>
bleib&#x017F;alen der leibeigen&#x017F;chaft noch auf &#x017F;ich haben;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0190] LIX haubtſtuͤck Neun und funfzigſtes haubtſtuͤck von den freien bauern. § 433 Genug von den leibeigenen! wir wollen nun auch von den freien bauern handeln. Die- ſer ihre freiheit beſtehet darin, daß ſie nicht leibei- gen ſind, im uͤbrigen aber faſt eben dasjenige lei- ſten muͤſſen, was die leibeigene ſchuldig ſind. § 434 Geſtalt dann ſelbige viele fronen thun, nicht minder paͤchte und zinſen z. e. an rauchhuͤnern, hanen, huͤnern, gaͤnſen, zehnten, die lehngelter, den weinkauf geben muͤſſen. Sie haben auch ſo wenig, als der leibeigene das voͤllige eigenthum an ihren hoͤfen, mithin iſt Carpzovs und anderer lehre irrig, welche ſie von der bauern pacht- und zinsguͤtern haben, vermoͤge deren ſie dem bauer daruͤber das voͤllige eigenthum zuſchreiben. Zu Suͤnglis lifert iede bauſtaͤtte der hieſigen univerſi- taͤt 1 gans, 1 han, 1 hun. Eine nicht bebauete ſtaͤtte gibet 1 gans. Wird ein plaz bebauet, ent- richtet der beſizer 1 han, 1 hun und 1 gans. § 435 Die bauern muͤſſen an vielen orten, wie die buͤrger geſchoß entrichten, z. e. zu Suͤnglis zalet die gemeine jaͤhrlich der univerſitaͤt Marburg am geſchoſſe 14 Caſſeliſche gulden, 14 Caſſel. Albus. Das geſchoß bedeutet ein von verſchiedenen zu- ſammen geſchoſſenes geld. § 436 Bei dieſen umſtaͤnden iſt der Zuſtand der bauern ziemlich hart, indem ſie ſehr vielen laſten, als uͤber- bleibſalen der leibeigenſchaft noch auf ſich haben; wie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit01_1757
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit01_1757/190
Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Bürgerliche rechtsgelehrsamkeit der Teutschen. Bd. 1. Marburg, 1757, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit01_1757/190>, abgerufen am 18.04.2024.