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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abschnitt.
oder einfacher Mord, wenn eine andere Person
Gegenstand des Verbrechens war *).

§. 249.

Der Mord setzt zu seinem Begriff, Thätig-
keit der Reflexion und mithin einen Akt der
Willkühr als psychologischen Grund der That
voraus. Dieses ist anzunehmen 1) wenn der
Vorsatz mit Ueberlegung gefasst, obgleich
im Affect ausgeführt worden ist, 2) wenn zuerst
der Vorsatz im Affect entstanden, nachher aber
durch Ueberlegung bestätigt worden ist, 3)
wenn der Verbrecher über den Entschluss selbst
gar nicht reflectirt, sondern ihn bloss in der
Hitze des Affects empfangen, aber mit Ueber-
legung die Mittel zur Ausführung der That
gewählt hat.

§. 250.

Ein Todschlag existirt also nur dann, wenn
1) der Entschluss der Tödung im Affect ent-

stan-
*) Die gewöhnliche Eintheilung, nach welcher man den
Mord zum homicidium simplex rechnet und diesem ein-
fachen Todschlag den qualificirten entgegensetzt,
(s. Koch inst. jur. crim. §. 437.) welcher das latro-
cinium, assassinium, veneficium, homiciaium prodito-
rium
etc. begreifen soll, ist ganz falsch. Die Gift-
mischung, in so ferne sie Tödung zur Folge hat, ist
nichts als Mord und hat dieselbe Strafe. Das Jatro-
cinium, assass. u. hom. prod. sind nichts als beson-
dere Arten des Mords, die man aber im gemeinen
Leben mit einem eigenen Namen bezeichnet hat.
Kein Gesetz nimmt dabey weder härtere noch be-
sondere Grundsätze der Bestrafung an, sie sind da-
her auch keine qualificirten Verbrechen, sondern
gehören in die Lehre vom einfachen Mord und sind
nur als Beyspiele von diesem anzuführen.

II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
oder einfacher Mord, wenn eine andere Perſon
Gegenſtand des Verbrechens war *).

§. 249.

Der Mord ſetzt zu ſeinem Begriff, Thätig-
keit der Reflexion und mithin einen Akt der
Willkühr als pſychologiſchen Grund der That
voraus. Dieſes iſt anzunehmen 1) wenn der
Vorſatz mit Ueberlegung gefaſst, obgleich
im Affect ausgeführt worden iſt, 2) wenn zuerſt
der Vorſatz im Affect entſtanden, nachher aber
durch Ueberlegung beſtätigt worden iſt, 3)
wenn der Verbrecher über den Entſchluſs ſelbſt
gar nicht reflectirt, ſondern ihn bloſs in der
Hitze des Affects empfangen, aber mit Ueber-
legung die Mittel zur Ausführung der That
gewählt hat.

§. 250.

Ein Todſchlag exiſtirt alſo nur dann, wenn
1) der Entſchluſs der Tödung im Affect ent-

ſtan-
*) Die gewöhnliche Eintheilung, nach welcher man den
Mord zum homicidium ſimplex rechnet und dieſem ein-
fachen Todſchlag den qualificirten entgegenſetzt,
(ſ. Koch inſt. jur. crim. §. 437.) welcher das latro-
cinium, aſſaſſinium, veneficium, homiciaium prodito-
rium
etc. begreifen ſoll, iſt ganz falſch. Die Gift-
miſchung, in ſo ferne ſie Tödung zur Folge hat, iſt
nichts als Mord und hat dieſelbe Strafe. Das Jatro-
cinium, aſſaſſ. u. hom. prod. ſind nichts als beſon-
dere Arten des Mords, die man aber im gemeinen
Leben mit einem eigenen Namen bezeichnet hat.
Kein Geſetz nimmt dabey weder härtere noch be-
ſondere Grundſätze der Beſtrafung an, ſie ſind da-
her auch keine qualificirten Verbrechen, ſondern
gehören in die Lehre vom einfachen Mord und ſind
nur als Beyſpiele von dieſem anzuführen.
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[196/0224] II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. oder einfacher Mord, wenn eine andere Perſon Gegenſtand des Verbrechens war *). §. 249. Der Mord ſetzt zu ſeinem Begriff, Thätig- keit der Reflexion und mithin einen Akt der Willkühr als pſychologiſchen Grund der That voraus. Dieſes iſt anzunehmen 1) wenn der Vorſatz mit Ueberlegung gefaſst, obgleich im Affect ausgeführt worden iſt, 2) wenn zuerſt der Vorſatz im Affect entſtanden, nachher aber durch Ueberlegung beſtätigt worden iſt, 3) wenn der Verbrecher über den Entſchluſs ſelbſt gar nicht reflectirt, ſondern ihn bloſs in der Hitze des Affects empfangen, aber mit Ueber- legung die Mittel zur Ausführung der That gewählt hat. §. 250. Ein Todſchlag exiſtirt alſo nur dann, wenn 1) der Entſchluſs der Tödung im Affect ent- ſtan- *) Die gewöhnliche Eintheilung, nach welcher man den Mord zum homicidium ſimplex rechnet und dieſem ein- fachen Todſchlag den qualificirten entgegenſetzt, (ſ. Koch inſt. jur. crim. §. 437.) welcher das latro- cinium, aſſaſſinium, veneficium, homiciaium prodito- rium etc. begreifen ſoll, iſt ganz falſch. Die Gift- miſchung, in ſo ferne ſie Tödung zur Folge hat, iſt nichts als Mord und hat dieſelbe Strafe. Das Jatro- cinium, aſſaſſ. u. hom. prod. ſind nichts als beſon- dere Arten des Mords, die man aber im gemeinen Leben mit einem eigenen Namen bezeichnet hat. Kein Geſetz nimmt dabey weder härtere noch be- ſondere Grundſätze der Beſtrafung an, ſie ſind da- her auch keine qualificirten Verbrechen, ſondern gehören in die Lehre vom einfachen Mord und ſind nur als Beyſpiele von dieſem anzuführen.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/224>, abgerufen am 28.03.2024.