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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Ein alter knorriger Birnbaum, der ziemlich unwirsch aus-
sah, legte sein Gezweig nach links hin auf das niedrige Haus-
dach, nach rechts hin über ein Conglomerat unsagbarer Oert-
lichkeiten: Verschläge, Ställe, Kofen. Zwischen ihnen das
gemeinschaftliche Gestade eines Sumpfes. Alles ärmlich, un-
sauber; selbst das Weinlaub, dem man dürftig und kunstlos ein
Spalier zusammengenagelt hatte, spann sich verdrießlich an der
Hinterwand des Hauses aus. Ein unpoetischer, selbst ein un-
malerischer Ort! Aber aus dem Weinlaub hervor schimmerte
eine weiße Tafel mit der Inschrift: "Hier ward Zelter
geboren am 11. Dec
. 1758."

Beuth, wenn mir recht berichtet, hat seinem Freunde Zelter
diese Tafel errichten lassen. Der Schüler und zweite Nachfolger
des berühmten "Sohnes der Grelle" aber war -- Grell.
Auch der Zufall liebt es, gelegentlich mit Wort und Namen zu
spielen.


Ein alter knorriger Birnbaum, der ziemlich unwirſch aus-
ſah, legte ſein Gezweig nach links hin auf das niedrige Haus-
dach, nach rechts hin über ein Conglomerat unſagbarer Oert-
lichkeiten: Verſchläge, Ställe, Kofen. Zwiſchen ihnen das
gemeinſchaftliche Geſtade eines Sumpfes. Alles ärmlich, un-
ſauber; ſelbſt das Weinlaub, dem man dürftig und kunſtlos ein
Spalier zuſammengenagelt hatte, ſpann ſich verdrießlich an der
Hinterwand des Hauſes aus. Ein unpoetiſcher, ſelbſt ein un-
maleriſcher Ort! Aber aus dem Weinlaub hervor ſchimmerte
eine weiße Tafel mit der Inſchrift: „Hier ward Zelter
geboren am 11. Dec
. 1758.“

Beuth, wenn mir recht berichtet, hat ſeinem Freunde Zelter
dieſe Tafel errichten laſſen. Der Schüler und zweite Nachfolger
des berühmten „Sohnes der Grelle“ aber war — Grell.
Auch der Zufall liebt es, gelegentlich mit Wort und Namen zu
ſpielen.


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[191/0209] Ein alter knorriger Birnbaum, der ziemlich unwirſch aus- ſah, legte ſein Gezweig nach links hin auf das niedrige Haus- dach, nach rechts hin über ein Conglomerat unſagbarer Oert- lichkeiten: Verſchläge, Ställe, Kofen. Zwiſchen ihnen das gemeinſchaftliche Geſtade eines Sumpfes. Alles ärmlich, un- ſauber; ſelbſt das Weinlaub, dem man dürftig und kunſtlos ein Spalier zuſammengenagelt hatte, ſpann ſich verdrießlich an der Hinterwand des Hauſes aus. Ein unpoetiſcher, ſelbſt ein un- maleriſcher Ort! Aber aus dem Weinlaub hervor ſchimmerte eine weiße Tafel mit der Inſchrift: „Hier ward Zelter geboren am 11. Dec. 1758.“ Beuth, wenn mir recht berichtet, hat ſeinem Freunde Zelter dieſe Tafel errichten laſſen. Der Schüler und zweite Nachfolger des berühmten „Sohnes der Grelle“ aber war — Grell. Auch der Zufall liebt es, gelegentlich mit Wort und Namen zu ſpielen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/209>, abgerufen am 28.03.2024.