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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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V. d. möglichen u. nothwend. Obj. e. Verb.
men. Verletzung herrenloser oder derelinquir-
ter
Sachen kann nie Verbrechen seyn.

§. 39.

Ein jedes Recht steht einer Person nur so
lange zu, als sie es nicht selbst aufgegeben hat,
oder nicht durch den Staat dessen verlustig er-
klärt worden ist. Eine, einem bestimmten Recht
widersprechende Handlung, ist also nur dann [v]er-
brechen, wenn die Person, die durch die Hand-
lung äusserlich verletzt wurde, noch im Besitz
jenes Rechts ist
. Denn Strafgesetze sind nur
zum Schutz der Rechte (§. 19.) wo also keine
Rechtsverletzung ist, da ist undenkbar eine
Uebertretung des Strafgesetzes.

§. 40.

Es ist also I. kein Verbrechen vorhanden,
wenn der Berechtigte die seinem Recht wider-
sprechende und durch ein Strafgesetz, bedrohte
Handlung ausdrücklich erlaubt
(Volenti non fit
injuria *). II. Es ist kein Verbrechen vorhanden,
wenn die Handlung einem Rechte widerspricht,

dessen
*) Ein homicidium in volentem commissum ist als Ver-
brechen eben so undenkbar, als eine injuria in
volentem commissa
. Ueber die Consequenz unsrer
Criminalisten! Sie nennen es keinen Diebstahl.
wenn einer dem andern seine Sache mit dessen
Einwilligung wegnimmt: aber ein Mord -- eine
Injurie soll gleichwohl an dem Einwilligenden be-
gangen werden können. Wie mag doch dies mit
der Natur eines Strafgesetzes und mit ihren eignen
sonstigen Behauptungen bestehen? Man sehe übri-
gens Th. Chr. Car. Link Diss. de homicidio in vo-
lentem commisso
. Alt. 1785.

V. d. möglichen u. nothwend. Obj. e. Verb.
men. Verletzung herrenloſer oder derelinquir-
ter
Sachen kann nie Verbrechen ſeyn.

§. 39.

Ein jedes Recht ſteht einer Perſon nur ſo
lange zu, als ſie es nicht ſelbſt aufgegeben hat,
oder nicht durch den Staat deſſen verluſtig er-
klärt worden iſt. Eine, einem beſtimmten Recht
widerſprechende Handlung, iſt alſo nur dann [v]er-
brechen, wenn die Perſon, die durch die Hand-
lung äuſſerlich verletzt wurde, noch im Beſitz
jenes Rechts iſt
. Denn Strafgeſetze ſind nur
zum Schutz der Rechte (§. 19.) wo alſo keine
Rechtsverletzung iſt, da iſt undenkbar eine
Uebertretung des Strafgeſetzes.

§. 40.

Es iſt alſo I. kein Verbrechen vorhanden,
wenn der Berechtigte die ſeinem Recht wider-
ſprechende und durch ein Strafgeſetz, bedrohte
Handlung ausdrücklich erlaubt
(Volenti non fit
injuria *). II. Es iſt kein Verbrechen vorhanden,
wenn die Handlung einem Rechte widerſpricht,

deſſen
*) Ein homicidium in volentem commiſſum iſt als Ver-
brechen eben ſo undenkbar, als eine injuria in
volentem commiſſa
. Ueber die Conſequenz unſrer
Criminaliſten! Sie nennen es keinen Diebſtahl.
wenn einer dem andern ſeine Sache mit deſſen
Einwilligung wegnimmt: aber ein Mord — eine
Injurie ſoll gleichwohl an dem Einwilligenden be-
gangen werden können. Wie mag doch dies mit
der Natur eines Strafgeſetzes und mit ihren eignen
ſonſtigen Behauptungen beſtehen? Man ſehe übri-
gens Th. Chr. Car. Link Diſſ. de homicidio in vo-
lentem commiſſo
. Alt. 1785.
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[31/0059] V. d. möglichen u. nothwend. Obj. e. Verb. men. Verletzung herrenloſer oder derelinquir- ter Sachen kann nie Verbrechen ſeyn. §. 39. Ein jedes Recht ſteht einer Perſon nur ſo lange zu, als ſie es nicht ſelbſt aufgegeben hat, oder nicht durch den Staat deſſen verluſtig er- klärt worden iſt. Eine, einem beſtimmten Recht widerſprechende Handlung, iſt alſo nur dann ver- brechen, wenn die Perſon, die durch die Hand- lung äuſſerlich verletzt wurde, noch im Beſitz jenes Rechts iſt. Denn Strafgeſetze ſind nur zum Schutz der Rechte (§. 19.) wo alſo keine Rechtsverletzung iſt, da iſt undenkbar eine Uebertretung des Strafgeſetzes. §. 40. Es iſt alſo I. kein Verbrechen vorhanden, wenn der Berechtigte die ſeinem Recht wider- ſprechende und durch ein Strafgeſetz, bedrohte Handlung ausdrücklich erlaubt (Volenti non fit injuria *). II. Es iſt kein Verbrechen vorhanden, wenn die Handlung einem Rechte widerſpricht, deſſen *) Ein homicidium in volentem commiſſum iſt als Ver- brechen eben ſo undenkbar, als eine injuria in volentem commiſſa. Ueber die Conſequenz unſrer Criminaliſten! Sie nennen es keinen Diebſtahl. wenn einer dem andern ſeine Sache mit deſſen Einwilligung wegnimmt: aber ein Mord — eine Injurie ſoll gleichwohl an dem Einwilligenden be- gangen werden können. Wie mag doch dies mit der Natur eines Strafgeſetzes und mit ihren eignen ſonſtigen Behauptungen beſtehen? Man ſehe übri- gens Th. Chr. Car. Link Diſſ. de homicidio in vo- lentem commiſſo. Alt. 1785.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/59>, abgerufen am 25.04.2024.