Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

früher bereits, mit dem begnügte, was fertig war. Die Verhält-
nisse zwangen ihn fast dazu. Seiner alten Feindschaft mit seiner
Stiefmutter, der holsteinischen Dorothea, war im Jahre 1679,
bei Gelegenheit seiner Vermählung mit der hessischen Prinzessin,
zwar eine Versöhnungsscene gefolgt, aber diese Versöhnung hatte
die Abneigung der Mutter und das Mißtrauen des Sohnes um
nichts gebessert. Todesfälle und plötzliche Erkrankungen regten den
Verdacht und die alten Befürchtungen wieder an und nachdem
Kurprinz Friedrich selbst bei Gelegenheit eines Festmahls, das
ihm die Stiefmutter gab, von einem heftigen Kolikanfall heim-
gesucht worden war, steigerten sich seine Befürchtungen bis zu sol-
chem Grade, daß er seinen Vater um die Erlaubniß bat, sich nach
Schloß Coepenick zurückziehen zu dürfen. Nicht in Freuden zog er
in die schönen Räume ein, die zum Theil noch ihrer Vollendung
entgegen sahn; das Schloß, das ihn aufnahm, war mehr ret-
tendes Asyl als eine Stätte heitrer Flitterwochen und die Ueber-
siedlung selbst glich mehr einer ängstlichen Flucht, als ruhiger Wahl
und Ueberlegung. Trostlose Tage müssen diese ersten Tage des
neuen Schlosses gewesen sein, trostloser, trüber, als die alten
Schlösser, die vordem hier heimisch waren, sie jemals gekannt hat-
ten, trüber als die Tage, in denen Otterstedt seinen Reimspruch
an die Thür des churfürstlichen Zimmers schrieb, und trüber als
der Winterabend, an dem der todesahnende Joachim gläubig
und ergeben das Crucifix auf die schwere, eichene Tischplatte malte.
In Bangen und Einsamkeit vergingen dem Prinzen hier die Tage
selbstgewählter Verbannung. Sein schwacher Körper verbot ihm die
Freuden der Jagd und lauter Lustbarkeit. Die Decken-Gemälde,
die Jagdzüge Diana's, die um ihn her entstanden, erinnerten ihn
nur an alles, was ihm gebrach. Gleichförmig öde spannen sich
Wochen und Monde in Schloß Coepenick ab und was die Gleich-
förmigkeit unterbrach, waren jene frostigen Feste, die dem Tod zu
Ehren gefeiert wurden. Am 7. Juli 1683 starb des Kurprinzen
Gemahlin; die alten Verdächtigungen wurden laut; nichts änderte
sich, die bleierne Schwere blieb. Da kam Sonnenschein. Das

früher bereits, mit dem begnügte, was fertig war. Die Verhält-
niſſe zwangen ihn faſt dazu. Seiner alten Feindſchaft mit ſeiner
Stiefmutter, der holſteiniſchen Dorothea, war im Jahre 1679,
bei Gelegenheit ſeiner Vermählung mit der heſſiſchen Prinzeſſin,
zwar eine Verſöhnungsſcene gefolgt, aber dieſe Verſöhnung hatte
die Abneigung der Mutter und das Mißtrauen des Sohnes um
nichts gebeſſert. Todesfälle und plötzliche Erkrankungen regten den
Verdacht und die alten Befürchtungen wieder an und nachdem
Kurprinz Friedrich ſelbſt bei Gelegenheit eines Feſtmahls, das
ihm die Stiefmutter gab, von einem heftigen Kolikanfall heim-
geſucht worden war, ſteigerten ſich ſeine Befürchtungen bis zu ſol-
chem Grade, daß er ſeinen Vater um die Erlaubniß bat, ſich nach
Schloß Coepenick zurückziehen zu dürfen. Nicht in Freuden zog er
in die ſchönen Räume ein, die zum Theil noch ihrer Vollendung
entgegen ſahn; das Schloß, das ihn aufnahm, war mehr ret-
tendes Aſyl als eine Stätte heitrer Flitterwochen und die Ueber-
ſiedlung ſelbſt glich mehr einer ängſtlichen Flucht, als ruhiger Wahl
und Ueberlegung. Troſtloſe Tage müſſen dieſe erſten Tage des
neuen Schloſſes geweſen ſein, troſtloſer, trüber, als die alten
Schlöſſer, die vordem hier heimiſch waren, ſie jemals gekannt hat-
ten, trüber als die Tage, in denen Otterſtedt ſeinen Reimſpruch
an die Thür des churfürſtlichen Zimmers ſchrieb, und trüber als
der Winterabend, an dem der todesahnende Joachim gläubig
und ergeben das Crucifix auf die ſchwere, eichene Tiſchplatte malte.
