Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

ente und die kleine Kriechente befanden. Zuweilen wurden in einer
Nacht so viele erlegt, daß man ganze Kahnladungen voll nach
Hause brachte. Wasserhühner verschiedener Art, besonders das Bläß-
huhn, Schwäne und mancherlei andre Schwimmvögel belebten die
tieferen Gewässer, während in den Sümpfen Reiher (besonders bei
Freienwalde), Kraniche, Rohrdommeln, Störche und Kibitze in un-
geheurer Zahl fischten und Jagd machten. Im Dorfe Letschin trug
jedes Haus drei, auch vier Storchnester. Rings um das Bruch
und in den Gebüschen und Horsten im Innern desselben fand man
Trappen, Schnepfen, Ortolane und andre zum Theil selten ge-
wordene Vögel; über dem allen aber schwebte, an stillen Som-
merabenden, ein unermeßlicher Mückenschwarm, der besonders
die Gegenden von Freienwalde und Küstrin in Verruf brachte.
"Sie schwärmten -- so erzählt Beckmann -- in solcher Menge,
daß man in der Luft dicke Säulen von Mücken beobachtete und
gaben ein solches Getöse von sich, daß es, wenn man nicht scharf
darauf achtete, klang, als würde in der Ferne die Trommel gerührt."
Biber und Fischottern bauten sich zahlreich an den Ufern an und
wurden die ersteren als große Zerstörer der später errichteten Dämme,
die anderen als große Fischverzehrer fleißig gejagt; jeder konnte auf
sie Jagd machen, worauf sie gänzlich ausgerottet wurden.

Die Vegetation stand natürlich mit dem ganzen Charakter
dieser Gegenden in Einklang: alle Wasser- und Sumpfpflanzen
kamen reichlich vor, breite Gürtel von Schilf und Rohr faßten die
Ränder ein und Eichen und Elsen überragten das Ganze.

Im Spätsommer, wenn sich die Wasser endlich verlaufen hat-
ten, traten, für den Rest des Jahres, fruchtbare Wiesen zu Tage,
und diese Wiesen, die ein vortreffliches Futter gaben, sicherten,
nebst dem Fischreichthum dieser Gegenden, den Bewohnern des
Bruchs ihre Existenz. Darüber hinaus ging es nicht, vielleicht des-
halb nicht, weil der enorme Reichthum an Fischen und Heu beides
halb werthlos machte.

Einzelne benachbarte Cavallerie-Regimenter zogen etwa um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts von diesem Heureichthum mehr

13*

ente und die kleine Kriechente befanden. Zuweilen wurden in einer
Nacht ſo viele erlegt, daß man ganze Kahnladungen voll nach
Hauſe brachte. Waſſerhühner verſchiedener Art, beſonders das Bläß-
huhn, Schwäne und mancherlei andre Schwimmvögel belebten die
tieferen Gewäſſer, während in den Sümpfen Reiher (beſonders bei
Freienwalde), Kraniche, Rohrdommeln, Störche und Kibitze in un-
geheurer Zahl fiſchten und Jagd machten. Im Dorfe Letſchin trug
jedes Haus drei, auch vier Storchneſter. Rings um das Bruch
und in den Gebüſchen und Horſten im Innern deſſelben fand man
Trappen, Schnepfen, Ortolane und andre zum Theil ſelten ge-
wordene Vögel; über dem allen aber ſchwebte, an ſtillen Som-
merabenden, ein unermeßlicher Mückenſchwarm, der beſonders
die Gegenden von Freienwalde und Küſtrin in Verruf brachte.
„Sie ſchwärmten — ſo erzählt Beckmann — in ſolcher Menge,
daß man in der Luft dicke Säulen von Mücken beobachtete und
gaben ein ſolches Getöſe von ſich, daß es, wenn man nicht ſcharf
darauf achtete, klang, als würde in der Ferne die Trommel gerührt.“
Biber und Fiſchottern bauten ſich zahlreich an den Ufern an und
wurden die erſteren als große Zerſtörer der ſpäter errichteten Dämme,
die anderen als große Fiſchverzehrer fleißig gejagt; jeder konnte auf
ſie Jagd machen, worauf ſie gänzlich ausgerottet wurden.

