Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abschnitt.
tiven Verachtung in sich enthalten *); es sey
nun, dass er dadurch vor andern beschimpft
wird, oder dass der Beleidiger nur für seine
Person denselben unter sich herabsetzt und
dessen absoluten Unwerth erklärt **). Eine
Aeusserung kann daher ihrem Inhalte nach ganz
schuldlos, ihrer Form nach aber Injurie
seyn ***).

§. 320.

III. Die vorzügliche bürgerliche Ehre kann
verletzt werden 1) durch Unterlassung derje-
nigen Handlungen, welche der Andere als Zei-
chen seiner vorzüglichen Ehre zu fodern be-

rech-
*) Welche Handlung als Zeichen der absoluten Ver-
achtung betrachtet werden müsse, muss lediglich
aus ihrer Natur, am meisten aber, aus der
Volksmeynung beurtheilt werden. Es hat nicht
wenig zur Verwirrung der Lehre von Injurien bey-
getragen, dass man fast immer diese quaestio facti
mit der allgemeinen quaestio juris verwechselt hat.
Die Subsumtion einzelner Handlungen unter die
allgemeine Regel wird hier, wegen der schwan-
kenden Volksmeynung, immer Schwierigkeit be-
halten, wenn gleich die Theorie ganz vollendet
seyn sollte.
**) z. E. Die Schimpfwörter: Ochse, Esel, Pfaffe,
Vieh u. s. w.
***) Ich injuriire den Gebrechlichen nicht, wenn ich
seine Körpergebrechen ihm oder andern trocken
aufzähle, aber nicht, wenn ich ihn Krüppel schelte,
oder ihn etwa in effigie, vielleicht noch ins Ideali-
sche gezogen, öffentlich zur Schau stelle.

II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt.
tiven Verachtung in ſich enthalten *); es ſey
nun, daſs er dadurch vor andern beſchimpft
wird, oder daſs der Beleidiger nur für ſeine
Perſon denſelben unter ſich herabſetzt und
deſſen abſoluten Unwerth erklärt **). Eine
Aeuſſerung kann daher ihrem Inhalte nach ganz
ſchuldlos, ihrer Form nach aber Injurie
ſeyn ***).

§. 320.

III. Die vorzügliche bürgerliche Ehre kann
verletzt werden 1) durch Unterlaſſung derje-
nigen Handlungen, welche der Andere als Zei-
chen ſeiner vorzüglichen Ehre zu fodern be-