In Bangen und Einſamkeit vergingen dem Prinzen hier die Tage
ſelbſtgewählter Verbannung. Sein ſchwacher Körper verbot ihm die
Freuden der Jagd und lauter Luſtbarkeit. Die Decken-Gemälde,
die Jagdzüge Diana’s, die um ihn her entſtanden, erinnerten ihn
nur an alles, was ihm gebrach. Gleichförmig öde ſpannen ſich
Wochen und Monde in Schloß Coepenick ab und was die Gleich-
förmigkeit unterbrach, waren jene froſtigen Feſte, die dem Tod zu
Ehren gefeiert wurden. Am 7. Juli 1683 ſtarb des Kurprinzen
Gemahlin; die alten Verdächtigungen wurden laut; nichts änderte
ſich, die bleierne Schwere blieb. Da kam Sonnenſchein. Das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0368" n="350"/>
früher bereits, mit dem begnügte, was fertig war. Die Verhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e zwangen ihn fa&#x017F;t dazu. Seiner alten Feind&#x017F;chaft mit &#x017F;einer<lb/>
Stiefmutter, der hol&#x017F;teini&#x017F;chen <hi rendition="#g">Dorothea</hi>, war im Jahre 1679,<lb/>
bei Gelegenheit &#x017F;einer Vermählung mit der he&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Prinze&#x017F;&#x017F;in,<lb/>
zwar eine Ver&#x017F;öhnungs&#x017F;cene gefolgt, aber die&#x017F;e Ver&#x017F;öhnung hatte<lb/>
die Abneigung der Mutter und das Mißtrauen des Sohnes um<lb/>
nichts gebe&#x017F;&#x017F;ert. Todesfälle und plötzliche Erkrankungen regten den<lb/>
Verdacht und die alten Befürchtungen wieder an und nachdem<lb/>
Kurprinz <hi rendition="#g">Friedrich</hi> &#x017F;elb&#x017F;t bei Gelegenheit eines Fe&#x017F;tmahls, das<lb/>
ihm die Stiefmutter gab, von einem heftigen Kolikanfall heim-<lb/>
ge&#x017F;ucht worden war, &#x017F;teigerten &#x017F;ich &#x017F;eine Befürchtungen bis zu &#x017F;ol-<lb/>
chem Grade, daß er &#x017F;einen Vater um die Erlaubniß bat, &#x017F;ich nach<lb/>
Schloß Coepenick zurückziehen zu dürfen. Nicht in Freuden zog er<lb/>
in die &#x017F;chönen Räume ein, die zum Theil noch ihrer Vollendung<lb/>
entgegen &#x017F;ahn; das Schloß, das ihn aufnahm, war mehr ret-<lb/>
tendes A&#x017F;yl als eine Stätte heitrer Flitterwochen und die Ueber-<lb/>
&#x017F;iedlung &#x017F;elb&#x017F;t glich mehr einer äng&#x017F;tlichen Flucht, als ruhiger Wahl<lb/>
und Ueberlegung. Tro&#x017F;tlo&#x017F;e Tage mü&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e er&#x017F;ten Tage des<lb/>
neuen Schlo&#x017F;&#x017F;es gewe&#x017F;en &#x017F;ein, tro&#x017F;tlo&#x017F;er, trüber, als die alten<lb/>
Schlö&#x017F;&#x017F;er, die vordem hier heimi&#x017F;ch waren, &#x017F;ie jemals gekannt hat-<lb/>
ten, trüber als die Tage, in denen <hi rendition="#g">Otter&#x017F;tedt</hi> &#x017F;einen Reim&#x017F;pruch<lb/>
an die Thür des churfür&#x017F;tlichen Zimmers &#x017F;chrieb, und trüber als<lb/>
der Winterabend, an dem der todesahnende <hi rendition="#g">Joachim</hi> gläubig<lb/>
und ergeben das Crucifix auf die &#x017F;chwere, eichene Ti&#x017F;chplatte malte.<lb/>
In Bangen und Ein&#x017F;amkeit vergingen dem Prinzen hier die Tage<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;tgewählter Verbannung. Sein &#x017F;chwacher Körper verbot ihm die<lb/>