Die Vegetation ſtand natürlich mit dem ganzen Charakter
dieſer Gegenden in Einklang: alle Waſſer- und Sumpfpflanzen
kamen reichlich vor, breite Gürtel von Schilf und Rohr faßten die
Ränder ein und Eichen und Elſen überragten das Ganze.

Im Spätſommer, wenn ſich die Waſſer endlich verlaufen hat-
ten, traten, für den Reſt des Jahres, fruchtbare Wieſen zu Tage,
und dieſe Wieſen, die ein vortreffliches Futter gaben, ſicherten,
nebſt dem Fiſchreichthum dieſer Gegenden, den Bewohnern des
Bruchs ihre Exiſtenz. Darüber hinaus ging es nicht, vielleicht des-
halb nicht, weil der enorme Reichthum an Fiſchen und Heu beides
halb werthlos machte.

Einzelne benachbarte Cavallerie-Regimenter zogen etwa um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts von dieſem Heureichthum mehr

13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0207" n="195"/>
ente und die kleine Kriechente befanden. Zuweilen wurden in einer<lb/>
Nacht &#x017F;o viele erlegt, daß man ganze Kahnladungen voll nach<lb/>
Hau&#x017F;e brachte. Wa&#x017F;&#x017F;erhühner ver&#x017F;chiedener Art, be&#x017F;onders das Bläß-<lb/>
huhn, Schwäne und mancherlei andre Schwimmvögel belebten die<lb/>
tieferen Gewä&#x017F;&#x017F;er, während in den Sümpfen Reiher (be&#x017F;onders bei<lb/>
Freienwalde), Kraniche, Rohrdommeln, Störche und Kibitze in un-<lb/>
geheurer Zahl fi&#x017F;chten und Jagd machten. Im Dorfe Let&#x017F;chin trug<lb/>
jedes Haus drei, auch vier Storchne&#x017F;ter. Rings um das Bruch<lb/>
und in den Gebü&#x017F;chen und Hor&#x017F;ten im Innern de&#x017F;&#x017F;elben fand man<lb/>
Trappen, Schnepfen, Ortolane und andre zum Theil &#x017F;elten ge-<lb/>
wordene Vögel; über dem allen aber &#x017F;chwebte, an &#x017F;tillen Som-<lb/>
merabenden, ein unermeßlicher <hi rendition="#g">Mücken&#x017F;chwarm</hi>, der be&#x017F;onders<lb/>
die Gegenden von Freienwalde und Kü&#x017F;trin in Verruf brachte.<lb/>
&#x201E;Sie &#x017F;chwärmten &#x2014; &#x017F;o erzählt Beckmann &#x2014; in &#x017F;olcher Menge,<lb/>
daß man in der Luft dicke Säulen von Mücken beobachtete und<lb/>
gaben ein &#x017F;olches Getö&#x017F;e von &#x017F;ich, daß es, wenn man nicht &#x017F;charf<lb/>
darauf achtete, klang, als würde in der Ferne die Trommel gerührt.&#x201C;<lb/>
Biber und Fi&#x017F;chottern bauten &#x017F;ich zahlreich an den Ufern an und<lb/>
wurden die er&#x017F;teren als große Zer&#x017F;törer der &#x017F;päter errichteten Dämme,<lb/>
die anderen als große Fi&#x017F;chverzehrer fleißig gejagt; jeder konnte auf<lb/>
&#x017F;ie Jagd machen, worauf &#x017F;ie gänzlich ausgerottet wurden.</p><lb/>
          <p>Die Vegetation &#x017F;tand natürlich mit dem ganzen Charakter<lb/>
die&#x017F;er Gegenden in Einklang: alle Wa&#x017F;&#x017F;er- und Sumpfpflanzen<lb/>
kamen reichlich vor, breite Gürtel von Schilf und Rohr faßten die<lb/>
Ränder ein und Eichen und El&#x017F;en überragten das Ganze.</p><lb/>
          <p>Im Spät&#x017F;ommer, wenn &#x017F;ich die Wa&#x017F;&#x017F;er endlich verlaufen hat-<lb/>
