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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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II Buch. I Theil. II. Titel. I Abschnitt.
§. 261.

Die ordentliche Strafe des Mords und
des Todschlags setzt eine auf Tödung gerich-
tete Absicht (Dolus) voraus, gleichviel übrigens,
ob die Absicht bestimmt oder nur alternativisch
(§. 66.) auf Tödung gerichtet war. Daraus
folgt aber, dass die dem sogenannten indirecten
Dolus
zum Grunde liegende Willensbestim-
mung, welche blos Verwundung zur Absicht
hat, wo aber aus den, auf ihre Realisirung
gerichteten Handlungen Tödung entspringt,
keineswegs die ordentliche Strafe begründen
könne. Denn hier ist blos durch Dolus be-
gründete Culpa
(§. 67) *).

§. 262.

Die Strafe der grössten Culpa ist, wenn
sonst keine Milderungsgründe vorhanden sind,

ein
Wär aber der Entleibte, durch mehr denn einen,
die man wüst tödtlich geschlagen, geworfen, oder
gewundet worden und man könnt nicht beweiss-
lich machen, von welcher sonderlichen Hand und
That er gestorben wäre, so sind dieselben, so die
Verletzung gethan haben, alle als Todtschläger --
zum Tod zu strafen. Aber der andere Beiständer,
Helfer und Ursacher Straf halber, -- auch so einer
in einer Aufruhr oder Schlagen entleibt würd, und
man möchte keinen wissen, daran er verletzt wor-
den wäre; sollen die Urtheiler bey den Rechtsver-
ständigen -- Rechts pflegen u. s. w. cf. Boehmer
ad h. a. und. Koch l. c. §. 463.
*) Aus der irrigen Voraussetzung eines Dolus, der
Dolus ist, ohne dass der Verbrecher die Rechtsver-
letzung zum Zweck hatte, entstand allein die ge-
fährliche und rechtswidrige Behauptung des Gegen-
theils. cf. Leyser Sp. 601. m. 8. u. 9. Boehmer
ad Carpzov Q. 1. Obs. 1. Derselbe ad Art.
137. §. 6. u. Kress ad eund. §. 2.
II Buch. I Theil. II. Titel. I Abſchnitt.
§. 261.

Die ordentliche Strafe des Mords und
des Todſchlags ſetzt eine auf Tödung gerich-
tete Abſicht (Dolus) voraus, gleichviel übrigens,
ob die Abſicht beſtimmt oder nur alternativiſch
(§. 66.) auf Tödung gerichtet war. Daraus
folgt aber, daſs die dem ſogenannten indirecten
Dolus
zum Grunde liegende Willensbeſtim-
mung, welche blos Verwundung zur Abſicht
hat, wo aber aus den, auf ihre Realiſirung
gerichteten Handlungen Tödung entſpringt,
keineswegs die ordentliche Strafe begründen
könne. Denn hier iſt blos durch Dolus be-
gründete Culpa
(§. 67) *).

§. 262.

Die Strafe der gröſsten Culpa iſt, wenn
ſonſt keine Milderungsgründe vorhanden ſind,

ein
Wär aber der Entleibte, durch mehr denn einen,
die man wüſt tödtlich geſchlagen, geworfen, oder
gewundet worden und man könnt nicht beweiſs-
lich machen, von welcher ſonderlichen Hand und
That er geſtorben wäre, ſo ſind dieſelben, ſo die
Verletzung gethan haben, alle als Todtſchläger —
zum Tod zu ſtrafen. Aber der andere Beiſtänder,
Helfer und Urſacher Straf halber, — auch ſo einer
in einer Aufruhr oder Schlagen entleibt würd, und
man möchte keinen wiſſen, daran er verletzt wor-
den wäre; ſollen die Urtheiler bey den Rechtsver-
ſtändigen — Rechts pflegen u. ſ. w. cf. Boehmer
ad h. a. und. Koch l. c. §. 463.
*) Aus der irrigen Vorausſetzung eines Dolus, der
Dolus iſt, ohne daſs der Verbrecher die Rechtsver-
letzung zum Zweck hatte, entſtand allein die ge-
fährliche und rechtswidrige Behauptung des Gegen-
theils. cf. Leyſer Sp. 601. m. 8. u. 9. Boehmer
ad Carpzov Q. 1. Obſ. 1. Derſelbe ad Art.
137. §. 6. u. Kreſs ad eund. §. 2.
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[204/0232] II Buch. I Theil. II. Titel. I Abſchnitt. §. 261. Die ordentliche Strafe des Mords und des Todſchlags ſetzt eine auf Tödung gerich- tete Abſicht (Dolus) voraus, gleichviel übrigens, ob die Abſicht beſtimmt oder nur alternativiſch (§. 66.) auf Tödung gerichtet war. Daraus folgt aber, daſs die dem ſogenannten indirecten Dolus zum Grunde liegende Willensbeſtim- mung, welche blos Verwundung zur Abſicht hat, wo aber aus den, auf ihre Realiſirung gerichteten Handlungen Tödung entſpringt, keineswegs die ordentliche Strafe begründen könne. Denn hier iſt blos durch Dolus be- gründete Culpa (§. 67) *). §. 262. Die Strafe der gröſsten Culpa iſt, wenn ſonſt keine Milderungsgründe vorhanden ſind, ein **) *) Aus der irrigen Vorausſetzung eines Dolus, der Dolus iſt, ohne daſs der Verbrecher die Rechtsver- letzung zum Zweck hatte, entſtand allein die ge- fährliche und rechtswidrige Behauptung des Gegen- theils. cf. Leyſer Sp. 601. m. 8. u. 9. Boehmer ad Carpzov Q. 1. Obſ. 1. Derſelbe ad Art. 137. §. 6. u. Kreſs ad eund. §. 2. **) Wär aber der Entleibte, durch mehr denn einen, die man wüſt tödtlich geſchlagen, geworfen, oder gewundet worden und man könnt nicht beweiſs- lich machen, von welcher ſonderlichen Hand und That er geſtorben wäre, ſo ſind dieſelben, ſo die Verletzung gethan haben, alle als Todtſchläger — zum Tod zu ſtrafen. Aber der andere Beiſtänder, Helfer und Urſacher Straf halber, — auch ſo einer in einer Aufruhr oder Schlagen entleibt würd, und man möchte keinen wiſſen, daran er verletzt wor- den wäre; ſollen die Urtheiler bey den Rechtsver- ſtändigen — Rechts pflegen u. ſ. w. cf. Boehmer ad h. a. und. Koch l. c. §. 463.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/232>, abgerufen am 25.04.2024.