rech-
*) Welche Handlung als Zeichen der abſoluten Ver-
achtung betrachtet werden müſſe, muſs lediglich
aus ihrer Natur, am meiſten aber, aus der
Volksmeynung beurtheilt werden. Es hat nicht
wenig zur Verwirrung der Lehre von Injurien bey-
getragen, daſs man faſt immer dieſe quaeſtio facti
mit der allgemeinen quaeſtio juris verwechſelt hat.
Die Subſumtion einzelner Handlungen unter die
allgemeine Regel wird hier, wegen der ſchwan-
kenden Volksmeynung, immer Schwierigkeit be-
halten, wenn gleich die Theorie ganz vollendet
ſeyn ſollte.
**) z. E. Die Schimpfwörter: Ochſe, Eſel, Pfaffe,
Vieh u. ſ. w.
***) Ich injuriire den Gebrechlichen nicht, wenn ich
ſeine Körpergebrechen ihm oder andern trocken
aufzähle, aber nicht, wenn ich ihn Krüppel ſchelte,
oder ihn etwa in effigie, vielleicht noch ins Ideali-
ſche gezogen, öffentlich zur Schau ſtelle.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0276" n="248"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/><hi rendition="#i">tiven Verachtung in &#x017F;ich enthalten</hi><note place="foot" n="*)"><hi rendition="#i">Welche</hi> Handlung als Zeichen der ab&#x017F;oluten Ver-<lb/>
achtung betrachtet werden mü&#x017F;&#x017F;e, mu&#x017F;s lediglich<lb/>
aus ihrer Natur, am mei&#x017F;ten aber, aus der<lb/>
Volksmeynung beurtheilt werden. Es hat nicht<lb/>
wenig zur Verwirrung der Lehre von Injurien bey-<lb/>
getragen, da&#x017F;s man fa&#x017F;t immer die&#x017F;e <hi rendition="#i">quae&#x017F;tio facti</hi><lb/>
mit der allgemeinen <hi rendition="#i">quae&#x017F;tio juris</hi> verwech&#x017F;elt hat.<lb/>
Die Sub&#x017F;umtion einzelner Handlungen unter die<lb/>
allgemeine Regel wird hier, wegen der &#x017F;chwan-<lb/>
kenden Volksmeynung, immer Schwierigkeit be-<lb/>
halten, wenn gleich die Theorie ganz vollendet<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;ollte.</note>; es &#x017F;ey<lb/>
nun, da&#x017F;s er dadurch vor andern be&#x017F;chimpft<lb/>
wird, oder da&#x017F;s der Beleidiger nur für &#x017F;eine<lb/>
Per&#x017F;on den&#x017F;elben unter &#x017F;ich herab&#x017F;etzt und<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en ab&#x017F;oluten Unwerth erklärt <note place="foot" n="**)">z. E. Die Schimpfwörter: <hi rendition="#i">Och&#x017F;e, E&#x017F;el, Pfaffe</hi>,<lb/>
Vieh u. &#x017F;. w.</note>. Eine<lb/>
Aeu&#x017F;&#x017F;erung kann daher ihrem <hi rendition="#i">Inhalte</hi> nach ganz<lb/>
&#x017F;chuldlos, ihrer <hi rendition="#i">Form</hi> nach aber Injurie<lb/>
&#x017F;eyn <note place="foot" n="***)">Ich injuriire den Gebrechlichen nicht, wenn ich<lb/>
&#x017F;eine Körpergebrechen ihm oder andern trocken<lb/>
aufzähle, aber nicht, wenn ich ihn <hi rendition="#i">Krüppel</hi> &#x017F;chelte,<lb/>
oder ihn etwa <hi rendition="#i">in effigie</hi>, vielleicht noch ins Ideali-<lb/>
&#x017F;che gezogen, öffentlich zur Schau &#x017F;telle.</note>.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 320.</head><lb/>
                      <p>III. Die <hi rendition="#i">vorzügliche bürgerliche Ehre</hi> kann<lb/>
verletzt werden 1) durch Unterla&#x017F;&#x017F;ung derje-<lb/>
nigen Handlungen, welche der Andere als Zei-<lb/>
chen &#x017F;einer vorzüglichen Ehre zu fodern be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rech-</fw><lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0276] II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt. tiven Verachtung in ſich enthalten *); es ſey nun, daſs er dadurch vor andern beſchimpft wird, oder daſs der Beleidiger nur für ſeine Perſon denſelben unter ſich herabſetzt und deſſen abſoluten Unwerth erklärt **). Eine Aeuſſerung kann daher ihrem Inhalte nach ganz ſchuldlos, ihrer Form nach aber Injurie ſeyn ***). §. 320. III. Die vorzügliche bürgerliche Ehre kann verletzt werden 1) durch Unterlaſſung derje- nigen Handlungen, welche der Andere als Zei- chen ſeiner vorzüglichen Ehre zu fodern be- rech- *) Welche Handlung als Zeichen der abſoluten Ver- achtung betrachtet werden müſſe, muſs lediglich aus ihrer Natur, am meiſten aber, aus der Volksmeynung beurtheilt werden. Es hat nicht wenig zur Verwirrung der Lehre von Injurien bey- getragen, daſs man faſt immer dieſe quaeſtio facti mit der allgemeinen quaeſtio juris verwechſelt hat. Die Subſumtion einzelner Handlungen unter die allgemeine Regel wird hier, wegen der ſchwan- kenden Volksmeynung, immer Schwierigkeit be- halten, wenn gleich die Theorie ganz vollendet ſeyn ſollte. **) z. E. Die Schimpfwörter: Ochſe, Eſel, Pfaffe, Vieh u. ſ. w. ***) Ich injuriire den Gebrechlichen nicht, wenn ich ſeine Körpergebrechen ihm oder andern trocken aufzähle, aber nicht, wenn ich ihn Krüppel ſchelte, oder ihn etwa in effigie, vielleicht noch ins Ideali- ſche gezogen, öffentlich zur Schau ſtelle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/276
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/276>, abgerufen am 16.04.2024.