Freuden der Jagd und lauter Lu&#x017F;tbarkeit. Die Decken-Gemälde,<lb/>
die Jagdzüge Diana&#x2019;s, die um ihn her ent&#x017F;tanden, erinnerten ihn<lb/>
nur an alles, was ihm gebrach. Gleichförmig öde &#x017F;pannen &#x017F;ich<lb/>
Wochen und Monde in Schloß Coepenick ab und was die Gleich-<lb/>
förmigkeit unterbrach, waren jene fro&#x017F;tigen Fe&#x017F;te, die dem <hi rendition="#g">Tod</hi> zu<lb/>
Ehren gefeiert wurden. Am 7. Juli 1683 &#x017F;tarb des Kurprinzen<lb/>
Gemahlin; die alten Verdächtigungen wurden laut; nichts änderte<lb/>
&#x017F;ich, die bleierne Schwere blieb. Da kam Sonnen&#x017F;chein. Das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0368] früher bereits, mit dem begnügte, was fertig war. Die Verhält- niſſe zwangen ihn faſt dazu. Seiner alten Feindſchaft mit ſeiner Stiefmutter, der holſteiniſchen Dorothea, war im Jahre 1679, bei Gelegenheit ſeiner Vermählung mit der heſſiſchen Prinzeſſin, zwar eine Verſöhnungsſcene gefolgt, aber dieſe Verſöhnung hatte die Abneigung der Mutter und das Mißtrauen des Sohnes um nichts gebeſſert. Todesfälle und plötzliche Erkrankungen regten den Verdacht und die alten Befürchtungen wieder an und nachdem Kurprinz Friedrich ſelbſt bei Gelegenheit eines Feſtmahls, das ihm die Stiefmutter gab, von einem heftigen Kolikanfall heim- geſucht worden war, ſteigerten ſich ſeine Befürchtungen bis zu ſol- chem Grade, daß er ſeinen Vater um die Erlaubniß bat, ſich nach Schloß Coepenick zurückziehen zu dürfen. Nicht in Freuden zog er in die ſchönen Räume ein, die zum Theil noch ihrer Vollendung entgegen ſahn; das Schloß, das ihn aufnahm, war mehr ret- tendes Aſyl als eine Stätte heitrer Flitterwochen und die Ueber- ſiedlung ſelbſt glich mehr einer ängſtlichen Flucht, als ruhiger Wahl und Ueberlegung. Troſtloſe Tage müſſen dieſe erſten Tage des neuen Schloſſes geweſen ſein, troſtloſer, trüber, als die alten Schlöſſer, die vordem hier heimiſch waren, ſie jemals gekannt hat- ten, trüber als die Tage, in denen Otterſtedt ſeinen Reimſpruch an die Thür des churfürſtlichen Zimmers ſchrieb, und trüber als der Winterabend, an dem der todesahnende Joachim gläubig und ergeben das Crucifix auf die ſchwere, eichene Tiſchplatte malte. In Bangen und Einſamkeit vergingen dem Prinzen hier die Tage ſelbſtgewählter Verbannung. Sein ſchwacher Körper verbot ihm die Freuden der Jagd und lauter Luſtbarkeit. Die Decken-Gemälde, die Jagdzüge Diana’s, die um ihn her entſtanden, erinnerten ihn nur an alles, was ihm gebrach. Gleichförmig öde ſpannen ſich Wochen und Monde in Schloß Coepenick ab und was die Gleich- förmigkeit unterbrach, waren jene froſtigen Feſte, die dem Tod zu Ehren gefeiert wurden. Am 7. Juli 1683 ſtarb des Kurprinzen Gemahlin; die alten Verdächtigungen wurden laut; nichts änderte ſich, die bleierne Schwere blieb. Da kam Sonnenſchein. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/368
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/368>, abgerufen am 19.04.2024.