ten, traten, für den Re&#x017F;t des Jahres, fruchtbare <hi rendition="#g">Wie&#x017F;en</hi> zu Tage,<lb/>
und die&#x017F;e Wie&#x017F;en, die ein vortreffliches Futter gaben, &#x017F;icherten,<lb/>
neb&#x017F;t dem Fi&#x017F;chreichthum die&#x017F;er Gegenden, den Bewohnern des<lb/>
Bruchs ihre Exi&#x017F;tenz. Darüber hinaus ging es nicht, vielleicht des-<lb/>
halb nicht, weil der enorme Reichthum an Fi&#x017F;chen und Heu beides<lb/>
halb werthlos machte.</p><lb/>
          <p>Einzelne benachbarte Cavallerie-Regimenter zogen etwa um die<lb/>
Mitte des vorigen Jahrhunderts von die&#x017F;em Heureichthum mehr<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0207] ente und die kleine Kriechente befanden. Zuweilen wurden in einer Nacht ſo viele erlegt, daß man ganze Kahnladungen voll nach Hauſe brachte. Waſſerhühner verſchiedener Art, beſonders das Bläß- huhn, Schwäne und mancherlei andre Schwimmvögel belebten die tieferen Gewäſſer, während in den Sümpfen Reiher (beſonders bei Freienwalde), Kraniche, Rohrdommeln, Störche und Kibitze in un- geheurer Zahl fiſchten und Jagd machten. Im Dorfe Letſchin trug jedes Haus drei, auch vier Storchneſter. Rings um das Bruch und in den Gebüſchen und Horſten im Innern deſſelben fand man Trappen, Schnepfen, Ortolane und andre zum Theil ſelten ge- wordene Vögel; über dem allen aber ſchwebte, an ſtillen Som- merabenden, ein unermeßlicher Mückenſchwarm, der beſonders die Gegenden von Freienwalde und Küſtrin in Verruf brachte. „Sie ſchwärmten — ſo erzählt Beckmann — in ſolcher Menge, daß man in der Luft dicke Säulen von Mücken beobachtete und gaben ein ſolches Getöſe von ſich, daß es, wenn man nicht ſcharf darauf achtete, klang, als würde in der Ferne die Trommel gerührt.“ Biber und Fiſchottern bauten ſich zahlreich an den Ufern an und wurden die erſteren als große Zerſtörer der ſpäter errichteten Dämme, die anderen als große Fiſchverzehrer fleißig gejagt; jeder konnte auf ſie Jagd machen, worauf ſie gänzlich ausgerottet wurden. Die Vegetation ſtand natürlich mit dem ganzen Charakter dieſer Gegenden in Einklang: alle Waſſer- und Sumpfpflanzen kamen reichlich vor, breite Gürtel von Schilf und Rohr faßten die Ränder ein und Eichen und Elſen überragten das Ganze. Im Spätſommer, wenn ſich die Waſſer endlich verlaufen hat- ten, traten, für den Reſt des Jahres, fruchtbare Wieſen zu Tage, und dieſe Wieſen, die ein vortreffliches Futter gaben, ſicherten, nebſt dem Fiſchreichthum dieſer Gegenden, den Bewohnern des Bruchs ihre Exiſtenz. Darüber hinaus ging es nicht, vielleicht des- halb nicht, weil der enorme Reichthum an Fiſchen und Heu beides halb werthlos machte. Einzelne benachbarte Cavallerie-Regimenter zogen etwa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts von dieſem Heureichthum mehr 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/207
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/207>, abgerufen am 19.04.2024.