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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abschnitt.
Versuch zum Verbrechen (con. del. im engern
Sinn
) wenn alle zur Hervorbringung des ge-
setzwidrigen Effects erforderlichen Handlungen
noch nicht geschehen sind. Dieser Versuch
ist entweder 1) Anfang des Verbrechens,
nächster Versuch
(inchoatio delicti -- cona-
tus proximus
) wenn der Verbrecher schon in
Begehung derjenigen Handlung begriffen war,
deren Endigung den rechtswidrigen Effect
hervorbringen muste; oder 2) Vorberei-
tung des Verbrechens -- entfernter
Versuch
(attentatio delicti -- conatus remotus),
wenn er Handlungen begangen hat, durch
welche er sich nur auf den Akt der Vollendung
des Verbrechens vorbereitete. Dieser hat wie-
der verschiedene Stufen, die nur in concreto
zu beurtheilen sind.

II. Subjectiver Grund der Verschiedenheit.
§. 62.

Die Rechtsverletzung kann von einer Per-
son nach unvermeidlichen Naturursachen ohne
Mitwirkung einer gesetzwidrigen Willensbe-
stimmung bewirkt worden seyn; dann ist sie
blos zufällige Ursache des Verbrechens und
das Verbrechen selbst heist zufällig (del.
casuale.
) Ist die Rechtsverletzung verschuldet
durch eine gesetzwidrige Willensbestimmung
derselben, so kann diese Verschuldung begrün-
det seyn I. durch Dolus (bösen Vorsatz), die
Bestimmung des Willens (Begehrungsvermö-
gens) zu einer Rechtsverletzung als Zweck, mit
dem Bewustseyn der Gesetzwidrigkeit des Begeh-
rens:
-- oder II. durch Culpa (Versehen),

die

I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt.
Verſuch zum Verbrechen (con. del. im engern
Sinn
) wenn alle zur Hervorbringung des ge-
ſetzwidrigen Effects erforderlichen Handlungen
noch nicht geſchehen ſind. Dieſer Verſuch
iſt entweder 1) Anfang des Verbrechens,
nächſter Verſuch
(inchoatio delicti — cona-
tus proximus
) wenn der Verbrecher ſchon in
Begehung derjenigen Handlung begriffen war,
deren Endigung den rechtswidrigen Effect
hervorbringen muſte; oder 2) Vorberei-
tung des Verbrechens — entfernter
Verſuch
(attentatio delicti — conatus remotus),
wenn er Handlungen begangen hat, durch
welche er ſich nur auf den Akt der Vollendung
des Verbrechens vorbereitete. Dieſer hat wie-
der verſchiedene Stufen, die nur in concreto
zu beurtheilen ſind.

II. Subjectiver Grund der Verſchiedenheit.
§. 62.

Die Rechtsverletzung kann von einer Per-
ſon nach unvermeidlichen Natururſachen ohne
Mitwirkung einer geſetzwidrigen Willensbe-
ſtimmung bewirkt worden ſeyn; dann iſt ſie
blos zufällige Urſache des Verbrechens und
das Verbrechen ſelbſt heiſt zufällig (del.
caſuale.
) Iſt die Rechtsverletzung verſchuldet
durch eine geſetzwidrige Willensbeſtimmung
derſelben, ſo kann dieſe Verſchuldung begrün-
det ſeyn I. durch Dolus (böſen Vorſatz), die
Beſtimmung des Willens (Begehrungsvermö-
gens) zu einer Rechtsverletzung als Zweck, mit
dem Bewuſtſeyn der Geſetzwidrigkeit des Begeh-
rens:
— oder II. durch Culpa (Verſehen),

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[46/0074] I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. Verſuch zum Verbrechen (con. del. im engern Sinn) wenn alle zur Hervorbringung des ge- ſetzwidrigen Effects erforderlichen Handlungen noch nicht geſchehen ſind. Dieſer Verſuch iſt entweder 1) Anfang des Verbrechens, nächſter Verſuch (inchoatio delicti — cona- tus proximus) wenn der Verbrecher ſchon in Begehung derjenigen Handlung begriffen war, deren Endigung den rechtswidrigen Effect hervorbringen muſte; oder 2) Vorberei- tung des Verbrechens — entfernter Verſuch (attentatio delicti — conatus remotus), wenn er Handlungen begangen hat, durch welche er ſich nur auf den Akt der Vollendung des Verbrechens vorbereitete. Dieſer hat wie- der verſchiedene Stufen, die nur in concreto zu beurtheilen ſind. II. Subjectiver Grund der Verſchiedenheit. §. 62. Die Rechtsverletzung kann von einer Per- ſon nach unvermeidlichen Natururſachen ohne Mitwirkung einer geſetzwidrigen Willensbe- ſtimmung bewirkt worden ſeyn; dann iſt ſie blos zufällige Urſache des Verbrechens und das Verbrechen ſelbſt heiſt zufällig (del. caſuale.) Iſt die Rechtsverletzung verſchuldet durch eine geſetzwidrige Willensbeſtimmung derſelben, ſo kann dieſe Verſchuldung begrün- det ſeyn I. durch Dolus (böſen Vorſatz), die Beſtimmung des Willens (Begehrungsvermö- gens) zu einer Rechtsverletzung als Zweck, mit dem Bewuſtſeyn der Geſetzwidrigkeit des Begeh- rens: — oder II. durch Culpa (Verſehen), die

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/74>, abgerufen am 23.04.2024.